Sechzehntes Kapitel

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Sechszehntes Kapitel

Kaum, dass sich unsere Nachhausewege trennten und Marvin in einer Seitenstraße abgebogen war, erzählte ich Aron von unserer kleinen Unterhaltung nach Sport.

„…Ich muss das Buch unbedingt noch besser verstecken“, schloss ich mit gedämpfter Stimme ab. „Er ahnt etwas, da bin ich mir ganz sicher. Da können wir ihm erzählen, was wir wollen – er glaubt uns nicht mehr!“

„Kein Wunder“, murmelte Aron. „Wir haben ihn auch schon früher hinters Licht geführt.“ Er kicherte seltsam. „Nicht, dass er es nicht auch getan hätte. Dora, glaubst du wirklich, dass wir Freunde sind, oder ist das auch eine Lüge?“ Nun wirkte Aron sehr nachdenklich und starrte ins Leere. „Samstag hat er dich angegriffen und nun tun wir wieder so, als wären wir gut befreundet. Was ist das für ein Spiel?“

Was, wenn er recht hat?, fragte ich mich. Seine Worte taten weh.

„Ich weiß nicht, was für ein Spiel hier gespielt wird, aber das ist jetzt erst mal egal“, sagte ich, dachte jedoch das Gegenteil. „Wenn Marvin uns wirklich verdächtigt, das Buch zu haben, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er mit seiner kleinen Bande bei uns einbricht. Und spätestens bis dann sollten wir das Buch irgendwo anders hingebracht haben.“

„Aber wo?“, wollte Aron wissen und verzog das Gesicht. „Willst du es im Wald verbuddeln? Oder doch noch verbrennen?“

„Nein, natürlich nicht!“, entrüstete ich mich. „Es wird nicht verbrannt, so viel steht fest. Bestimmt hat es auch eine gute Seite. Stell dir mal vor, irgendwann braucht jemand das Buch für irgendetwas total Wichtiges. Und wir hätten es verbrannt. Stell dir vor, man könnte damit auch etwas ungeheuer Gutes bewirken und wir wären schuld daran, dass es dann nichts mehr als einen Haufen Asche gibt. Nicht auszudenken!“

„Mithilfe dieses Buchen kann man ganze Welten zerstören. Das nenne ich nicht gut.“

„Wir schweifen vom Thema ab“, sagte ich schnell. „Wollten wir nicht besprechen, wo wir es verstecken können?“

„Das besprechen wir lieber, wenn uns auf jeden Fall niemand zuhören kann. Nicht, dass Marvin uns hinterherpirscht, so wie wir es bei ihm getan haben. Dann hätten wir nämlich ein ordentliches Problem.“

Erschrocken sah ich mich um, doch es war niemand zu sehen, erst recht keine Marvin-änliche Gestalt, die uns verfolgte.

„Na gut“, willigte ich ein. „Wow, ist dir schon mal der schöne Himmel heute aufgefallen?“

„Ja, besonders diese hübschen weißen Wolken, nicht?“, stimmte Aron zu, dem es schwerfiel, ein breites Lächeln zu unterdrücken.

Heute kam Aron gleich zu mir nach Hause. Dort ließen wir die Rollos runter, schlossen die Tür ab, knipsten meine Lampe an und während Aron sich auf mein Bett fallen ließ, verschwand ich darunter mit angehaltenem Atem, um die ganzen Staubflusen nicht einzuatmen. Trotzdem hustend kämpfte ich mich durch Stapel von altem Spielzeug, schob einen Pullover beiseite, von dem ich bis vor kurzen nicht einmal gewusst hatte, dass ich ihn besaß und taste in dem Durcheinander nach dem Buch. Ich hatte es ganz hinten in eine Kiste gestopft, in der sich ansonsten auch noch alte Putzlappen und ein paar unbenutzte, jedoch ordentlich zerknüllte Taschentücher befanden. Höchst wahrscheinlich reichte das zur Abschreckung, wenn man nicht gerade Nerven aus Stahl hatte, oder wusste, dass sich nie jemand in diese Tücher geschnäuzt hatte, oder dass mit diesen Lappen keine undefinierbare schwarze Masse aus finstern Ecken gewischt worden war. Auch wenn sie sich so anfühlten.

„Hab’s!“, keuchte ich, tauchte mit einem erneuten Hustenanfall unterm Bett auf, wobei ich mir den Kopf stieß und klopfte den Staub von meinen Kleidern.

Das letzte TorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt