Achzehntes Kapitel

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Achzehntes Kapitel

„Ich könnte euch zwei Wölfe geben, wenn ihr wollt“, bot das Monster uns mit leiser, rauer Stimme an, die so falsch klang, dass mir übel wurde. Langsam kehrte mein Bewusstsein zurück, und so vernahm ich die folgenden Worte etwas deutlicher.

„Ihr seid so schrecklich schwach.“

„Wir wollen keine Wölfe werden!“, rutschte es mir heraus. Sofort presste ich die Lippen aufeinander und blickte ängstlich auf, da ich fürchtete, er könne uns einfach zerfleischen, wenn wir nicht gehorchten.

Aber nicht einmal im Traum hätte ich auch nur in Erwägung gezogen, mich von ihm in einen Wolf verwandeln zu lassen. Das würde bedeuten, dass ich ihm willenlos gehorchen müsste.

„Eigentlich habe ich euch nicht nach eurer Meinung gefragt.“ Die Stimme des Ungeheuers klang wie die Ruhe vor dem Sturm, scharf und berechnend, aber von gefährlicher Wildheit.

„Aber du hast gesagt…“, begann ich, besann mich jedoch schnell eines besseren. Den Umgang mit wahren Horrorgestalten musste ich wohl noch üben.

„Schnauze!“, zischte die besagte Horrorgestalt und stieß mich so heftig zu Boden, dass ich beinahe wieder in Ohnmacht gefallen wäre.

Erschrocken versuchte Aron sich aufzurichten und spuckte etwas Blut ins Gras neben sich.

„Hast du dich verletzt?“, fragte ich besorgt. Noch viel zu gut konnte ich mich an den Wolf erinnern, dem ein Blutrinnsal aus dem Maul geflossen war. Wenn mit Aron dasselbe passieren sollte …

Hasserfüllt starrte ich das Monster an.

„Geht schon“, nuschelte Aron. „Hab mir nur auf die Zunge gebissen.“ Erleichtert atmete ich auf und versuchte mich richtig hinzusetzten. Es war ein wenig schwierig, da ich nicht genau sagen konnte, wo oben und wo unten war. Ich wertete das als schlechtes Zeichen.

„Das ist mein einziges Angebot“, knurrte das Etwas belustigt und streckte sich gelassen, wie um uns zu verhöhnen. „Entweder ihr nehmt die Wölfe an, oder ihr sterbt. Ihr habt die Wahl.“

„Großzügig!“, raunzte Aron schlecht gelaunt. Anscheinend hatte er ebenso wie ich noch nicht ganz begriffen, wen wir hier vor uns hatten.

„In der Tat. Hätte ich heute meinen ungroßzügigen Tag, wärest du nicht weniger als ein leckerer Fleischhappen, der sich inzwischen in meinem Bauch befände.“ Er lachte kalt. Meiner Meinung nach merkte man nur allzu deutlich, wie viel menschliche Grausamkeit unter diesem Pelz steckte und mit jeder Minute kam er mir mehr wie ein falsch zusammengesetztes Puzzel vor.

„Warum hast du eigentlich die Wölfe getötet?“, fragte ich, um von Aron und unserer Entscheidung abzulenken. Dabei wusste ich die Antwort schon längst: Die Tiere, denen er sich zuvor bemächtigt hatte, waren ihm zu schwach und ausgelaugt gewesen.

„Das geht dich nichts an! Ich könnte euch töten, ich könnte euch zwingen, zu allem!“ Seine Stimme wurde immer unmenschlicher. „Ich habe keine Geduld mit Schwächlingen wie euch! Ich brauche euer Einverständnis nicht!“

Aron öffnete den Mund, doch nur ein einziger Blick aus den grauenhaften Augen des Monsters genügten, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Es geht alles schief!, dachte ich hoffnungslos, als ich zusehen musste, wie Aron sich leise jammernd auf dem Boden krümmte. Er sah einem der sterbenden Wölfe so ähnlich, dass es mir das Herz brach.

„Hör auf!“ Verzweifelt schrie ich das Biest an und sprang zwischen es und Aron, um ihn vor seinen Blicken zu schützen.

„Heldenhaftes kleines Menschlein“, säuselte es boshaft. „Soll ich dir zeigen, was mit denen geschieht, die sich gegen mich stellen?“

Das letzte TorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt