Ein neuer Plan

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Ich starre fasziniert auf meine schlafende Familie. Theodore liegt in einem Babybett neben Ana und ich kann nicht fassen, was ich in den letzten Stunden erfahren und erlebt hatte.

Für Ana war ich bereit, ein Kind in meinem Leben zu akzeptieren, dass es sich um mein Kind – meinen Sohn! – handelte, wusste ich ja nicht. Und dass ich in Sekundenschnelle nicht nur Vater werden würde, sondern die Geburt auch live erleben konnte – es gibt Dinge, auf die kann man sich nicht vorbereiten. Vielleicht war es auch besser so – ich glaube, mit dem Wissen, was da auf mich zugekommen wäre, hätte ich es nicht so gut gemeistert.

Laut Grace eine Bilderbuchgeburt – vier Stunden nach dem Platzen der Fruchtblase hat Ted seinen ersten, sehr zornigen Schrei von sich gegeben. Für mich – vier Stunden absoluter Hölle.

Ana hat sich der PDA standhaft verweigert – und natürlich hatte sie Schmerzen. Allein das hat meine Beherrschung in einem Maße untergraben, die ich mir nicht vorstellen konnte. Allerdings wurde meine durchaus liebevoll und besorgten Kommentare zu dem Thema sehr rigoros und heftig niedergemacht. Ana war überhaupt sehr... ich kann es nicht wirklich in Worte fassen. Tapfer, beeindruckend und vor allem taff. Erwachsen. Sie hat – bis auf ein paar ziemlich treffende verbale Seitenhiebe – alles getan, was der Arzt ihr gesagt hat und nur gegen Ende ein wenig die Geduld verloren. Ich habe versucht, sie zu unterstützen und ihr Mut zu machen, aber die ernüchternde Erkenntnis der heutigen Nacht ist, dass sie mich nicht brauchte. Und nach ihrer Absage auf den unpassenden Heiratsantrag zu schließen, will sie mich auch nicht.

Allerdings hat sie mir eine Chance versprochen und der kleine Kerl, der gerade selig seinen ersten Tagesbeginn verschläft, hat es verdient, dass ich diese Chance nicht vermassele. Der Arzt hatte mich gefragt, ob ich die Nabelschnur durchschneiden will und ich habe nur hektisch mit dem Kopf geschüttelt. Nicht, dass ich noch was kaputt gemacht hätte. Es war alles so schnell gegangen und ich fühle ich jetzt noch wie benebelt.

Als Ana unseren Sohn auf den Bauch gelegt bekam, war ich endgültig verliebt. Und ich konnte nicht anders als diese zwei Wesen anzustarren, während Ana weinend den kleinen Mann auf der Welt begrüßt hatte. Als die Schwester fragte, wie er heißen soll, wurde mir bewusst, wie viel ich schon verpasst hatte. Ana hatte leise „Theodore Raymond" gemurmelt und mir einen vorsichtigen Blick zugeworfen. Ich konnte nur nicken, ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Baby. Ich fürchte allerdings, ich stand unter Schock. Hätte sie Pontius Pilatus gesagt, hätte ich zu dem Zeitpunkt wohl auch nur grenzdebil genickt. So bin ich ganz froh, dass mir der Name tatsächlich gefällt.

Ana schläft und ich überlege, wie ich mich wieder ins Rennen bringen kann. Grace hat, bevor sie mit stolzgeschwellter Brust nach Hause gefahren ist, ein paar ernste Worte zu Geduld, Einfühlungsvermögen und Müttern von Neugeborenen an mich gerichtet. Am besten wäre natürlich, ich könnte Ana davon überzeugen, mit ins Escala zu kommen. Dort könnte ich mich um sie und Ted kümmern – und die beiden jederzeit beschützen. Aber so, wie ich Anastasia kenne, findet sie bestimmt ein paar Gründe, warum sie das nicht will. Sie ist so verflucht unabhängig. Außerdem will ich sie nicht gerade an den Ort bringen, an dem ich meine Fehler manifestiert habe und befürchte auch, dass sie das Escala nicht wirklich mag. Ich brauche einen Ausweichplan und laut Grace jede Menge Geduld. Aber derzeit steht leider nur das Escala zur Verfügung. Allerdings muss das ja nicht auf Dauer sein.

Mein Sohn schlägt die Augen auf und obwohl er mich wohl nicht erkennen kann, zumindest laut Arzt, scheint er mich sehr genau zu mustern. Blaue Augen. Himmel, mein Kind. Ich wollte gar nicht Vater werden, jetzt will ich mich keine Sekunde von ihm trennen.

„Gibst du ihn mir bitte? Ich glaube, ich sollte mal versuchen, ihn nochmal anzulegen", höre ich Anas sanfte Stimme.

Der gereizte Tonfall während der Wehen ist wohl doch den Schmerzen zuzurechnen.

50 Shades of RegulationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt