Tyler
Wir saßen alle zusammen um das Sofa von Georg herum, der grade dabei war, Ian die Kugel auch dem Bauchbereich zu nehmen. Auch wenn er eine örtliche Betäubung hatte, sah es nicht so aus, als wäre es sonderlich angenehm. Gegor war früher in der Unfallchirurgie tätig. Außerdem ist er ein alter Freund von meinem Vater. Er war für uns da gewesen, als er uns verlassen hatte. Georg stellte auch nie Fragen, weshalb irgendwas passierte. Er wusste zwar, dass es nicht legal war was wir machten, hielt sich aber raus, er wollte schlichtweg so wenig wie möglich wissen. Die anderen Jungs um Ian herum begannen schon Rachepläne durchzuplanen. Auch die Gedanken an das Mädchen rückten langsam in den Hintergrund. Es war klar das Ian wieder auf die Beine kam und dass wir Dave das mit Jeffrey erzählten. Er und seine Jungs sollten sich um ihn kümmern, schließlich hatten wir wichtigere Sachen zu tun. Ich ging in die Küche um Ian was zu trinken zu holen. Jared folgte mir. Anhand seines Gesichtsausdruckes konnte ich erkennen, dass irgendetwas nicht stimmte. „Die Kamera im Lagerhaus hat Aktivitäten gemeldet. Guck dir das mal an!" Er gab mir sein Handy und zeigte mir das Video, welches unsere Überwachungskamera aus dem Büro gemacht hatte. Es war zwar sehr dunkel, trotzdem konnte man deutlich erkennen, dass die Person klein und schmal war. Eindeutig eine Frau, aber wie zur Hölle war sie reingekommen. Ich rief Jamie, Daniel, Ace und Kaleb in die Küche. „Irgendjemand ist im Lagerhaus und es definitiv keiner von uns und ein gebetener Gast ist es auch nicht. Möglicherweise ist es mein Besuch von heute Morgen. Wir fahren jetzt sofort dort hin!" Ich nahm mir meine Jacke vom Küchenstuhl und ging Richtung Haustür und wartete kurz am Auto von Ace, da die anderen noch ihre Sachen holten. Ace fuhr einen schwarzen BMW-M3, den er über alles liebte. Nachdem sie endlich aus dem Haus kamen stiegen wir alle ins Auto. Daniel in seinem Audi hinterher, weil er keine Lust hatte, sich in die Mitte auf die Rückbank zu quetschen. Ich hatte mich auf den Beifahrersitz gesetzt. Während wir zum Lager fuhren sagte ich kein Wort. Ich war komplett in Gedanken versunken. Mir ging immer wieder die Frage im Kopf rum, wer sie war und was sie wollte. Und vor allem was ich tun würde, wenn ich wusste wer sie war. Was würde das denn ändern. Sie war eine Gefahr für uns, aber ich bezweifelte sehr stark, dass ich ernsthaften Schaden zufügen konnte. Als der Motor abgestellt wurde, war ich der erste, der aus dem Auto sprang. Ich ging bereits zum Eingang, als mich Jared aufhielt. „Sie ist von hinten reingekommen, also sollten wir das auch tun." Sagte er. Jamie hielt dagegen. „Wäre es nicht besser, wenn sie uns direkt in die Arme läuft?" Dann begannen alle leise durcheinander zu diskutieren. Ich pfiff kurz und möglichst leise. „Ihr habt alle nicht unrecht. Aber da sie keinerlei Probleme hatte reinzukommen, gehe ich davon aus, dass sie nicht dumm ist. Sie wird uns kommen hören. Wir sollten also möglichst versuchen, sie einzukesseln." Alle nickten zustimmend. „Aber sie wird nicht verletzt, verstanden?!" Fügte ich noch hinzu. Das war das letzte was ich wollte, nachher ging sie noch zu Polizei oder sonst was. Jared, Daniel und Jamie gingen vorne herum und Ace und ich gingen zur Hintertür. Wir griffen zu den Taschenlampen und machten die Tür auf. Wir blieben aber direkt vor der Tür stehen. Ich ging davon aus, dass falls sie entwischen wollte es auf jeden Fall zur Hintertür rennen würde. Allerdings bezweifelte ich, dass sie Jamie, Daniel und Jared überlisten konnte. Wir blieben trotzdem stehen, machten die Taschenlampen aus und warteten einfach. Entweder würden sie gemeinsam kommen oder sie würde alleine auf uns zu kommen. Genau so kam es. Wir hörten schritte näher kommen. Sehr schnelle Schritte. Es war sehr gut, dass wir die Taschenlampen ausgeschaltet hatten, sonst wäre sie direkt wieder umgedreht und hätte sich einen anderen Weg nach Draußen gesucht. Vermutlich durch irgendein Fenster. Sie war nicht mehr weit von uns entfernt, als sie stehen blieb. Dann drehte sie den Kopf nach hinten, und sah zu den anderen drei. Ich dachte, dass sie es einsah. Sie würde nirgendwo hinkönnen. Jared allerdings wollte sie provozieren, wie jedes andere Mädchen auch. „Na Schätzchen, stecken wir unsere Nase in Sachen die einen nichts angehen?" Doch sie sagte nichts, sie blieb einfach stumm. Jamie interessierte was ganz anderes. „Wie heißt du? Wie bist du hier reingekommen und was hast du gesucht?" Aber auch darauf antwortete sie nicht. Das machte mich aus irgendeinem Grund tierisch wütend. Sie war hier eingebrochen, also sollte sie uns zur Hölle unsere Fragen beantworten. Dann packte mich ein anderer Gedanke, sie fühlte sich in die Enge getrieben. Sie hatte nicht mit uns gerechnet, wir hatten sie überrascht. Das war mein Schachzug, ich musste innerlich grinsen. Aber dann fasste mich die Wut wieder. „Er redet mit dir, du Schlampe, bist du taub?!" Ich wollte verdammt nochmal eine Reaktion. Doch die einzige Reaktion die ich bekam, war ein Blick. „Du kannst nirgendswo hin, du solltest lieber reden so lange wir noch nett fragen, wir können auch anders." Sagte Daniel. Als sie auch da nicht drauf antwortete und keinerlei Reaktion zeigte, reichte es mir endgültig. „Jetzt reicht es mir, Jungs schnappt sie euch, wir nehmen sie mit." Sagte ich. Dann endlich bekamen wir endlich ihre Stimme zu hören. Und genau so wie in der Küche überraschte sie mich vollkommen. Sie LACHTE. „Unterschätz mich ruhig! Nur zu! Umso lustiger wird es für mich." Was zur Hölle war das für ein beschissener Spruch. Ich nickte in ihre Richtung und Jared ging von Hinten an sie heran und umklammerte sie. Doch wieder überraschte sie mich vollkommen. Sie befreite sich aus seinem Griff und schlug ihm den Ellenbogen ins Gesicht. Dann ging Mick auf sie zu. Ich dachte er hätte mehr Erfolg als Jared, weil er größer war und auch mehr Kraft hatte, aber wieder täuschte ich mich ganz gewaltig. Auch wenn sie kurz etwas geschockt aussah, blieb sie dann wieder ganz entspannt und konzentrierte sich. Er war noch gut anderthalb Meter von ihm entfernt, als sie sich drehte und ihm mit Schwung gegen den Oberschenkel trat. Er kniete vor ihr und ihm nächsten Augenblick mit einer weiteren Drehung und vollem Schwung, noch mehr als eben ins Gesicht trat. Das tat mit Sicherheit ordentlich weh. Auch er ging wie Jared mit einem ächzen zu Boden. Ich hatte kurz die Befürchtung, dass sie uns alle einfach um klatschen würde. Das wäre extrem peinlich , denn es stand immerhin fünf Jungs gegen ein Mädchen. Bzw. es waren nur noch drei gegen ein Mädchen, aber irgendwann mussten ihr ja die Kräfte ausgehen. Sie hatte aus der Drehung heraus etwas das Gleichgewicht verloren, ihr Oberkörper war leicht gebeugt. Als sie sich gerade wieder aufgerichtet hatte, sprang Jamie in ihre Richtung. Er stürzte sich quasi auf sie. Ich schätze, dass er beweisen wollte, dass er derjenige war, der sie fertig machte. Aber auch er hatte nicht viel mehr Glück. Sie lies sich absichtlich nach hinten fallen, erst dachte ich, jetzt haben wir sie. Doch sie rollte sich auf dem Boden ab und warf ihn mit ihren Beinen über sie hinweg. Er flog bestimmt noch zwei Meter bis er donnernd auf dem Beton landete. Und es hatte uns rein gar nichts gebracht, denn sie vollendete ihren Überschlag sogar sehr elegant und kam leichtfüßig wieder zum stehen. Ich sah kurz zu Ace, er schien zu verstehen. Wir schnellten beide gleichzeitig in ihre Richtung. Sie kam ebenfalls auf uns zu, doch im letzten Moment machte sie sich klein und warf sich direkt vor meine Füße. Ich war so überrascht, dass ich, als ich auf dem Boden gelandet war, erst kurz überlegen musste, was gerade passiert war. Als ich mich umständlich wieder ausrichtete, sah ich grade noch wie sich Ace krümmte und sie im nächsten Moment das Knie ins Gesicht rammte. Was stimme mit ihr denn nicht? Sie hatte einfach problemlos vier meiner Freunde einfach so fertig gemacht. „Diese Scheiße hat jetzt ein Ende!" Jetzt war ich richtig wütend. Ich schnellte wieder in ihre Richtung und wollte ihr mit links einen Schlag verpassen, als ich merkte das sie auswich, holte ich mit rechts aus. Den rechten Schlag blockte sie, war aber nicht schnell genug und ich bekam ihr Handgelenk zu fassen. Ich musste nun schnell sein, also drehte ich ihr den Arm in einem unnatürlichen Winkel nach oben. Ich war bereits siegessicher, doch dummerweise hatte ich mich wieder zu früh gefreute. Sie machte einen Überschlag um meinen Arm und drehte meinen Oberkörper samt meines Armes mit, nun war ich in ähnlicher Situation wie sie. Allerdings bezweifelte ich sehr, dass ich mich ebenfalls so elegant befreien konnte. Dann spürte ich einen extremen Schmerz in der Seite. Dann knickte mein Knie ein. Ich sah sie noch einmal kurz an, dann wurde alles schwarz.
Langsam kam ich wieder zu Bewusstsein. Neben mir saß Ace, er sah etwas besorgt aus. Ich sah ihn fragend an und wollte was sagen, doch er kam mir zuvor. „Lass es ruhig angehen, du hast ganz schön was abbekommen. Die anderen sind auch noch ziemlich benebelt." Ich sah mich ganz langsam um. Irgendwie sah es aus als hätte es eine Barschlägerei gegeben. Allerdings hatte hier nicht Bruce Willis, Vin Diesel oder The Rock alle niedergeschlagen sondern ein kleines Mädchen. „Wir haben sie tatsächlich sehr unterschätzt. Aber wie hätten wir damit rechnen sollen, dass sie uns so platt macht? Das wird uns nicht nochmal passieren, versprochen. Mittlerweile sind die anderen sehr motiviert sie zu finden." Seine Augen funkelten leicht auf. Er strahlte Entschlossenheit und ein bisschen Frustration aus. Immerhin hatte sie ihn auch ausgenockt. Ich versuchte langsam aufzustehen, aber Ace musste mir trotzdem hochhelfen. Ich torkelte in Richtung Wohnzimmer und setzte mich auf eines der Sofas. Meine Rippen brannten und mein Kopf dröhnte. Nach und nach brachte Ace dort alle zusammen. Es herrschte eine merkwürdige Stille, die ich so gar nicht kannte. „Also wer auch immer die Kleine ist, sie hat einen ordentlichen Schlag. Also alle Achtung Tyler, die Schlampe, die du dir da eingefangen hast, ist auf jeden Fall eine Herausforderung." Sagte Jared. Ich sah zu ihm rüber. „Es ist nicht so als hätte ich sie mir gewünscht oder gar ausgesucht. Irgendwo sitzt mein Schicksal und lacht mich aus. Ich weiß das." Sagte ich leicht seufzend. Wobei der letzte Satz eher an mich selbst gerichtet war. Trotzdem hatten ihn mit Sicherheit ein paar gehört.
Ryan
Als wir das Haus betraten eilte ich direkt in die Küche, um etwas zum Kühlen zu holen. Sie war mir gefolgt und hatte sich an den Esstisch gesetzt, als ich ihr die Tiefkühlerbsen hinhielt. Sie sah mich mit ihrem typisch „Ist das dein ernst?" Blick an. Ich nickte ihr zu, versuchte ihr zu signalisieren, dass wiederstand nichts bringen würde. Sie seufzte und nahm die Tüte entgegen. „Braves Mädchen." Sie versuchte ein lächeln zu zeigen. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Was zur Hölle wolltest du in dieser Bruchbude von diesem Hurensohn?" Fragte ich neugierig aber möglichst neutral. „Ach Ryan, sei nicht so neugierig. Ich bin einfach nur gerne gut informiert, dass ist alles." Ich bemerkte aber, dass irgendwas nicht stimmte. Sie verheimlichte mir irgendwas. „Was hast du dort gemacht?" Ich wurde langsam etwas nervös. Ich wusste ziemlich genau, was passierte, wenn sie Dave Markov verärgerte. „Jetzt pass mal auf ich bin nur hier, weil ich gebeten wurde. Ich kann auch jederzeit wieder zurück fahren. Ich mache es entweder auf meine Art und Weise oder gar nicht. Ich brauche keinen Babysitter. Das habe ich nie und das werde ich auch nie. Ich komme auch alleine klar." Sie wurde langsam richtig sauer. Ich wusste genau, dass ich jetzt ganz vorsichtig sein musste, sonst würde sie die Warnung wahr machen und abreisen. „Du hast recht, entschuldige bitte. Ich habe nur die Hoffnung, dass alles wieder normal wird und ich Tyler wieder als meinen besten Freund bezeichnen kann. Er fehlt mir." Obwohl ich das noch niemandem gesagt hatte und das auch nicht tun wollte, war ich froh, dass ich es endlich gesagt hatte. Nun sah sie mich verwundert an. Als ob es eine riesige Überraschung wäre, dass ich meinen besten Freund vermisse. Ich wand den Blick kurz ab und sah dann wieder direkt zu ihr. Ich konnte nicht genau erkennen was grade in ihr vorging, aber wahrscheinlich versuchte sie die Situation einzuschätzen, genau wie ich. Ich wollte sie nicht wütend machen, aber sie brauchte nicht zu glauben, dass mir der ganze Scheiß leicht gefallen ist.
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Vom besten Freund zum Arschloch
Teen FictionNach einer schmerzlichen Trennung, vor vier jahren, finden Caroline und Tyler wieder zusammen. Das allerdings nicht aus Zufall. Ihre Leben haben einen ziemlich heftigen Wendepunkt gehabt. Nun versucht sie ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu ho...