✴ der letzte Schuss - als wäre meine eigene Waffe gegen mich gerichtet ✴

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Diesmal war es nicht ich, die schoss, sondern alle anderen.

Als mich langsam die Erkenntnis traf, dass es so kein Leben war und ich so niemals eine Chance haben würde, war es dafür allerdings bereits zu spät.

Alle, denen ich jemals wehgetan hatte - Mama, Papa, Opa, Miri, Frau Seitenschlag, Marc...- sie verfolgten mich von da an wie ein Schatten, der mich zu ersticken drohte.
Sie lauerten überall, in den hintersten Ecken meines Kopfes, allzeit bereit mich zu überfallen.

Inzwischen wusste ich, dass etwas mit mir nicht stimmte. Von klein auf hatte ich das Gefühl gehabt, anders zu sein. Und dabei nicht ganz Unrecht. Doch hatte ich nie etwas dafür gekonnt und genau das war es, was ich damals nicht begriff.

Mein Vater war Alkoholiker gewesen, arbeitslos und hatte sich oft mit Freunden oder meiner Mutter gestritten, schon zu der Zeit, als ich noch ganz klein war. Seine lautstarken Äußerungen mussten mich damals wohl verschreckt haben und so gab ich nur selten einen Ton von mir.
Nach der Sache mit meinem ersten Wort, dass ich aus einem dieser Streits oder einem schlechten Spiel seines Vereins augeschnappt haben musste, war ich zu meinen Großeltern abgeschoben worden.
Das ging einige Zeit gut, doch leider hing mein Großvater zu sehr in der Vergangenheit und so liefen andauernd irgendwelche Kriegsdokumentationen und -filme, die nie für Kinderaugen bestimmt waren. Als mein kindliches Ich dann eines Tages die völlig falschen Schlüsse daraus zog, hatte ich unwissentlich alle seine schlechten Erinnerungen auf mich gezogen. So war ich für ihn innerhalb kürzester Zeit zu einer unglaublichen Last und einem Hassobjekt geworden.

Miri, Frau Seitenschlag und ja, auch Marc hatten mir nur helfen und für mich da sein wollen.
Letzendlich hatte ich auch die drei verscheucht, ich hatte sie von mir weggeschubst, belogen und hintergangen.
Und ich hatte mich nie entschuldigen können.
Bei Miri und Frau Seitenschlag war die Erkenntnis zu spät gekommen und Marc wollte nach meinem Verrat nichts mehr von mir wissen. Er brach mit mir, so wie ich zuvor mit allen anderen gebrochen hatte.

Es war vorbei.
Doch wer hätte gedacht, das ausgerechnet er derjenige sein sollte, der mich endgültig dem Boden gleich machte?
Kurzerhand hatte er meine Waffe genommen, abgedrückt und mir mit dieser die Seele zerbohrt.

Die Schäden die das hervorrief, waren irreparabel und ich - somit gezeichnet für das ganze Leben.

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