Regenwetter und Sonnenschein

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  Clarke


Leise trommelte der Regen auf das Dach des Autos. Sein stetiges Rauschen mischte sich mit dem Holpern des Motors und passte zu dem grauen, wolkenverhangenen Himmel, den ich schweigend betrachtete. Während der ganzen Fahrt über hatten ich und meine Mutter kein einziges Wort gesprochen, zu groß war der gegenseitige Groll, den wir hegten und noch größer der Stolz, sich zu überwinden und die Stille zu beenden. Ich konnte es nicht fassen, dass sie mich aus meinem alten Leben gerissen hatte, um mit einem Mann zusammenzuziehen, den sie erst seit einigen Wochen kannte. Mit ausdrucksloser Miene strich ich über meine Oberschenkel, die Augen noch immer in die Ferne gerichtet, wo riesige Nadelwälder aus dem Boden wuchsen, dunkel im Regen glänzten und sich irgendwo in Bergen verloren, die sich wie alte, graue Riesen aus dem Horizont erhoben.
Wenn ich ehrlich war, schien selbst die Luft diesen Geschmack zu tragen, diesen bitteren, faden Geschmack von Verlust. Ich hatte alles verlassen, für das mein Herz geschlagen hatte, um das zu finden, dass das meiner Mutter zum Pochen bringen würde. Hatte ich ihr nicht das Glück gewünscht, nach dem Tod meines Vater einen neuen Partner zu finden? Hatte ich nicht gehofft, endlich wieder dieses verliebte Grinsen auf ihren Wangen zu sehen? Hatte ich nicht fest darauf bestanden, dass sie diesen Kane zurückrufen sollte? Ja, das hatte ich - zumindest bis zu dem Punkt, an dem sie mir erzählt hatte, dass er in Polis lebte. Polis, eine Stadt, so weit entfernt von dem, was ich kannte, dass es keinen Unterschied machen würde, ob man sich ihr näherte oder gleich den Mond bezog.
Meine Mundwinkel sanken herab, als ich erneut eines der gelben Schilder ausmachte, mich grimmig im Sitz herumdrehte, die Hände gegen die kalte, vom Regen überströmte Scheibe presste und angestrengt versuchte, irgendetwas Lesbares im Vorbeifahren zu erhaschen.


"Bis Polis sind es noch knapp zwei Stunden, Clarke."


Die Stimme meiner Mutter ließ mich aus meinen Gedanken schrecken und zu ihr hinübersehen, sie aus tiefen Augenringen mustern und dann nach einer kurzen Weile resignierend den Kopf wegdrehen. Ich gönnte ihr diesen kleinen Durchbruch nicht im Geringsten, im Gegenteil, ich dachte gar nicht daran, eine Reaktion auf ihre Worte zu zeigen, ganz gleich, wie sehr ich wusste, dass sie mein Verhalten kränkte. Es war nicht nur jetzt präsent, dieses Knistern von Spannung in der Luft, nein, es schien nahezu seit Tagen allgegenwärtig und mir war klar, irgendwann würde sich dieses Gewitter von Gefühlen mit einem Donnern entladen. Ein leises Seufzen huschte über meine Lippen, als ich mich zur Seite beugte, um die dunkelblaue Wolldecke des rechten Hintersitzes zu fassen, hochzuheben und an mich zu pressen wie ein Neugeborenes, während meine Augenlider zu flattern begannen und ich verzweifelt versuchte, die brennenden Tränen in meinen Augen zurückzuhalten.
Ich wollte nicht ankommen.


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"Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du aus deinem Bett kommen würdest und diese Einkäufe für mich erledigst. Bitte, es dauert wirklich nicht lange."


Das Kissen raschelte unter meinen blonden Haaren, als ich zögernd den Kopf drehte und meine Mutter betrachtete, die mich, unglücklich in der Tür stehend, musterte. Der Stoff an meiner Wange war feucht und rau, wie nicht anders zu erwarten, wenn man stundenlang auf ihm geweint hatte. Ich bohrte meine Finger fester in die Decke und zog den Mund zu einem schmalen Strich. Es war nicht nötig, einen Blick in den kleinen, rechteckigen Spiegel auf der anderen Seite des Raumes zu werfen, um zu wissen, dass meine Wangen rot und geschwollen waren, meine Haare zerzaust und meine Wimperntusche verschmiert.

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