Clarke
Das Blut rauschte mit einem solchen Pochen und Pulsieren durch meine Adern wie ein dröhnender Bass. Alles schien sich zu drehen, zu fallen und wie Scherben zu Boden zu stürzen, doch waren es nur meine Sinne, die in winzige Teilchen zersprangen. Meine Knie schmerzten, waren überzogen vom blutigen und blau geschwollenen Blessuren, schrammten schlurfend über die kantigen Treppenstufe, die ich nicht zu erklimmen vermochte. Wieder fiel ich, knickte mit der Hand an der steineren Kante ab, die ich zu greifen versuchte und schlug mit den Zähnen gegen den festen Beton. Da waren Schritte, hinter mir, schnell und schwer. Ich wusste, dass er es war. Es knackte und stach mit solcher Wucht, als wären da nicht Zähne, sondern messerscharfe Klingen, die in mein Fleisch verwuchsen. Im selbem Moment, eine Hand in meinem Nacken, spitze Fingernägel, die sich in mein Fleisch bohrten und mich ruckartig in die Höhe rissen. Blut rann über meine Lippen, floss warm und dickflüssig an meinem Kinn herab. Für einen kurzen Augenblick konnte ich mein eigenes Winseln vernehmen, starrte den wankenden, verschwimmenden Gang herab, spürte Erbrochenes in meiner Speiseröhre aufsteigen und dann - nur noch Schmerz, der in meinem Schädel explodierte, Schmerz, der alles andere erlöschen ließ, Schmerz, der mich in allen Höhen schreien und in allen Tiefen verstummen ließ.
Plötzlich - grelles Licht. Der Traum zeriss wie ein Segel im Sturm, jagte meinen Puls über die stürmische See.
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Lexa
"Indra, was ist das?"
Nachdenklich durchblätterte ich die Akten auf meinem Platz und legte sie dann behutsam neben der halbvollen Kaffeetasse auf der anderen Hälfte des Tisches ab. 'Seize the day' stand in krackeligen, weißen Buchstaben auf ihrem dunkelblauen Porzellan geschrieben. Das Rascheln vom Papier kündigte meine Kollegin an, bevor sie die offene Tür überhaupt passiert hatte. Der schwere Geruch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen lag in der Luft.
"Die Formulare - eine neue Schülerin."
Kam es nun kühl von dieser, die mit gestrafften Schultern und einschüchternder Aura durch den Raum marschierte, ehe sie sich mir gegenüber setzte und mich prüfend musterte. Das Holz der Stuhles gab ein widerwilliges Knarzen von sich, das abrupt von ihren Worten unterbrochen wurde.
"Du hast es vergessen?"
Ihre Stimme klang schneidend wie eine Klinge, vermutlich würde ich sie genauso fürchten, wie die kleinen Fünftklässler, würde ich sie nicht schon so lange kennen und zu schätzen wissen. Mit einem beschwichtigen Lächeln nippte ich an meinem Getränk und beobachtete die Dunkelhäutige über den Rand der Tasse. Der Kaffee füllte meinen Mundhöhle für einen kurzen Moment mit angenehmer Wärme und jagte mir dann ein wenig Leben in die verschlafenen Geister. Ich zuckte mit den Schulterm und blickte gen Fenster, das einen schönen Ausblick auf den gold-orangenen Sonnenaufgang gewährte. Bevor ich mich komplett in Gedanken verlor, entschied ich mich für eine knappe Antwort.
"Natürlich habe ich es nicht vergessen, Indra."
Der skeptische Gesichtsausdruck meiner Gegenüber sprach Bände. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen, lehnte mich zurück und streckte mich gähnend. Sie konnte nicht mit einer geschönten Ausrede leben... Als hätte ich es nicht geahnt. Seufzend lehnte ich mich vor und fing ihren Blick.
"Sieh es mal so. Ich bin auch nur ein Mensch. Am Wochenende ist Vieles passiert, Vieles, das interessant war, Vieles, das zu überdenken ist. Ich unterrichte pro Woche mehr als 200 Schüler, ein Gesicht mehr oder weniger wird keinen Unterschied machen. Außerdem -"
Ich zwinkerte ihr kurz zu, um sie noch ein wenig mehr zu provozieren.
"Außerdem werde ich sie bei Zeiten sowieso kennenlernen. Ich bin Lehrerin, gönn mir ein wenig Spannung zwischen dem Wiederholen von Präsens, Präteritum und Perfekt. Diese Akten..."
Ich deutete auf die Formulare.
"... wären totale Spoiler."
Mit diesen Worten erhob ich mich von meinem Stuhl und feixte mich innerlich für die Blicke meiner Kollegin. Ihre Kinn zitterte, als sie räuspernd auf die Füße kam, sich zum Gehen wandte und mir mit schüttelndem Kopf einen letzten, kurzen Blick zuwarf.
"Du bist unverbesserlich, Lexa."
"Ich weiß"
Meine Füße trugen mich aus dem Lehrerzimmer Richtung Hauptgebäude, welches man durch einen gläsernen Flur passierte. Einige Schüler, die meinen Weg kreuzten, neigten eilig den Kopf vor mir oder stotterten ein flüchtiges "Guten Morgen!". Der Respekt, den sie mir entgegenbrachte, hob meine Laune wesentlich an. Für Indra mochte ich die kleine, freche Lexa sein, aber für meine Schülerinnen und Schüler war ich die gnadenlose Ms. Woods, Englisch- und Sportlehrerin, deren liebste Strafaufgabe darin Bestand, jeden, der ihre Anordnungen verweigerte, um sein Leben rennen zu lassen. Wievielen Halbstarken hatte ich schon den Kopf gewaschen und sie zur Vernunft gebracht.. Ich konnte es gar nicht mehr sagen. Mit gerecktem Kinn schritt ich die Treppe hinab und dann nach rechts. Meine Schritte waren deutlich zu hören in der eisernen Stille, die selbst anhielt, als ich den Klassenraum betrat und meine Sachen auf dem Pult ablegte. Ich könnte schwören, würde eine Feder zu Boden fallen, man würde ihr Aufkommen als Donnern vernehmen. Mit kühler Miene wandte ich mit den Jugendlichen entgegen, die aufrecht an ihren Plätzem standen und mich begrüßten. Mit einem Nicken erlaubte ich ihnen, sich zu setzen.
"Wie ihr sicherlich alle wisst, werdet ihr ab heute eine neue Klassenkameradin im eurer Mitte wissen."
Ich lehnte mich gegen das Pult und verschränkte die Arme, während meine Augen die Reihen nach einem unbekanntem Gesicht durchsuchten.
Einige Schüler rutschen unruhig auf ihren Stühlen herum, ich konnte es ihnen nicht verdenken. Die Lust, nach der Neuen zu suchen, war gering. Ich entschied mich, mir die Arbeit zu erleichtern.
"Also ... Wo bist du?"
Meine Stimme war zwar gelassen, wirkte jedoch kalt und desinteressiert. Die Neue sollte gar nicht erst auf die Idee kommem, dass ich auch nur einen einzigen Schüler dem anderen vorzog.
"Hier, Ms. Woods."
Die weibliche Stimme kam von der Fensterseite.
"Ah, ich sehe."
Ich öffnete mein Federmäppchen und zog einen Kugelschreiber hervor, bevor ich gelangweilt den Kopf hob.
"Nam..."
Der letzte Buchstabe blieb mir im Halse stecken, als ich das Mädchen erkannte.
Meine Lippen zitterten kurz, versucht zu lächeln, während ich scheinbar ohne Interesse ihren Namen, den ich aus gegebenen Gründen bereits kannte, in meinen Aufzeichnungen notierte und mit dem schwarzen Kulli auf dem linierten Papier herumkritzelte. Meine Gedanken jedoch waren ganz bei ihr, bei Crasher.
"Clarke Griffin, Ms."
Kleinlaut, mit blassem Gesicht gesprochen saß sie da und wich meinem Blick aus. Im Gegensatz zu mir schien ihr die Situation mehr als unangenehm zu sein. Wie niedlich.
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Freier Fall
Science Fiction"Costia!" Ein strahlendes Lächeln ziert das Gesicht der Frau, die ich liebe, die mich an sich presst wie einen kostbaren Schatz. So schön, dass es mein Herz vor Freude schneller schlagen lässt und mich gleichzeitig in tiefe Trauer versetzt. "Nein, L...