Nie Gedacht

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Eines der Tiere? Nein, es klang als käme es von einem Menschen. Da, schon wieder! Es hörte sich an wie ein kichern. Ich rollte mit den Augen und konnte mir ein Seufzen gleichzeitig nicht verkneifen. War eine Begegnung mit Gabor nicht genug?
Schon einmal hatte ich ihn mit einem der Dorfmädchen im Stroh liegen und ihn, in sehr intimer Position, vorgefunden.
Gabor war Kilians Neffe und hielt sich, zu meinem Leidwesen, gerne hier bei den Pferden auf.
Schon oft hatte ich über dem Rätsel gebrütet, wie zwei so unterschiedliche Menschen vom selben Blut sein konnten. Obwohl ich mir fast sicher war, dass es Gabor mit einer seiner Eintagsfliegen war, beschloss ich den Geräusch auf die Schliche zu gehen. Nicht dass ich, in irrtümlichen Glauben, einfach einen Pferdedieb hier herumstreunen ließ. Außerdem, vielleicht ergab sich ja noch eine gute Geschichte, mit der ich Gabor, bei einem der besorgten Dorfväter noch einiges an Ärger einandeln könnte.
Leise stieg ich die Leiter, zum Heuboden, hinauf. Die Lampe verbarg ich hinter meinem Körper. So hatte ich immer noch genügend Licht, um die Stufen vor mir zu sehen, doch sie war nicht zu hell, als dass sie mich gleich verraten hätte. Oben angelangt, versteckte ich mich hinter einem Heuballen und wartete auf weitere verräterische Geräusche die mir den Weg weisen würden. Da hörte ich sie sprechen. Erstaunlich nah. Erstaunlich lieblich und viel zu bekannt!
"Aber war das denn wirklich nötig? Kannst du ihm nicht einfach ausweichen, wenn er dir über den Weg läuft? "
"Um da zu stehen wie ein Feigling?"
"Um dazustehen wie jemand, der meine Freunde respektiert!"
Diese Stimme weckte in mir die ältesten Erinnerungen. Diese Stimme war das erste, was ich hörte, nachdem ich meinen Eltern beim Sterben hatte zu sehen müssen. Diese Stimme gab mir Hoffnung, jeden einzelnen Tag. Trotzdem wollte, konnte ich nicht glauben, dass sie es war. Nicht hier. Nicht mit ihm. Doch ein Blick über den Heuballen, in die Richtung aus der sie kam, bestätigte mir, was in meinem Kopf einfach nicht zusammenpassen wollte.
Ich sah ihr Kleid. Ich sah ihr verstrubbeltes, braunes Haar. Ich sah ihre roten Wangen und wusste, dass ich mir mein Leben lang selbst etwas vorgemacht hatte.
Ich wäre wahrscheinlich ewig so stehen geblieben und hätte sie angestarrt, wäre mir in diesem Moment nicht die Lampe aus der Hand gerutscht und mit einem lauten rumms auf den Boden aufgeprallt.
Ich sah noch wie die beiden aufschreckten und sich nach der Ursache des Geräusches umschalten, dann fing ich an zu rennen. Ich wusste nicht wohin. Ich wusste nicht was dann. es lag auch nicht an Gabor und seinem spöttischen Lächeln, dass mich daran hinderte, mich einfach zu erkennen zu geben. Es waren nur Delias Augen, in die ich jetzt nicht sehen wollte. Diese Augen, die mir Versprechen gaben, die nie da waren. Diese Augen, hinter denen sie dann, verzweifelt, um eine Erklärung ringen würde.

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