Sweet Dreams

Kapitel 1/3

  Jeffs Sicht:

Wie immer schneite ich ganz kurz vor Unterrichtsbeginn in die Klasse und quetschte mich, so unauffällig als möglich, an der Wand entlang zu meinem Platz in der letzten Reihe durch. Dort angekommen atmete ich erst ein Mal erleichtert durch und zog mir die Kapuze meines weißen Pullovers tiefer ins Gesicht. Keine der anderen Deppen hatte mich angesprochen, nur ein geflüstertes "Freak!" war von Kevin zu hören gewesen. Aber das gehörte, seit meinem "kleinen" Ausraster vor ein paar Wochen, auch zum Alltag.
Ich versuchte wirklich mich, zumindest in der Schule, einigermaßen zusammen zu reißen aber an diesem Tag war mir wirklich der letzte Geduldsfaden gerissen. Alle hatten durcheinander geredet und Michelle, das ach-so-beliebte Mädchen der Klasse, hatte andauernd so grell aufgelacht und schlecht geschlafen hatte ich auch! Naja und zu viel war eben zu viel und so kam es eben, das selbst der harmoniebedürftigste Klassenlehrer der Welt, aufgegeben hatte mich integrieren zu wollen. So saß ich eben allein in der letzten Reihe aber wirklich schade fand ich das auch nicht.

Immer noch meinen Gedanken nachhängend bemerkte ich, das mich heute gar niemand mit Irgendetwas bewarf und auch die Beleidigungen waren bis lang fast ausgeblieben. Dafür musste es ja irgendeinen Grund geben, überlegte ich und wandte, nur wiederwillig meine Aufmerksamkeit nach vorne meinem Klassenlehrer zu. Oh, das erklärte einiges: Mein Lehrer stand da nicht allein sondern stellte wohl gerade eine neue Schülerin vor. Ich musste zugeben nun konnte ich die  plötzliche Stille unter meinen Mitschülern nachvollziehen.
Für ein Mädchen war sie eigentlich relativ groß, was aber auch an den hohen schwarzen Schuhe liegen konnte. Mein Blick wanderte langsam von besagten Schuhen weiter über die langen Beine des Mädchens, welche in langen schwarzen Strümpfen mit Naht steckten. Ein leichtes Grinsen stahl sich auf meine Lippen. Sehr hübsch, nein wirklich!  Sie hatte lange, dunkle Locken die ihre linke Gesichtshälfte komplett verdeckten. Endlich auf an ihrem Gesicht angekommen stutzte ich. Der Teil ihres Gesichtes, der nicht von ihrer Haarmähne verdeckt wurden, stand zu einem ziemlichen Kontrast zu ihrer sonst so hübschen Erscheinung. Ausdruckslos starrte sie die Klasse an. Mein Lehrer hatte sie wohl aufgefordert sich vorzustellen, denn genau jetzt öffnete sie ihre roten Lippen und sagte mit monotoner Stimme: " Hallo, Lillien mein Name. Freut mich euch kennen zu lernen." Der gelangweilte Blick den sie uns aus ihrem grauen Auge zuwarf straftestraften ihre höflichen Worte Lügen.

Verlegen lachend forderte unserer Klassenlehrer sie auf, sich einen Platz zu suchen. Ohne etwas zu sagen nickte sie leicht und lief schnurstracks auf "meine" letzte Reihe zu. Nur setzte sie sich auf die komplett andere Seite, direkt ans Fenster. Ein raunen ging durch die Klasse bis dann doch endlich der reguläre Unterricht begann. Hin und wieder schaute ich zu ihr rüber doch ich hatte den Eindruck , dass sie sich in den ganzen 90 min. der erste Doppelstunde keine cm bewegte. Als es dann zur Pause klingelte blieb ich wie gewohnt einfach sitzen. Was sollte ich auch mit den Anderen, die hielten mich ohnehin alle für einen Freak. Was ja streng genommen gar nicht so falsch war, aber das mussten die ja nicht wissen.
Doch in den Rest meiner Klasse kam langsam Bewegung. Sie scharten sich, Einer nach dem Anderen um den Tisch der Schwarzhaarigen. Die ließ das allerdings wohl ziemlich kalt, denn ohne auch nur auf einen der Störenfriede zu achten, zauberte sie aus ihrer Ledertasche ein Buch und begann ungerührt darin zu blättern. Ich beobachtete die ganze Szenerie gespannt. Auftritt: Kevin dem, selbsternannten und aus unerfindlichen Gründen anerkannten, Klassenschwarm . Arrogant wie eh und jeh setzte er sich einfach auf ihren Tisch und schaute sie mit einem, wie er wohl meinte, unwiderstehlichen Blick an und räusperte sich laut. Keine Reaktion. Er beugte sich tiefer zu ihr und raunte: "Hallo Süße, ich bin Kevin aber das weißt du bestimmt schon. Wenn du willst lass ich dich neben mir sitzen, dann musst du nicht mit diesem Freak - " Er deutete mit dem Daumen auf mich "- in einer Reihe sitzen. Da freust du dich bestimmt oder?"Er grinste breit. Doch, zu meinem Wohlwollen, verrutschte sein Zahnpasta lächeln als das Mädchen immer noch nicht von ihrem Buch aufblickte. " Ey, ich rede mit dir!" blaffte er laut und versuchte mit nach ihrem Handgelenk zu greifen. Das war zu viel! Die Schwarzhaarige blickte nun doch auf. Mit einem verächtlichen Blick in Kevins Richtung klappte sie ihr Buch zu und stand so schnell auf das ihr Stuhl hinten über fiel. Die entsetzten Gesichter ihrer neuen Klassenkameraden ignorierend, schritt sie langsam aus dem Raum. Im Türrahmen drehte sie sich noch einmal um und meinte leise: " Wage es ja nicht noch einmal mich an zu fassen. Ist das klar?" Ihre Stimme war messerscharf und niemand wagte etwas zu sagen. "Ob das Klar ist, hab ich gefragt!" sagte sie noch einmal lauter und durchbrach damit das angespannte Schweigen das den Raum ausfüllte. Plötzlich passierte etwas womit ich nun wirklich nicht gerechnet hatte. ihre Mundwinkel zogen sich nach Oben und ein leises Glucksen war zu hören. Sie lächelte. Nein, sie lachte sogar.. Wahnsinn! Nun wirklich nicht mehr monoton kicherte sie: " Na seht ihr? Das war doch gar nicht so schwer oder? Mehr als Ruhe habe ich doch gar nicht verlangt." Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Klassenzimmer. Kurz war es immer noch still doch dann brach der Tumult los. "Was für eine arrogante Ziege!" Wetterte Michelle drauf los und auch Kevin, der noch einige Zeit mit offenem Mund seiner "Süßen" nachgeblickt hatte spielte nun den gekränkten Schönling. An dieser Stelle machte ich aus dem Staub, denn wenn sie wütend wahren dann ließen sie das gerne an mir aus und dann währe es garantiert mit meiner Selbstbeherrschung dahin. Das konnte ich mir aktuell nun wirklich nicht leisten. Die Betreuerin aus dem Heim in dem ich momentan lebte war mir bereits das letzte Mal fast an die Gurgel gegangen.