Mutation

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„Wie? Du möchtest uns begleiten? Wo ist denn deine Familie?", stellte ihm Klayten die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge lag.

Seine traurige Fassade richtete sich zum Boden und er war mit einem Mal eine ganz andere Persönlichkeit. Von seiner aufgeregten, hibbeligen Art war nichts mehr zu entdecken.

„Sie wurden vom König dieses Landes hingerichtet."

In seiner weichen, gellenden Stimme, konnte man eindeutig heraushören, dass er den Tränen nahestand.

„Mein Va...", setzte Klayten an, ehe ich ihm mit meinen Fingern über den Mund fuhr. Ich hielt es für angebracht, Charlie erst einmal nicht zu beichten, dass der Mörder Klaytens Vater war.

Er schien von meiner Handlung etwas überrumpelt zu sein. Seine Augen blitzten auf, als meine Finger weiterhin auf seinen vollen perfekten Lippen ruhten. Die spannungsgeladene Atmosphäre war zum Greifen nahe. Wie in Zeitlupe ließ ich meine Hand nach unten sinken. Klayten räusperte sich und fuhr sich nervös durch sein dichtes blondes Haar.

„Wegen eben, das wollte ich nicht. Also nicht, dass ich es nicht gewollt hätte, ich war auf einmal nur auf das Eine fixiert. Ich weiß, wir Männer sind da sowieso schon etwas eigen, aber, hach ..."

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, und beobachtete ihn amüsiert, wie er verunsichert hin und her tappte und sich die Haare raufte, als hätte er irgendwelche Flöhe.

Charlie hatte sich scheinbar von seiner Trauerphase erholt, und überspielte alles mit seiner guten Laune. Momentan war er jedoch, durch Klaytens aufgewühltes Verhalten, etwas verwirrt. Er musterte ihn und verzog gleichzeitig eine Fratze, die sein dunkles Pelzgesicht noch lustiger aussehen ließ, als es ohnehin schon war.

„Was hat er denn auf einmal? Verstehst du, was er meint?"

Mein Grinsen wurde immer breiter.

„Nein Charlie. Mir ist sein Verhalten völlig schleierhaft."

Klayten stoppte seinen übertriebenen Lauf ab, und richtete seinen Blick erneut auf mich. Wie er dort in seiner hautengen Lederkluft vor mir stand und mir diesen durchdringenden Blick zuwarf, brachte mich eindeutig dazu, wieder ins Schwitzen zu geraten. Ich wusste, was er meinte. Irgendeine Verbindung hatte sich zwischen uns aufgebaut, als ich ihm mein Blut verabreicht hatte. Ich merkte jedoch, dass dieses überaus starke Triebverhalten, sich mittlerweile etwas normalisierte, und ich atmete erleichtert aus.

Dennoch ließ mich sein Antlitz nicht kalt. Sein äußeres, unheimlich anziehendes Erscheinungsbild, brachte mich leicht in Verlegenheit. Vor allem aber, als er auf mich zukam. Von seiner Unsicherheit fehlte jede Spur.

„Ich glaube, du müsstest mich noch einmal eingehend untersuchen, Isabell. Ich vermute, ich habe mir etwas eingefangen."

Ich wagte mich kaum zu atmen, so nah stand er nun vor mir und blies mir seinen heißen Atem entgegen.

„Mensch Klayty, Teleporter können doch gar nicht krank werden, weil das Herz doch gar nicht mehr schlägt. Ach herrje, da muss ich dir schon etwas über deine Art erzählen. Ts, ts, Klayty, Klayty, also das hätte ich nicht von dir gedacht."

Und wieder einmal hatte Charlie bestens dafür gesorgt, die ach so schöne Harmonie zu zerstören. Klayten nahm es allerdings sehr gelassen.

„Na das würde auch erklären, wieso ich noch nie etwas von einer Behandlung gehört habe."

Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen.

„Bingo", sprang Charlie fröhlich auf und ab.

„Trotzdem würde ich mich freuen, wenn du mich ein zweites Mal untersuchen würdest, Isabell. Irgendwie hat es mir gefallen."

Dies geballte Energie, die er mir, mit nur einem Blick signalisierte, brachte mich völlig aus dem Konzept. Ich atmete schwer, und mein eigener Körper schien diese Veränderung wohl, als eine Art Zeichen zu sehen, denn genau in diesem Augenblick, spürte ich, die Mutation meiner Fingernägel. Lange schwarze Krallen wuchsen hervor, bereit für den nächsten Nahkampf. Die Atmung wurde langsamer, und beinah vollkommen lahmgelegt. Kopfschmerzen trieben mich um den Verstand.

Wieso gerade jetzt?

Ich zwang mich dazu, bei der Sache zu bleiben.

„Könntest du uns nicht einfach zum Anwesen deines Vaters teleportieren?", versuchte ich die Aufmerksamkeit wieder auf das Wesentliche zu lenken.

„Alleine wäre es kein Problem. Nur, wenn ich euch mitnehme, wird von euch nicht mehr viel übrig sein. Ihr besitzt kein Gen zur Teleportation, daher habt ihr nicht die Möglichkeit von jetzt auf gleich zu verschwinden. Alleine der Versuch, würde euch beiden vermutlich das Leben kosten."

Ich nickte nachdenklich und krümmte mich schließlich voller Schmerz.

„Isabell? Was hast du?"

Klaytens besorgter Unterton war mir nicht entgangen.

„Diese gottverdammte Verwandlung."

Meine Zähne waren das große Übel. Wieder einmal veränderten sie ihre Form. Spitzer und schärfer, dass selbst meine Zunge beim Herantasten, leichte Blutspuren mit sich zog. Mit jedem aufkommenden Schmerz, ließ ich einen lauten Schrei aus meiner Kehle entweichen. Ich hatte das Gefühl, als würde immer mehr das Tier von mir Besitz ergreifen wollen.

„Isabell. Deine Augen."

Ich musste mir keine Bestätigung einholen, dass sich meine Augenfarbe erneut verändert hatte, das konnte ich bereits an seinem geschockten Gesichtsausdruck erkennen.

„Ich bringe euch zum König", kam es von mir, in einem Ton, den ich selbst noch nicht kannte.

„Du?"

Klayten lachte laut auf.

„Tut mir leid, aber das ist zu komisch."

„Dann bleib eben hier."

Ich war nicht mehr ich selbst. Noch nicht einmal über meinen Körper und deren Handlungen konnte ich verfügen. Ich musste mit ansehen, wie dieses Etwas immer mehr an Macht gewann.

Wenn es mich jetzt bereits unterdrücken kann, wird es ein leichtes sein, mich komplett zu kontrollieren und auszuradieren.

Ich schluckte schwer, als mein Körper erneut eine Nachricht an die Beiden weitergab.

„Jetzt springt gefälligst auf meinen Rücken, oder ist es euch lieber, ich lasse euch hier stehen!"

Widderwillig stimmte Klayten zu. Ich konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht gerade leicht viel, über seinen Schatten zu springen, doch er sprang tatsächlich auf meinen Rücken. Für meinen Geschmack etwas zu aggressiv. Charlie hüpfte auf seine Schulter. Kaum hatten die Beiden ihren Platz eingenommen, flitzte ich in einer Geschwindigkeit davon, die mir bisher unergründlich erschien.

Was geschieht nur mit mir?


Tensistoria, das Spiel beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt