Attention

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„Wie ist das möglich? Wieso können dich die Menschen auf einmal sehen?"

Ich konnte durchaus nachvollziehen, wieso ihm plötzlich jegliche Farbe aus dem Gesicht wich.

Er fuhr sich über sein blondes glattes Haar, und vergrub für einen kurzen Moment seinen Kopf zwischen seine Beine, bis er seinen Blick schließlich wieder an mich wandte. Der Blick seiner unfassbaren kristallblauen Augen. Schlagartig schoss mir der Kuss, der sich noch vor wenigen Sekunden ereignet hatte, in den Kopf, und ich atmete die durch und durch knappe Luft ein, die mich beinah an den Rand der Ohnmacht trieb. In Gedanken, strich ich über meine Lippen, während mich Klayten noch immer fixierte. Langsam stand er auf und wagte ein paar Schritte auf mich zu. Der Rhythmus meines Herzens nahm zu, und wollte sich gar nicht mehr beruhigen lassen. Doch als sich Charlie schließlich kreischend meldete, kam ich wieder zur Besinnung.

Jetzt kann dieses Isum hier auf der Erde schon nicht sprechen, und macht trotzdem wieder einmal diesen einzigartigen Moment kaputt.

Wild hüpfte Charlie von einer Stelle zur anderen und zeigte zum Ausgang der Gasse.

„Ich glaube, er will uns etwas mitteilen", war Klaytens Vermutung, der ich mich durch ein Nicken anschloss.

„Nur was? Er kann es uns schließlich nicht mehr sagen", folgte meine Feststellung.

Ich sah zu dem Punkt, zu dem Charlie zeigte, und konnte mir dennoch keinen wirklichen Reim darauf bilden, was er uns nun mitzuteilen hatte.

Ich grübelte, und war wirklich sehr darauf bedacht, herauszufinden, was er uns so wichtiges zu sagen hatte, bis ich Klaytens Hand auf meiner Schulter spürte, die mich zu ihm drehte.

„Hör mal, wegen dem Kuss vorhin ...", begann er.

„Ich weiß. Es war nur zur Ablenkung gedacht. Es ist ja nicht so, dass wir uns zum ersten Mal geküsst haben."

„Das stimmt. Aber, damals, war es ja eher ein freundschaftlicher Wiedersehenskuss."

„So? War es das?"

Das hatte ich zwar ganz anders in Erinnerung, aber es schien, dass wir wohl zwei unterschiedliche Meinungen hierzu hatten.

Trotz dessen war er nervös.

„Ich bin nicht gut im Reden, gerade wenn es um so etwas geht. Am besten wir sprechen später nochmal darüber."

Ich nickte, obwohl ich mich am liebsten gar nicht mehr mit ihm über dieses Thema unterhalten wollte.

„Also, wieso konnte dich der Mensch sehen?"

„Ich habe keine Ahnung. Die einzige Erklärung, die mir einfällt, ist, dass ich einen Teil meiner Kräfte verloren habe."

„Wie ist das möglich?"

Klaytens Augen weiteten sich plötzlich, als er hinter meinem Rücken etwas entdeckte. Meine Sinne verschärften sich, und ich konnte die Gefahr in all meinen Gliedmaßen spüren.

„Pass auf!", rief Klayten und riss mich unsanft zu Boden, als ein Schuss ertönte und uns nur um Haaresbreite verfehlte.

Klayten richtete sich sofort vom Boden auf. Geschockt blickte ich zu ihm und hinüber zu dem Gegner in der Uniform. Der Mann, der uns eben beim Küssen zugeschaut hatte.

„Ich bin also doch nicht meine Kräfte los", murmelte Klayten mehr zu sich selbst, als an Jemanden direkt gewandt.

„Hallo Trevor!"

Ich sah hinüber zu dem Kerl in der Polizeiuniform.

Charlie zeigte ein hysterisches, bestialisches Verhalten vor ihm. Er hüpfte und sprang wild umher, um ihm in irgendeiner Art und Weise, einen Schaden zuzufügen.

Der Kerl streckte einmal seinen Arm heraus, und hatte Charlie an der Gurgel gepackt.

Mit einem lauten Schrei sprang ich auf.

„Charlie!"

Brutal schleuderte er das Isum gegen die Steinmauer, wo es bewusstlos und angeschlagen zu Boden ging.

„Ich bin nicht der Typ der mit Worten um sich schmeißt, eher der, der Taten sprechen lässt, Klayten."

Klayten fletschte die Zähne.

„So warst du schon immer, Trevor."

„Dein Vater hat mir einen Auftrag gegeben, den ich guten Gewissens ausführen werde."

Wie eine Art Frisbee, schmiss er seinen Polizeihut auf uns zu während er sich vom Boden abdrückte und in die Lüfte sprang. Klayten folgte ihm kurz danach, nach oben in den Himmel. Der enorme Kraftaufwand hatte seine Spuren auf dem Kopfsteinpflaster verursacht. Die Steine waren an der Stelle von Klaytens Absprung zum größten Teil zerbrochen und eine tiefe Kuhle konnte man dort entdecken, als wäre ein enormer Felsbrocken auf den Boden geknallt.

Mein Blick heftete sich nach oben zum sonnenscheinklaren Himmel. Obwohl die Sonne stark meine Sehnerven beeinträchtigte, konnte ich dennoch das Schattenpaar erkennen, dass sich oben nicht gerade einen fröhlichen Kampf lieferte.

Irgendwie fühlte ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt, als ich die Beiden dort oben, ihren, ums Leben gehenden Kampf, mitverfolgte.

So hat alles angefangen. Damals, als ich Klayten und Kaska bei einem Kampf beobachtet habe ...

Die Fausthiebe und Tritte in der Luft, wären womöglich für einen normalen Sterblichen, wenn er sie denn nun auch sehen könnte, nicht nachvollziehbar gewesen.

Durch meine Fähigkeiten, konnte ich alles bis ins kleinste Detail mitverfolgen. Ich wäre Klayten schon längst zu Hilfe geeilt, doch hatte ich an seinem Blick herauslesen können, dass er sich erst einmal alleine um diese Angelegenheit kümmern wollte.

Mein Herz sackte in die Hose, als ich mit ansah, wie Klayten einem richtig fiesen Tritt von Trevor, nicht ausweichen konnte. Die Attacke war so geballt mit einer Ladung an Energie, dass Klayten niemals eine Chance, auf einen Konterangriff gehabt hätte. Trevor drehte sich einmal um die eigene Achse, bis er schließlich in einer unheimlich schnellen Geschwindigkeit sein Bein mit Schwung in Klaytens Magen trat, und Klayten mit einer unfassbaren Beschleunigung auf mich zuraste. Ich brachte mich in Position, um ihn womöglich aufzufangen, obwohl ich mir selbst noch nicht darüber im Klaren war, wie ich das Best möglichst anstellen sollte.

Kurz vor mir, schaffte er es, in der Luft abzustoppen, und schoss erneut hinauf zu einem nichtendenden Kampf mit Trevor.

Schleunigst lief ich hinüber zu Charlie, der noch immer bewusstlos am Boden lag. Erschüttert stellte ich fest, dass er mit dem Kopf gegen die Mauer geknallt war, denn frisches Blut hatte sich an seiner Stirn gesammelt, und suchte sich, in Schlangenlinien, seinen Weg über sein niedliches Gesicht, hinab zum Erdboden. Ich schob meine Handflächen unter seinen schlaffen Körper, und hob ihn vorsichtig nach oben.

Zornig richtete sich mein Blick nach oben und mein Fixpunkt war nur auf eine Person gerichtet, Trevor.

Mit einem Mal, spürte ich, dass die Helligkeit etwas nachließ, trotzdem, ließ ich mich nicht davon ablenken, ihn aus den Augen zu verlieren. Nur, als die Beiden dort oben, wie aus Zauberhand, mit dem Kampf stoppten und sich erschrocken umblickten.

„Was zum Henker ...", begann Trevor, bis sich schließlich unsere Blicke trafen.

„Du! Was hast du getan!"

Nun wandte ich meinen Blick ab, und blickte überrascht auf die grün schimmernde Barriere, die sich wie ein grüner Kokon um uns gelegt hatte.

Tensistoria, das Spiel beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt