Kapitel 3

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Die Stille, diese stoische, beinahe schon apathische Ruhe, die diesser Mann ausstrahlte, hatte es mir angetan. Wir hatten noch kein Wort miteinander gewechselt, worüber ich verdammt froh war, da ich meine Stimme nicht gerne hörte. Erst recht nicht, wenn ich zumindest schon angetrunken war. 

Lächelnd malte ich Kreise auf seine Brust, die gebräunt, aber auch vernarbt war und sah in seine Augen. Sein Lachen zerstörte diesen ruhigen, intimen Moment und ich fragte leicht gereizt, was denn so witzig sei, doch er schüttelte nur den Kopf, wirkte selbst unzufrieden mit seiner Reaktion. Ich seufzte leicht, stand auf, zog mir einen Slip und ein T-Shirt an und tappte barfuß in die Küche, setzte mich auf die Anrichte und stellte den Wasserkocher an, damit ich mir einen Instant-Kaffee zubereiten konnte. Wenn er auch einen wollte, konnte er ja von mir aus kommen.

Als der Geruch von Koffein die Wohnung erfüllte, bequemte auch er sich aus meinem Bett und schlich, sich ganz offensichtlich unwohl fühlend, zu mir in die Küche und betrachtete mich von oben bis unten. Lächelnd betrachtete auch ich seinen Körper, winkte ihn zu mir und schlang dann meine Beine um seine Taille. "Wie heißt du eigentlich?" fragte ich jetzt doch, da das Schweigen jetzt, wo wir nicht mehr im Bett lagen, unangenehm und erdrückend war und ich wenigstens wissen wollte, mit wem ich es zu tun hatte.

Doch er antwortete nicht. "Sprichst du kein Englisch?" hakte ich seufzend nach, da ich mich langsam aber sicher verarscht fühlte. Anstatt mir zu antworten, nahm er sich einen Zettel und schrieb etwas darauf, reichte ihn mir. 'Salem, und du?' stand darauf und ich zog eine Augenbraue in die Höhe. "Warum redest du nicht?" wollte ich jetzt wissen und gab ihm den Zettel zurück, auch wenn ich es ziemlich albern fand, dass er nicht redete. "Hast du zu viel getrunken und hast Angst, richtig zu lallen?" kicherte ich und wartete dann doch ziemlich interessiert auf seine Antwort.

'Ich weiß nicht, wie es heißt, aber ich kann nicht sprechen, ohne mich übergeben zu müssen.' Ich lachte laut und schallend los. Das war ja wirklich der Gipfel. Solch eine dämliche und zugleich schreckliche Ausrede hatte ich noch nie in meinem Leben gehört. Es gab tausend Ausreden dafür, weshalb man keinen hochbekam, oder zu früh kam oder beim Sex nicht reden wollte, aber ich hatte noch nie gehört, dass jemand sich beim Reden übergeben musste.

"Und hast du das schon mal untersuchen lassen?" fragte ich, zunehmend neugierig. Die Ausrede war schon so dämlich, dass es keine Ausrede sein konnte. 'Ja, natürlich, meine Eltern haben mich zu unzähligen Fachärzten geschickt, aber weder konnte man herausfinden, woher es kommt, noch wie man es bekämpfen kann.' Seufzend gab ich ihm eine Tasse Kaffee und setzte mich mit ihm an den Esstisch. "Hm... Ich weiß nicht, ob ich dir das glauben kann, aber es klingt schon einigermaßen plausibel."

Dieser Salem war ein merkwürdiger Typ. Nicht direkt unsympathisch, aber anders als der übliche Hipster, zu denen ich den Großteil meiner Freunde zählen würde, wenn man mich fragen würde. "Ich bin London. Naja, eigentlich nicht, aber jeder kennt mich unter diesem Namen, also brauchst du auch meinen richtigen Namen nicht erfahren." Lächelnd trank ich einen Schluck Kaffee und rieb mir über die schläfrigen Augen, die sich nach Ruhe, ergo Schlaf, sehnten.

'Ich komme aus Georgia, aus Atlanta, um genau zu sein. Wir werden uns niemals wiedersehen, also sag mir, wie du wirklich heißt.' Er schien meine Müdigkeit zu bemerken, denn er machte Anstalten, aufzustehen und mich in Ruhe zu lassen. Wollte ich das? Ich nahm den Zettel an und schüttelte den Kopf. "Mein Name bleibt geheim und wird nicht über meine Lippen kommen, solange ich lebe." Ja, das war etwas übertrieben, aber ich war müde. Und wenn ich müde war, wollte ich eine Drama Queen sein, über die ich mich bei America's Next Topmodel lustig machen würde.

"Schlaf gut, Salem" murmelte ich, als ich aufstand und ins Bett wankte, da die Müdigkeit mittlerweile überhand nahm und ich nicht mehr länger die Augen offen halten konnte. Totmüde fiel ich auf die weiche Matratze und spürte ein paar starke Arme, die sich um mich legten und mich wärmten, da sich eine Gänsehaut auf meinen Armen und meinen Beinen gebildet hatte, die ich selbst kaum wahrgenommen hatte, lediglich aufgrund der Tatsache, dass ich so müde war wie lange nicht mehr. Ich spürte die Wärme, die dieser Mann ausstrahlte und eine Decke, die sich über uns beiden legte und dann war ich eingedöst.

Schlafen tat ich noch nicht, ich war lediglich eingedöst und spürt noch jede Regung von Salems Seite. Seine Muskeln schienen noch nicht recht entspannen zu wollen. Sie zuckten zusammen und auch auf seiner Haut bildete sich eine dünne Schicht 'goosebumps'. Ich lächelte leicht und klammerte mich an seine Brust, atmete immer ruhiger und schlief schlussendlich dann doch ein. 

Mein Schlaf war unruhig. Bei der kleinsten Bewegung wurde ich fast wach und bei jedem noch so leisen Geräusch schreckte ich auf. So war jede Nacht, die ich etwas zu viel getrunken hatte. Ich wurde von Alpträumen geplagt und konnte mein Unterbewusstsein, das ich tagsüber maulkorbte, nicht mehr länger unterdrücken und alle meine geheimen Ängste, Wünsche, tief verborgenen Gefühle, drangen ans Licht und mündeten in einen psychopathischen, paranoiden, neurotischen Alptraum, der mich eigentlich schon mein Leben lang verfolgte.

Weiche Lippen legten sich auf meine und mein Schrei verstummte. Der Schrei, den ich ausstieß, sobald dieser maskierte Mann namens Vil, mich erreichte und ich seine weißen, leblosen Augen erblicken konnte. Ich drückte meinen Kopf an seine Schulter und spürte, wie seine schlanke Hand, durch meine Haare kämmte und dabei über meinen Rücken strich, um mich zu beruhigen.

Ich hatte gar nicht gemerkt, wie sehr mein Atem sich tatsächlich beschleunigt hatte und ich war ihm definitiv dankbar, dass er da war. "Danke" murmelte ich leise, als mein Atem wieder auf einem einigermaßen normalen Level war und ich mich fähig fühlte, zu sprechen. Ich war ihm so dankbar. Er war einfach nur da. Redete nicht. Fragte nicht nach, warum ich geschrien hatte. Ein wirklich sympathischer junger Mann, der aus dem fernen Georgia gekommen war, um mich doch noch davon zu überzeugen, dass Horoskope nichts durchweg schlechtes waren, was eh niemals stimmte. 

Dieses Mal war wahr, was darin stand. Die Begegnung mit Salem war schicksalhaft, das spürte ich, auch wenn ich noch nicht genau wusste weshalb. "Wann musst du wieder weg?" fragte ich ganz kleinlaut, was ich von mir selbst nicht gewohnt war, da ich eigentlich immer taff war und großschnauzig, aber dieser verflixte Alptraum brachte mich immer wieder aus der Fassung. Ein Grund mehr, weshalb ich nur äußerst selten Alkohol trank. Er malte mit dem Zeigefinger eine sechs auf meinen Rücken und ich nickte. "Sehen wir uns wieder?" 

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Sooo Leute, Ende des 3. Kapitels. Wie hat es euch gefallen? Dieses Mal bestehe ich auf mind. 5 Votes, dann kommt der nächste Teil. Ich hoffe, dass ich zwischen dem ganzen Klausurstress Zeit für's Schreiben finde.

Was denkt ihr? Werden die zwei sich wieder sehen? Und was hat es mit Londons mysteriösem Alptraum und ihrem Namen auf sich? 

Schreibt doch eure Gedanken einfach in die Kommentare ♥

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