Tagträume

12 0 1
                                    

"Marie wenn du nicht den Bus verpassen willst musst du jetzt wirklich los, mach schon", hörte ich meine Mutter rufen. Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel, schnappte mir meinen Rucksack, steckte mir meine Kopfhörer ins Ohr und rannte nach draußen. Dann drehte ich mich nochmal um und rief: "Bin jetzt weg, bis später." Schnell schloss ich die Tür und lief Richtung Bushaltestelle. Fast war ich bei seinem Haus angekommen als er, Jayden, plötzlich ins Freie trat, für einen Augenblick hatten wir Blickkontakt, dann drehte er sich um und lief den restlichen Weg bis zur Haltestelle vor mir her. Ich beobachtete seine Bewegungen, die mir so vertraut waren, weil ich es nie schaffte vor ihm an seinem Haus vorbeizukommen, also beobachtete ich ihn jeden morgen und oft auch Mittags. Wie fast immer fragte ich mich auch jetzt, was ich falsch gemacht hatte? Warum hatte er plötzlich kein Interesse mehr gehabt obwohl er vorher oft andeutete das er auf mich stehe? Hatte ich was falsches gesagt? Hatte er von Anfang an nur mit mir gespielt? Oder hatte es vielleicht einen ganz anderen Grund auf den ich nur nicht kam? Hasste er mich wirklich so, wie es aus seinen letzten Nachrichten hervorgegangen war, in denen er sagte ich würde ihn nerven und solle ihn in Ruhe lassen oder hatte ich es mir nur eingebildet und er hatte nichts gegen mich und fühlte nur nicht das gleiche für mich, wie ich für ihn? Doch wie immer fand ich auf keine dieser Fragen eine Antwort.
Als der Bus vor mir hielt war ich noch immer in meine Gedanken vertieft. Doch dann stieg ich ein und sah Jayden nach wie er sich zu seinem besten Freund Dean setzte. Wie immer hatten wir während der Busfahrt ein paar mal Blickkontakt und erst als der Bus am Bahnhof hielt sah ich ihn ein letztes mal an und lief dann zu meiner Schule. Er würde in die Entgegengesetzte Richtung gehen.

Auf dem Weg zur Schule stellte ich mir vor das irgendetwas passieren würde was uns dazu bringen würde wieder miteinander zu reden... Na gut wir hatten noch ein oder zwei mal kurz geredet aber nur wenn er betrunken war und immer nur in einer Gruppe. Aber was wäre wenn zum Beispiel jemand am Bahnhof mich schlagen würde? Vielleicht würde er ja dazwischen gehen? Das war eine gute Idee für meine täglichen Vorstellungen während des Unterrichts beschloss ich.
Aber erstmal musste ich meiner besten Freundin Clary davon erzählen, dass ich es wieder nicht geschafft hatte vor ihm an seinem Haus vorbeizukommen und wir im Bus wieder Blickkontakt hatten. Denn sie war die einzige die wusste das ich nach all dieser Zeit Immernoch auf Jayden stand.
Als ich ihr davon erzählte versuchte sie mir wie immer Mut zu machen und meinte, dass er wenn er mich immer anschauen würde mich nicht hassen könne, aber ich war mir sicher, dass man jemanden auch beobachtet wenn man ihn hasst.

Im GK Unterricht war dann die Möglichkeit für meine Tagträume, denn hier passte sowieso nie jemand auf. Ich stellte mir vor am Bahnhof kam jemand zu mir und schlug mich aus irgendeinem Grund und plötzlich tauchte Jayden auf und verteidigte mich... Er sagte: "Verschwinde und lass sie gefälligst in Ruhe oder ich mache dich fertig." Daraufhin sah ich ihn an stotterte ein "Danke". Schüchtern lächelte er und sagte: "Ist doch selbstverständlich immerhin waren wir mal Freunde." Dann stiegen wir in den Bus und während er sich wieder zu Dean setzte sank ich glücklich auf einen freien Platz in der Nähe... Als ich Mittags Zuhause war vibrierte plötzlich mein Handy. Ich sah auf den Display und hatte eine Nachricht von Jayden. Erst kniff ich mich selbst und dann stieß ich einen Freundenschrei aus. Er hatte mir tatsächlich geschrieben. Mit zitternden Fingern öffnete ich die Nachricht in der stand: "Hey Marie, ich wollte mal hören wie es dir nach dem Schlag vorhin geht." OMG er wollte wissen wie es mir geht. Ich antwortete...

Clary stieß mich mit dem Ellenbogen an und ich schreckte aus meinen Tagträumen hoch. Mein GK Lehrer Herr Schmitt stand vor mir und fragte genervt: "Nun Marie hast du die Frage überhaupt verstanden oder warst du am tagträumen?" Ich zog den Kopf ein und murmelte kleinlaut: "Entschuldigen Sie Herr Schmitt." Dieser ignorierte mich jedoch und fragte in die Klasse: "weiß sonst jemand die Antwort?"
10 Minuten später, in der Pause kicherte Clary: "Lass mich raten du hast dir eine Situation mit Jayden vorgestellt?" Ich knuffte sie in die Seite und stellte grinsend fest: "Du kennst mich einfach zu gut."

An diesem Abend nach meinem Handball Training bei uns im Ort...

Nachdem wir schon Clary nach Hause gefahren hatten, waren nur noch Vero, eine meiner Freundinnen, die mit mir Handball spielte, ihre Mutter und ich im Auto. Gerade fuhren wir in unseren Ort als ich jemanden mit dem Gesicht nach unten auf dem Bürgersteig liegen sah. Ich schnappte nach Luft, es war Jayden. Auch Vero und ihre Mutter hatten ihn gesehen und das Auto hielt an. Sofort sprang ich heraus und drehte Jayden auf den Rücken. In diesem Moment war es mir egal welches Verhältnis wir zueinander hatten ich wollte ihm nur helfen. "Schnell wir brauchen einen Krankenwagen!", sagte ich zu niemand bestimmten, "ich glaube er ist bewusstlos.
Doch plötzlich rührte er sich in meinen Armen, er schlug die Augen auf und sah mich direkt an. Dann hörte ich seine Stimme, sie klang anfangs etwas zerbrechlich aber bis zum Ende des Satzes war sie wieder normal: "Nein, keinen Krankenwagen! Es ist nichts passiert, mir geht es gut." "Dir ist nichts passiert?", fragte ich empört, "bis vor 30 Sekunden lagst du noch bewusstlos mit dem Gesicht nach unten auf den Bürgersteig." "Nein, Du verstehst das nicht!", sagte er verzweifelt, "bitte, ich brauche keinen Krankenwagen."
Bevor wir eine Diskussion starten konnten, mischte sich Vero schnell ein. Sie sagte: "Okay keinen Krankenwagen, aber du lässt dich von uns nach Hause bringen und erzählst uns warum du partout keinen Krankenwagen rufen möchtest." Jayden sah uns verunsichert an. "Okay", sagte er dann, "ihr könnt mich nach Hause bringen, aber das mit dem Krankenwagen kann ich euch wirklich nicht erklären."
Nachdem wir ungefähr 5 Minuten darüber diskutiert hatten ob er uns die Sache mit dem Krankenwagen nun erklären würde oder nicht, hatte Veros Mutter schließlich eingegriffen und uns erklärt, dass es Jaydens Entscheidung sei, ob er einen Krankenwagen wollte oder nicht. Also fuhren wir ihn nur nach Hause was für mich schon an ein Wunder grenzte, denn wir saßen zusammen in einem Auto auf der Rückbank. Als er an seinem Haus ausstieg bedankte er sich nochmal bei uns und sah mir dabei tief in die Augen. Beim schießen der Tür schenkte er mir sogar ein Lächeln, das erste Lächeln seit 2 Jahren.

Gerade mal eine halbe Stunde war ich Zuhause als mein Handy vibrierte und ich eine Nachricht bekam. Als ich auf mein Handy blickte blieb mein Herz fast stehen... Sie war von Jayden!!! "Okay ganz ruhig bleiben", flüsterte ich mir selbst zu, dann öffnete ich die Nachricht.

Wer versucht uns zu hindern...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt