Zum gefühlt zehnten Mal bleibt sie vor dem Baum stehen, geschmückt mit einer rosa Schleife, die sie vor einiger Zeit aus ihren Haaren gezogen hat. Sie seufzt erschöpft und stampft in kindlicher Manier mit dem rechten Fuß auf den erdigen Boden unter ihr auf. Ihre Hände ballen sich zu Fäusten und sie stößt einen frustrierten Schrei aus: „Ich will sofort nach Hause!"
Denn dort könnte sie sich vor einen der zahlreichen Ventilatoren auf den hölzernen Boden setzen und somit der erbarmungslosen Hitze des diesjährigen Sommers entfliehen. Es würden sich die Sonnenstrahlen nicht ihre Wege durch die grünen Blätter der Bäume über ihrem Kopf bahnen und ihre Haare erwärmen. Sie müsste nicht andauernd gegen den Drang, sich sämtliche verschwitze Kleidung vom Leibe zu reißen, ankämpfen und würde es auch nicht bereuen, nur eine einzige Flasche Wasser mitgenommen zu haben.
Einhändig fischt sie ihr kleines Tastenhandy aus der hinteren, linken Hosentasche. Sie kneift die Augen zusammen, um irgendetwas auf dem Bildschirm erkennen zu können, Tränen bilden sich, als sie erkennt, dass sie noch immer kein Signal hat. Kein Wunder, da sie sich inmitten eines Waldes befindet, der sie scheinbar bis in alle Ewigkeiten im Kreis laufen und immer wieder zu dem Baum mit der rosa Schleife zurückkehren lässt.
"Ich will sofort aus diesem blöden Wald hinaus", ruft sie erneut und wirft in einem Moment der puren Rage ihr Telefon auf das Gras. Ein leises Knacken dringt in ihre Ohren und mit Schrecken bemerkt sie, dass sie durch das Temperament, das sie besitzt, das einzige Hilfsmittel, das sie irgendwie nach Hause bringen könnte, soeben zerstört hat.
Augenblicklich bahnen sich Tränen ihre Wege über ihre vollen, leicht geröteten Wangen und ein Schluchzen lässt ihren ganzen, schmalen Körper zusammenzucken. Sie vergräbt ihr Gesicht in den kleinen Händen und kneift die Augen zusammen, als würde dies sie aus diesem Moment, der sich wie ein Albtraum anfühlt, holen können. So sehr in ihren negativen Gedanken vertieft, hört sie zuerst nicht, wie eine tiefe Stimme sie fragt: „Benötigst du Hilfe?"
Erst, als hinter ihr ein Ast zerbricht, erschrickt sie und wirbelt herum. Wenige Meter vor ihr befindet sich ein junger Mann, bekleidet in einem weißen Hemd mit schwarzen Punkten sowie dunkle Jeans. Seine Füße sind nackt, die langen Grashalme kitzeln ihn bestimmt an den Zehen. Die Locken, braun wie ihre liebste Süßigkeit – Schokolade – reichen ihm bis an die Schultern, eine Haarlänge, die sie bisher bei Männern noch nie gesehen hat. Obwohl sie erwartet, dass dies ihm eine femininere Ausstrahlung geben würde, lassen ihn seine Gesichtszüge nur noch maskuliner wirken. Die Kieferknochen stehen deutlich hervor und durch das Kinn nimmt sein Gesicht eine markante Form an.
Augen, so grün und strahlend wie ein Peridot, sehen sie eindringlich an und der Unbekannte zieht die rechte Braue hoch. Er verschränkt die Arme und selbst durch den dünnen Stoff des Hemdes erkennt sie die Muskeln, die sich bei dieser Bewegung anspannen. „Nun? Willst du mich einfach nur weiterhin anstarren, bis ich tot umfalle?", fordert er sie heraus, woraufhin sie endlich aus ihrer Schockstarre gelöst wird.
So schnell ihre Beine sie tragen können, beginnt sie zu rennen, begleitet von einem schrillen Schrei. Sie läuft in die entgegengesetzte Richtung, um dem Mann zu entfliehen, das Telefon, das noch immer vor dem Baum mit der rosa Schleife im Gras liegt, hat sie bereits vergessen. Nach einigen Sekunden, die auch Minuten sein könnten, bleibt sie erschöpft stehen, sie stößt die Luft keuchend aus ihren Lungen durch den geöffneten Mund aus. Mit beiden Händen stützt sie sich jeweils auf dem linken und rechten Oberschenkel ab, während sie der Umgebung lauscht, auf ein weiteres Knacken eines Astes wartet.
„Ich finde es wirklich unhöflich, dass du von mir wegläufst, obwohl ich dir doch nur helfen willst", meldet sich der Mann wieder zu Wort, erneut steht er wenige Meter hinter ihrem Rücken. Als hätte er sich keinen Zentimeter bewegt, sind seine Arme noch immer verschränkt und seine Beine geschlossen. Regelmäßig hebt und senkt sich seine Brust, ganz im Gegensatz zu ihrer, da sie solch einen Sprint nicht gewohnt ist.
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Touch / h.s
Fanfiction"I want to touch." Als eine Berührung alles war, was Cecile und Harry begehrten. -- Cover by ravingstyles_