Chapter 1

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Eine junge Frau lag tot im Schnee auf dem Boden. Ihr Name war Evelyn. Gerade war sie noch mit ein paar Freunden im Theater gewesen, doch nun war sie tot. Sie hatte keine sichtbaren Verletzungen. Andere Menschen hätten wahrscheinlich vermutet, sie schlafe nur... Auf einmal verschwand ihr Körper und war weg. Sie fiel durch Raum und Zeit und landete in einer unbekannten Welt.

"Wo bin ich?" Ich war gerade in einem großen Raum aufgewacht. Es gab keine Tür und die Wände waren gelblich schimmernde Scheiben. Außen war ein breiter Gang und gegenüber vom Gang war wieder so ein Raum, wie der in dem ich war. Auch links und rechts von mir waren Räume. Alle sahen gleich aus! Verzweifelt kauerte ich mich in eine Ecke meiner Zelle. "Bitte sag mir, wo ich bin. Ich weiß nicht wo ich bin," schluchzte ich und bemerkte nicht, wie jemand in der Zelle rechts neben mir von seiner Liege aufstand und zu der Wand zwischen mir und ihm kam. Als ich ihn bemerkte nahm ich die Hände vom Gesicht: "Wer bist du?" "Ich bin Loki!" Ich sagte nichts und er wand sich von mir ab. Er beobachtete die anderen Gefangenen, gegenüber des Ganges. "Ich bin ein Mensch," erklärte ich, als ich sah, dass alle Gefangenen hier keine Menschen waren. Loki beachtete mich nicht weiter. Er setzte sich direkt an die Wand zum Gang, lehnte sich an die Ecksäule und las ein Buch.

Eine riesige Kreatur kam plötzlich durch den Gang gelaufen. Sie blieb vor der Zelle, die mir gegenüber lag, stehen. Die Kreatur schlug ein paar Mal mit beiden Fäusten gegen den flimmernden Schutzschild und dieser zerbrach in hunderte kleine Splitter, die wie Glas auf den Boden fielen. Die Gefangenen stürmten aus der Zelle und die Kreatur ging zur nächsten Zelle. Ich stand interessiert auf und lief zum Rand meiner Zelle. 'Ob ich auch befreit werden würde...' Ich sah zu Loki. Er saß ganz in Ruhe da, als wenn er nichts mitbekommen würde. Mittlerweile waren Soldaten gekommen. Sie versuchten die Gefangenen zurückzudrängen. Die riesige Kreatur ging an meiner Zelle vorbei. Sah mich kurz an, aber machte nicht die geringsten Anstalten mich zu befreien. Bei Loki jedoch blieb sie stehen. Loki stand erhobenen Hauptes in seiner Zelle und sah die Kreatur auffordernd an. Doch diese wendete sich einfach ab und ging zur Treppe, die nach oben führte. "Ich würde die Treppe nach links nehmen!" rief Loki ihr hinterher. Die Kreatur drehte sich nochmal zu ihm um und ging dann weg. Ich war erstaunt, dass es ihn nicht interessierte, was da draußen passierte. Alle anderen Gefangenen schrien rum und schlugen gegen die Schutzschilde ihrer Zellen, wenn sie noch nicht befreit waren oder kämpften gegen die Soldaten. Das Buch welches Loki in Händen hielt kam mir irgendwie bekannt vor. "In welchem Kapitel bist du?" fragte ich ihn. Loki sah auf. Er stand auf und kam hämisch grinsend auf mich zu: "Oh, du bist auch immer noch hier." "Ja, so wie viele andere Gefangenen such und so wie du!" Loki drehte sich zum Gang: "Nein. Ich denke du und ich, wir sind die letzten Gefangenen hier. Alle anderen Gefangenen sind frei und kämpfen gegen die Wachen von Odin," er drehte sich wieder zu mir, "aber warum bist ausgerechnet du immer noch hier, Sterbliche? Du bist hier gestern einfach so aufgetaucht..." Loki sah mich grimmig aber auch gleichzeitig interessiert an. "Ich weiß noch nicht mal wo ich bin!", rief ich empört. "Du bist in den Kerkern von Asgard. Wenn du hier bist, musst du wissen, warum du hier bist!" Asgard... Das hatte ich schon mal gehört. Ich glaubte meine Mutter hatte mir schon mal etwas darüber erzählt. "Sie haben gefragt, in welchem Kapitel ich bin. Das Buch liegt jetzt auf dem Tisch in deiner Zelle." Damit war das Gespräch für ihn beendet und er kehrte zu seiner Liege zurück.

In meiner Zelle stand nun wirklich ein Tisch. Es war derselbe Tisch wie in Lokis Zelle. Auf dem Tisch lag das Buch. Ich nahm es in die Hand. Auf der Seite, die aufgeschlagen war, stand: 'Bifröst'. Ich blätterte zum Anfang des Buches. Auf dem Buchdeckel stand in ordentlicher, goldener Schrift: 'Die neun Welten' und darunter stand: 'Teil eins: Asgard'. Langsam blätterte ich durch die Seiten. Im Kapitel über die Bewohner von Asgard blieb ich hängen. Ich kannte dieses Buch wirklich! Als ich die Bilder von Thor, Odin und Frigga sah, fiel es mir wieder ein, wie meine Mutter mir, als ich noch ein kleines Kind gewesen war, immer daraus vorgelesen hatte. Ich sah vom Buch auf und beobachtete Loki. 'Warum las er ein Kinderbuch?' Ich blätterte wieder eine Seite weiter. Mir stockte der Atem. Die Überschrift lautete: 'Loki Laufeyson, Gott des Unheils'. Daneben war ein Bild. Ich sah von dem Bild zu Loki und wieder zurück. Die Person auf dem Bild und die Person, die in meiner benachbarten Zelle lag, waren ein und dieselbe Person. 'Warum war mir das nicht schon früher aufgefallen? Immerhin hatte er gesagt, dass er Loki heiße. Aber wie konnte das sein?! Das war doch nur eine Geschichte. Ein Mythos!' Etwas verwirrt, aber auch aufgeregt mehr zu erfahren, fing ich an zu lesen.

"Loki Laufeyson ist ein Prinz, der Gott des Unheils und Usurpator des asgardischen Throns. Loki wurde als Prinz von Asgard behandelt und er war immer eifersüchtig auf seinen Stiefbruder Thor. Da er an den Asgardischen Kampfkünsten nicht interessiert war, interessierte er sich für Zauberei. Frigga, die Loki viel näher war als Odin, brachte Loki alles bei, was sie über Zauberei wusste, und er wurde schließlich ein Experte in asgardischer Magie. Lokis Eifersucht auf Thor und der Eifer, Odins Anerkennung zu gewinnen, veränderten Lokis Persönlichkeit zum Schlechteren. Wo er einst distanziert und unbekümmert war, wurde Loki langsam ehrgeizig und unternahm große Anstrengungen, um Größe zu erreichen, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen. "

Rechts neben dem Text war eine kleine Notiz: " Ich lebte immer im Schatten seiner Größe. Ich erinnere, wie er mich in einen Abgrund geworfen hat! Ich war ein König und sollte es auch sein!" Darunter stand noch ein Satz. Er sah neuer aus und auch die Handschrift hatte sich etwas verändert, aber es war eindeutig von derselben Person: "ICH HASSE THOR!" Thor... Über ihn hatte ich früher gerne Geschichten gelesen. Ich hatte seine Abenteuer geliebt. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass auch nur irgendwas davon real sein könnte.

Die Kämpfe auf dem Gang wüteten immer noch. Es war viel zu laut und ich konnte mich nicht wirklich aufs Lesen konzentrieren. Etwas wütend stand ich vom Boden auf, legte das Buch zur Seite, schlug mit der Faust gegen den Schutzschild und schrie: "Könnt ihr nicht ruhig sein?! Euer Lärm ist nervig!" Ein paar hielten mitten im Kampf inne. Sahen zu mir. Doch kämpften dann einfach weiter. "ICH SAGTE SEIT LEISE!" Ich schlug mit beiden Händen gegen den Schutzschild. Loki war von seiner Liege aufgestanden und sah mich grinsend an. "Was?!" fragte ich genervt. "Das klang sehr vertraut," berichtete er immer noch grinsend. Ich verstand nicht: "Ich sagte nur, dass sie ruhig sein sollten ..." "Ich werde dir zeigen, was ich meine. Es ist etwas, was ich vor Jahren gemacht habe," entgegnete Loki. Währenddessen gingen die Kämpfe unbeirrt weiter. Ein grünliches Flimmern glitt über Lokis Körper. Plötzlich sah er anders aus. Er hatte einen goldenen Helm mit zwei nach hinten gebogenen Hörnern auf und hielt einen Stab in der Hand, der an der Spitze blau leuchtete. "Knie nieder," sagte er bestimmt. "Nein. Das mache ich nicht. Was denkst du wer du bist?" entgegnete ich verärgert und drehte mich wieder zu den Kämpfenden vor meiner Zelle. "ICH SAGTE KNIE NIEDER!" schrie Loki und stieß mit dem Stab auf den Boden, sodass eine Druckwelle ausgelöst wurde und alles in seiner Zelle durch die Gegend flog. Ich drehte mich langsam wieder zu ihm um, während ich ihn mit großen Augen ansah: "Ist das dein Ernst? Denkst du ich würde vor DIR knien? Nur weil du denkst, dass du etwas Besonderes bist?" "Natürlich bin ich etwas besser als du. Ich bin ein Gott!" entgegnete er trotzig. "Du hast erkannt, dass wir beide hier drin gefangen sind, nicht wahr? Zumindest in dieser Situation, gibt es keinen Unterschied zwischen dir und mir. Was ist der Vorteil daran, Gott zu sein, wenn du hier wie ein normaler Mensch gefangen bist?" Ich sah ihn herausfordernd an. Doch aus irgendeinem Grund antwortete Loki nicht. Er ging nicht auf meine Sticheleien ein. Stattdessen änderte er seine Gestalt wieder zu der vorherigen und sah mich anerkennend, aber auch abwertend an. Normalerweise bin ich den Blicken anderer Menschen immer ausgewichen, aber dieses Mal sah ich Loki einfach nur stur in die Augen. Sollte er doch als erstes wegsehen. Er hielt sich für was Besseres, also wollte ich ihm zeigen, dass ich, obwohl ich in seinen Augen eine mindere Kreatur war, ihm nicht seinen Willen geben wollte. Ihm nicht!

Plötzlich räusperte sich jemand und Loki und ich sahengleichzeitig in die Richtung. Als ich mich anders hinstellen wollte, verlor ichdas Gleichgewicht, stürzte mit dem Kopf gegen die Tischecke und alles wurde mirschwarz vor Augen.

Evelyn - Eine Sterbliche in AsgardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt