Kapitel 4 {Team Manhattan}

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"Passt doch", meinte Gianna und ihr Gesicht wurde von einem Lächeln erfüllt. Ich kannte sie kaum fünf Minuten und doch war mir klar, dass sie zu diesen Menschen gehörte, die einem vom ersten Moment an sympathisch sind. Ihre Klamotten hatten mir tatsächlich gepasst, obwohl es mir so vorkam, als wäre sie etwas kleiner als ich. Aber bei einem einfachen Shirt und einer Jeans machte das vermutlich keinen Unterschied. Die Kleidung roch frisch nach Waschmittel. Der Geruch kam mir sehr vertraut vor und erinnerte mich daran, wie ich als kleines Kind in unserem Haus in Auburn in einem der Waschkörbe gesessen und meiner Mutter dabei zu gesehen hatte, wie sie die Waschmaschine belud oder die nasse Wäsche auf einer der quer durch den Raum gespannten Wäscheleinen aufgehängt hatte. Manchmal hatte ich dort für Stunden gesessen und durch das Fenster der Waschmaschine beobachtet, wie die Wäsche immer wieder umhergeschleudert wurde. Ich war schon immer eine eher nachdenkliche Person gewesen. Manchmal war ich gerne nur für mich, an einem ruhigen Ort und grübelte nach. Und genau da wäre ich jetzt gerne gewesen - an einem ruhigen Ort um darüber nachzudenken, was alles in so kurzer Zeit geschehen war, obwohl ich noch auf keine meiner vielen Fragen eine Antwort hatte. Eher fühlte ich mich, als wäre mein Kopf ein Bienenstock und tausende Bienen summten ständig darin herum.
"Hey, bist du anwesend?", lachte Gianna und wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. Und das war ein Nachteil am Nachdenken: Man schaltete alles um sich herum ab und bekam nicht mehr mit, was vor sich ging.

"Sorry", murmelte ich.
Gianna hatte sich neben mir auf der Sitzecke niedergelassen und starrte mich an, dabei spielte sie nervös mit ihren Händen. Scheinbar kam es nicht all zu oft vor, dass jemand Fremdes hierher geschleppt wurde. "Alsoo..." Ihr Blick huschte immer wieder zwischen mir und den Dosen auf dem kleinen, hölzernen Tisch hin und her. "Ähm .. soll ich dir einfach so etwas erzählen oder willst du lieber etwas fragen?" "Ich stelle Fragen und du ergänzt", bestimmte ich. Sie nickte und schien etwas erleichtert zu sein. Nur welche Frage sollte ich als erstes stellen? Woher kannten sie mich? Wieso war ich hier? Wo war hier überhaupt?
"Was ist das?", platzte es aus mir heraus und ich deutete auf den Stadtplan mit den sich bewegenden Punkten. "Ich dachte mir schon, dass dich das besonder interessiert." Sie stockte kurz. "Wir nennen es die Seq, das ist nur eine Abkürzung, aber jeder sagt es hier so. Du hast vermutlich schon die verschiedenen Punkte gesehen. Es ist so .. naja .. ähm-"
"Jede Farbe steht für ein Team und jeder Punkt für ein Mitglied" Damien war wie ein dunkler Schatten hinter Gianna erschienen. Sie zuckte kurz zusammen und drehte sich nach ihm um. "Teams?", fragte ich. Jetzt machte es Sinn. Er hatte mich in Team Red willkommen geheißen, als wir hier angekommen waren. Aber wofür standen die Teams und wer waren die anderen?
"Du bist nicht wirklich so dumm wie du gerade tust oder?", er verdrehte die Augen. "Damien!", zischte Gianna und schlug ihm gegen den Oberschenkel. "Ist ja gut, sie ist gerade erst angekommen und hoffentlich nicht in Wirklichkeit dumm, sonst können wir sie kaum gebrauchen" Wieso war er jetzt so gehässig? "Teste doch meine Intelligenz in dem du erklärst was es mit den Teams auf sich hat. Wenn ich dumm bin, werde ich es wahrscheinlich nicht verstehen", sagte ich daraufhin. Er seufzte. "Ich hoffe, ich verschwende nicht meine Zeit. Wie viele Farben, abgesehen von schwarz, siehst du?", sagte er und deutete mit dem Arm auf die Seq. Wollte er mich jetzt wirklich für dumm verkaufen?! "Fünf."
"Immerhin bist du nicht farbenblind." Diesmal verdrehte ich die Augen. "Wie viele Stadtteile hat New York?", fragte er weiter. "Fünf", erwiderte ich. "Macht es Klick?" Er schnippte mit dem Finger. Ja hat es, du Idiot. "Also für jeden Stadtteil ein Team?"

"So sieht's aus", meinte Damien und setzte sich gegenüber von mir und Gianna. Ich schaute wieder zur Seq. Jetzt fragte ich mich, wieso mir noch nicht vorher aufgefallen war, dass sich in bestimmten Bereichen die Punkte häuften. In den Bronx waren es hauptsächlich gelbe Punkte. In Queens Violette, in Brooklyn Grüne und Staten Island hatte Blaue. Die roten Punkte waren alle in Manhattan. "Team Red ist also für Manhattan zuständig?", hinterfragte ich.
"Kannst du Karten lesen?", Damien lachte blöd. "Also ja.", stellte ich fest. Er nahm sich mit ausdruckslosem Blick eine der Dosen vom Tisch und öffnete sie mit einem leisen Zischen. "Ja, du hast Recht, wir sind Team Red oder auch Team Manhattan, wie man es nimmt", bestätigte Gianna meine Aussage.
"Ist das hier so ein beschissener Gang-Streit?!", hörte ich mich sagen. Jetzt fing Damien laut an zu lachen und seine Augen funkelten wild. Gianna schaute eher bestürzt. "Unter anderem", prustete er und zuckte mit den Schultern. "Nein ist es nicht!", fuhr Gianna jetzt dazwischen. "Wir alle haben den gleichen Gegner: das schwarze Team", fuhr sie fort. "... und ein paar kleine Auseinandersetzungen mit den Schwachköpfen aus Gelb", beendete Damien, immer noch lachend ihren Satz. "Das ist jetzt unwichtig", entgegnete sie und starrte ihn wütend an. Er hob entschuldigend die Hände. "Den Rest kannst du ihr auch alleine erklären" Damit stand er auf und lief zu den anderen, die versuchten unsere Unterhaltung unauffällig zu verfolgen, was ihnen eher weniger gelang.
"Also, jeder Stadtteil hat ein Team und alle sind gegen das schwarze Team?", fasste ich zusammen. "Richtig", nickte sie. "Wer sind die aus Team Black?", murmelte ich, halb in Gedanken. "Wer sie sind ist schwer zu sagen, wenn man sie noch nie selbst erlebt hat. Was du aber erstmal wissen musst ist, dass es ihr Ziel ist New York einzunehmen und unser Ziel ist es sie draußen zu halten." "Aber sie sind doch bereits drin?", ich zeigte auf die sich konstant bewegenden, schwarzen Punkte auf der Seq. "So sind sie aber noch nicht gefährlich", erklärte sie. "Und wann sind sie das? Wieso benötigt außerdem jedes Stadtviertel ein eigenes Team, wäre es nicht sinnvoller alle zu vereinen, wenn es doch nur einen Gegner gibt? Und weshalb ist die Polizei nicht verwickelt? Was seid ihr für eine Verschwörung?" Ich merkte, wie ich leicht hysterisch wurde. Die Fragen kamen aus meinem Mund heraus, sobald sie in meinem Kopf geformt waren. Gianna schien mit der Situation überfordert zu sein.
"So wird sie es nie verstehen", höhnte Damien aus der anderen Ecke des Raumes. Frustriert sprang Gianna auf. "Mach's doch besser!", rief sie. Das Mädchen mit den schwarzen Haaren schaute mit großen Augen zwischen ihr und Damien hin und her. Dieser war auch aufgestanden und lief jetzt mit selbstsicherem Blick auf mich zu. "Das mache ich auch", meinte er und zog mich im nächsten Moment am Arm von der Sitzecke hoch.

"Wollt ihr mich eigentlich komplett verarschen?", ich hörte, wie ich ein seltsames Lachen von mir gab. Erst wurde ich entführt, dann landete ich bei einer Verschwörung, die sich gegenseitig trackte und jetzt konnten sie sich noch nicht mal entscheiden, wer mir was erklärte? Hatte mir in der San Fran Bar vielleicht jemand einfach etwas untergejubelt und ich halluzinierte jetzt irgendeinen Schwachsinn vor mich hin? Das wäre zumindest eine logischere Erklärung, als alles, was ich bisher gehört hatte.
"Ihr verwirrt sie", meinte Everett kopfschüttelnd. "Damien, mach du es", beschloss er. Auf mich machte Everett den Anschein, als hätte er das Sagen obwohl er nicht älter als die Anderen zu sein schien. Damien neben mir atmete hörbar genervt aus. "Dann los, Amber."

"Nein, ich gehe nicht schon wieder irgendwohin" Ich wich einen Schritt von ihm zurück, damit er mich nicht wieder packen und einfach mitschleifen konnte. Damit handelte ich mir einen durchbohrenden Blick seinerseits ein. "Es geht nur eine Etage nach oben", meinte er ernst. Zu ernst. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, die Situation war einfach nur noch seltsam. "Geh mit" Gianna nickte mir mit ihrem aufmunternden Lächeln zu. Also folgte ich Damien aus dem Raum. Als ich ihn betreten hatte, hatte ich doch tatsächlich gehofft, dass ich schlauer herauskommen würde. Jetzt war ich eher noch verwirrter. Die großen Türen fielen schwingend hinter uns zu und Damien steuerte auf eine der Holztüren im langen Gang zu. Ich entschied mich, ihm zu folgen. Kurz darauf öffnete er sie einfach, so wie man eine Wohnzimmer-Tür öffnete, stink normal. Irgendwie hatte ich erwartet, dass er einen Schlüssel aus seiner Hosentasche ziehen, oder die Tür, wie die Eingangstür, einfach mit seinem Handabdruck öffnen würde. Aber vielleicht drehte ich langsam auch einfach durch.
Hinter der dunklen Holztür befand sich ein altes und etwas heruntergekommenes Treppenhaus. Beim Anblick der eisernen Wendeltreppe, die nicht einmal ein Geländer hatte, wurde mir etwas schummrig. "Da geht es hoch", meinte Damien schlicht, doch er setzte sich nicht in Bewegung. Scheinbar erwartete er, dass ich vorgehen würde. Wobei ich überhaupt wenig Lust dazu hatte, diese Treppe zu betreten. "Du hast doch nicht etwa Angst?", meinte er grinsend. Ich schüttelte den Kopf und stieg wortlos die Treppe hinauf. Niemals würde ich jetzt zugeben, dass ich Schiss hatte, die Treppe könnte unsicher sein. Kurz darauf hörte ich, wie seine leisen Schritte mir folgten. Wieso musste eigentlich ausgerechnet er mir das alles erklären? Wieso nicht Everett, sogar dieser Colin wäre mir gerade lieber gewesen. Bei der letzten Stufe angekommen wurde ich von einer Tür gestoppt, die der Eingangstür stark ähnelte. "Jetzt muss ich durch", raunte Damien hinter mir und schob sich an mir vorbei. Er öffnete sie tatsächlich wieder mit seinem Handabdruck. Und dann sah ich, dass das zwar die 2. Etage war, aber diese hatte wohl kein Dach mehr. Es war eine durch das altern des Hauses entstandene Dachterrasse. Der Himmel hatte eine orange und rosane Färbung und die Sonne war noch nicht ganz zu erkennen. Es war also Morgen. Immerhin hatte ich nun eine Antwort auf wenigstens eine Frage. Außerdem schienen wir in einem unbekannteren Teil von Manhattan zu sein, hier war es relativ ruhig und altmodisch, vielleicht war das eine Grenze des Viertels. "Und jetzt?!" Ich schaute Damien fragend an. "Jetzt sind wir am Checkpoint 1."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 03, 2017 ⏰

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