~Kapitel 3, in dem ich den besten Tee meines Lebens trinke~

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„Ich heiße Claire. Claire de Lune. Ich bin alleine unterwegs und bin hier in der Hoffnung, ich könnte mich vielleicht ein wenig aufwärmen.", erklärte ich ihr, wobei es eher eine Frage war. Sie musterte mich kurz misstrauisch und ich lächelte sie bittend an. Glücklicherweise dachte sie sich wohl ich sei nicht gefährlich und bat mich, ihr ins Haus zu folgen.
Das Haus war etwas altmodischer eingerichtet durch schwarz-weiß Bilder an den mit Blumentapeten verzierten Wänden. Gleich links von der Tür in einer Nische stand eine alte Kommode mit einer Vase voll Blumen. Ich richtete meinen Blick geradeaus auf den kurzen Gang, der anscheinend ins Wohnzimmer führte.
„Ich heiße übrigens Lola. Kann ich dir deine Jacke abnehmen?", fragte sie auf meine Jacke deutend.
„Ja danke, Lola."
Nachdem sie mir bedeutete, ihr ins Wohnzimmer zu folgen, zog ich meine Schuhe aus und wir gingen den kurzen Gang entlang in ein süßes, gemütliches Zimmer, wo eine ältere Dame auf einem Sessel saß und strickte. Neben dem Sessel stand eine kleine Couch mit Tisch, die alle in Richtung eines alten Fernsehers gerichtet waren. Es würde mich wundern, wenn man hier draußen irgendeinen Sender reinbekam. Links von der Tür, in der ich gerade stand, befand sich eine weitere Tür, die höchstwahrscheinlich zur Küche führte. Mein Blick blieb an einem Bild hängen, das eine junge Frau, durchnässt vom Regen, zeigt. Sie kommt mir unheimlich bekannt vor, aber ich wüsste nicht, wo ich sie vorher schon mal gesehen hätte.
Meine Gedanken wurden von Lolas hoher Stimme unterbrochen:„Oma, das ist Claire. Sie muss sich ein bisschen aufwärmen. Du weißt ja, es ist fürchterlich kalt draußen." Erst jetzt hebt die alte Dame ihren Kopf und schaut lächelnd in meine Richtung. Ich lächele freundlich zurück:„Hallo, freut mich Sie kennenzulernen." Daraufhin senkt sie ihren Blick wieder und konzentriert sich weiter auf ihre Strickerei.
„Sie ist ein wenig dement, du kannst dich aber trotzdem gerne mit ihr unterhalten. Setz dich doch. Ich mach dir einen Tee, ja?", meinte Lola schon auf dem halben Weg in die Küche. Ich nickte ihr nur noch dankend zu, da sie schon fast aus Raum verschwunden war.
Zögerlich setzte ich mich auf die Couch und betrachtete ein wenig verloren den Raum.
„Was stricken Sie denn da?", fragte ich schließlich.
Die alte Dame sah mich langsam lächelnd an:„Socken für Lola"
„Die werden ihr bestimmt gefallen!", antwortete ich enthusiastisch, dann fuhr ich fort „Vielen Dank, dass ich mich bei Ihnen aufwärmen darf."
Wieder lächelte sie mir als Antwort nur kurz zu.
Daraufhin kam Lola auch schon wieder und drückte mir eine Tasse Tee in die Hand und setzte sich neben mich auf die Couch. Ich bedankte mich und nahm einen großen Schluck. Kurz schloss ich meine Augen genießerisch. Das ist der beste Tee, den ich jemals getrunken habe. Naja, es kam mir wahrscheinlich nur so vor, weil ich seit Wochen nichts warmes getrunken hatte.
„Also was bringt dich dazu, alleine im Wald herumzulaufen, und das mit nur einem Rucksack?", fragte Lola auf meinen Rucksack deutend.
„Ich reise durchs Land. Und es reist sich bekanntlich besser mit leichtem Gepäck.", gab ich lachend zurück.
„Das stimmt!", lachte sie ebenfalls, „und dann läufst du lieber durch den Wald anstatt Zug zu fahren oder so?"
Ich nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse. 'Ja, ich laufe gerne als Wolf durch die Wälder und ernähre mich von Hasen.' Das konnte ich ihr offensichtlich schlecht sagen also meinte ich nur, ich möge Wälder, woraufhin sie mich kurz beäugte, als wäre ich verrückt, aber es dann trotzdem so akzeptierte. Ich mag sie jetzt schon.
„Sind deine Oma und du alleine hier? Ich hab vorhin sonst niemanden gesehen.", fragte ich neugierig.
„Sie ist nicht wirklich meine Oma, ich nenn sie nur so, weil sie mein ganzes Leben lang schon an meiner Seite war.", sie streichelte kurz über den Arm ihrer 'Oma', „Der Rest des Dorfes ist unterwegs, aber die sollten jeden Moment wieder kommen." Noch während Lola mir antwortete, ertönte eine laute, tiefe Männerstimme, die mir komischerweise eine Gänsehaut bereitete.
„Lola?" Die Stimme zog das 'a' in ihrem Namen lang.
„Das ist mein Bruder!", erklärt sie mir fröhlich und rannte schon zur Haustür, so schnell konnte ich gar nicht schauen.
Zögernd stellte ich die Tasse auf den Tisch, lächelte der Dame noch einmal zu und machte mich auf den Weg, Lola zu folgen.
Was ich sah, ließ mich die Luft anhalten.

Lonely WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt