Prolog

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 Wie von einer anderen Hand geleitet, fuhr ich die Straße entlang. Sie war ziemlich mies geteert und jeglicher Matsch von umliegenden Feldern und Rasenflächen lag herum. Die Straße war gerade breit genug, dass ich mit meinem silbernen Jeep darüber fahren konnte.

Moment. MEIN silberner Jeep? Ich konnte mich nicht daran erinnern, ob er eigentlich mir gehörte. Er hätte von sonst wem sein können. Allgemein war es ein äußerst komischer Tag gewesen. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Das Letzte, was mir einfiel, war, dass ich, wie jeden Morgen, äußerst freundlich von meinem Vorgesetzten begrüßt worden war, der jedoch schmiss schon seit einiger Zeit ein Auge auf mich. Danach passierte noch etwas komisches in der Mittagspause. Ich lief kurzerhand wie jeden Mittag zum Chinesen um die Ecke und kaufte mir Nudeln, wie jeden Tag. Ich liebte sie überalles. Doch noch nie war mir dermaßen schlecht davon gewesen wie heute. Ich verbrachte die nächste halbe Stunde kotzend in der Toilette. Danach fühlte ich mich wie neugeboren. Als wäre nichts gewesen. Bis zum Schichtende verlief nach diesem kleinem Zwischenfall alles normal.

Aber dann. Ich lief den Flur entlang, zog mir meine Jacke an, hängte mir die Umhängetasche um und fuhr mit dem Aufzug in den Keller des Gebäudes. Verpeilt, wie ich nun mal bin, stieg ich aus, machte meine Tasche auf und fing erstmal an, den Schlüssel für meinen Golf zu suchen. Ich fand einen Labello, mein iPhone ... seit wann besaß ich ein iPhone? ... meine lilane Geldbörse. Aber keinen Schlüssel.
Ziemlich verwirrt begutachtete ich die Tasche. War es überhaupt meine? Merkwürdig. Sie sah wie meine aus, ihr Inhalt teilweise auch, aber seit wann besaß ich das iPhone, beziehungsweise, seit wann hatte ICH Geld für so was?
Meine Gedanken überschlugen sich, jedoch versuchte ich sie erstmal zu verdrängen. Es gab wichtigeres und die wichtigsten Dinge hatte ich ja zumindest noch bei mir.

Es war eindeutig meine Tasche, wie ich feststellte, denn sie hatte unten einen Riss, den sich die arme Tasche irgendwann mal zugezogen hatte, als ich mal wieder zu blöd war, geradeaus zu gehen und mit ihr an einer Tür hängen geblieben war, ohne es zu merken.

Ich suchte weiter nachdem Schlüssel. Und ich fand ihn. Nur war es auch nicht meiner. Es war ein Schlüsselbund, mit mehreren Schlüsseln dran, von denen nicht ein einziger mir gehörte. Langsam machte ich mir Sorgen um meine seelische Gesundheit. Wurde ich wohlmöglich verrückt?

Zusätzlich zu den ganzen verschiedenen Schlüsseln, hang auch noch ein Schlüsselanhänger in Herzchenform mit den Worten »Ich liebe dich« am Schlüsselbund.

Momentan waren jedoch die einzigen Leute, die »Ich hab dich lieb« zu mir sagten, meine Mum und meine beste Freundin Hannah. Es wurde immer mysteriöser.
Ich nahm den größten Schlüssel, voraussichtlich der Autoschlüssel ... oder vielleicht auch der Garagenschlüssel? ... und drückte auf den kleinen Knopf, auf dem »On« stand.
Ein Lämpchen auf dem Schlüssel blinkte rot auf und irgendwo links neben mir machte ein Auto »plöb«. Ich zuckte zusammen und blickte augenblicklich zu dem Auto, dass durch mein Klicken auf den kleinen Knopf aufgegangen war. Es war der silberne Jeep.
Ohne nachzudenken, aber mit gerunzelter Stirn ging ich langsam, leicht schwankend auf den Jeep zu. Vielleicht war es ja auch nur eine Falle? Vielleicht wollte mich jemand entführen und vergewaltigen und dann umbringen? Ich schluckte den Gedanken herunter und schüttelte über mich selbst den Kopf.

Vorsichtig und langsam ging ich einmal um den ganzen Jeep herum. Leise seufzte ich. An der Fahrerseite blieb ich stehen und blickte ins Auto. Am Rückspiegel hang eines dieser Duftbäumchen, mit Apfelgeruch, die ich so liebte. Aber eigentlich besaß ich so was gar nicht. Zaghaft legte ich meine Hand auf den Türknopf und drückte ihn kurz runter, um mich zu vergewissern, dass der Jeep wirklich offen war und dass auch noch meinetwegen.

Langsam öffnete ich die Tür, stieg ein, schlug die Tür vorsichtig zu, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und ... oh wunder ... er passte. Als ich gerade meine Tasche auszog und sie auf den Beifahrersitz legen wollte, sah ich einen Zettel, mitten auf dem Beifahrersitz liegen.
Ich nahm den Zettel in die Hand und las die Überschrift »Einkaufsliste«. Es war eindeutig meine Schrift, denn kein Mensch konnte so außerordentlich kringelig schreiben wie ich, aber wie kam meine Einkaufsliste in diesen Jeep?

Back to the pastWhere stories live. Discover now