10 · shame on shane

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ES war an einem Freitag, als ich in der Mensa saß und gedankenverloren an meiner Unterlippe rumkaute

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ES war an einem Freitag, als ich in der Mensa saß und gedankenverloren an meiner Unterlippe rumkaute.

Ich ließ die ganze letzte Woche Revue passieren. Während ich die Weintrauben auf meinem Tablett anstarrte, blendete ich alles andere um mich herum aus.

»Daya.«

Naja ­­- so gut es ging.

»Stupsnase.«

Heilige Scheiße ­- lass mich doch einen Moment in Frieden, Vincent.

Ich stöhnte genervt auf, als ich zaghaft meine Augen öffnete und zu meiner Rechten schaute. Dann kniff ich meine Augen wieder zu.

Vincent saß so eng neben mir, dass sein Pulloverärmel meinen nackten Arm streifte. Widerwillig riss ich mit einer Gänsehaut meine Augen wieder auf und rutschte ein wenig weg.

Ich brauchte einen Sicherheitsabstand. Einen riesigen Sicherheitsabstand.

»Ich hatte schon Angst, dass du dir noch ein Loch in die Lippe kaust.«, meldete sich Vincent schon und grinste mich schief an.

Als Antwort hob ich meine Augenbrauen warf ich ihm einen genervten Blick zu.

»Isst du deine Trauben noch?«, rief Glenda zu mir rüber und griff schon, ohne auf meine Antwort zu warten, nach meinem Tablett.

»Nimm dir welche.«, murrte ich und schob mein Tablett ein wenig in ihre Richtung.

Eigentlich wollte ich auch noch einige Trauben abbekommen.

»Krieg' ich auch welche?«, drang eine penetrante Barbiestimme an mein Ohr.

Eigentlich.

Shane's Vierundzwanzig-Stunden-Freundin strich sich die schwarze Haarmähne aus dem Gesicht und schaute mich abwartend an. Dabei rutschte sie auf seinem Schoß vor und zurück.

Auch Shane richtete den Blick auf mich und starrte mich mit einem »Na-wird's-bald?«-Blick an.

Verdammte Scheiße - wie kam es dazu, dass ich mit diesen Idioten an einem Tisch saß?

»Du kannst gleich alle haben. Mir ist der Appetit vergangen.«, quetschte ich heraus und kniff meine Lippen zu einem geraden Strich zusammen.

Alles was ich wollte war nur meine Weintrauben in Ruhe zu essen. Und was bekam dafür? Ein leeres Tablett und nervige Leute, die mich eben . . . nervten.

Seit letzter Zeit verstand ich mich ziemlich gut mit Vince - Shane blieb ein Arschloch, aber ich wollte ihm nicht mehr die Augen auskratzen - so schlimm war es wirklich nicht mehr. Kaum zu glauben, nicht wahr?

Wie aus dem nichts, begann Vincent sich beim Mittagessen immer zu Glen und mir zu setzen - und wo auch Vince immer war, war auch Shane.

Und wo auch Shane immer war, war auch eine Barbie.

Es schien mir so, dass Vincent weniger vergesslich wirkte. Tagtäglich schrieb er in der Mensa in das Buch, dass ich ihm gegeben hatte, rein. Konzentriert kniff er seine Augen zusammen und schrieb flüchtig Notizen rein. Mit hastigen Bewegungen strich er ab und zu Worte weg und kritzelte gelegentlich Figuren rein - genau wie jetzt.

Er hatte sein Kinn in die eine Hand gestützt und wandte mir sein ausgeprägtes Profil zu, fast so, als posierte er. Seine kräftige, gerade Nase prägte sein Profil und die hellen Augen schauten konzentriert auf die weißen Seiten.

Eine Stimme hinter ihm ließ uns beide aufschrecken. »Hey, Bro. Was schreibst du da?«, fragte, mir ein bekanntes Gesicht aus dem Basketballteam, Vincent.

Schnell klappte er das Buch zu und drehte sich mit einem breiten Grinsen zu dem Jungen, mit der dunkleren Haut, um. »Hausaufgaben.«, antwortete er und krauste seine Nase.

Jedes Mal, wenn Shane und ich versuchten, ihn dazu zu bringen, zum Arzt zu gehen, hob er seine Hand und brachte uns mit einem langsamen Kopfschütteln zum Stillschweigen. Er wollte nichts darüber hören, kein Sterbenswörtchen.

»Wer ist denn dieses hübsche Mädchen hier?«, meldete sich der Junge wieder und richtete den Blick auf Glenda.

Diese hörte auf zu kauen und schluckte. Ihre Wangen wurden rot, die Augen wurden größer.

Ein Lächeln umfing meine Mundwinkel. Glenda schaute mich an und lächelte zurück. Ihr schüchternes Lächeln zog sanfte Falten um ihre honigbraunen Augen.

»Das hier ist .. sie heißt ..«, setzte Vincent an und runzelte mit der Stirn. Dann schloss er seine Augen. Innerlich fieberte ich mit ihm mit und nickte ihn mit aufgerissenen Augen ermutigend an.

»Glenda.«, kam es nahezu gleichzeitig von Vince und Shane. Dabei schob Shane genervt sein Püppchen vom Schoß und musterte meine beste Freundin ausdruckslos.

»Ich bin Tyrell.«, stellte er sich mit einem überheblichen Grinsen vor und drückte Glen's Hand. »Sehen wir uns auf Shane's Party heute?« Tyrell schaute ihn fragend an.

»Ich hab' die beiden nicht eingeladen.«, antwortete Shane nur nüchtern und strich mehrere Male über seine Hose, als hätte das Mädchen Dreck verursacht.

»Ich darf doch eine Begleitung mitnehmen?«, räusperte sich Vincent und warf mir einen Blick zu. »Daya kommt mit mir und Glenda geht mit Tyrell. Problem gelöst.«

»Und was ist mit mir? Wann wolltest du mir eigentlich Bescheid geben, huh?«, schrie - nein, kreischte beinahe - Shane's Mädchen.

Dieser legte ein Zeigefinger an sein Kinn. »Lass mich mal nachdenken. Oh, ich hab's.«, brummte er und drehte sich zu ihr. »Gar nicht.«

»Ich hab' grad beschlossen mit dir Schluss zu machen. Auf Wiedersehen, Catherine.«, winkte er ab und rollte mit den Augen.

»Ja, du sagst es, Vince. Problem gelöst.«, rief er ihm belustigt zu.

»Du Flachwichser! Schämst du dich denn nicht?«, kreischte Catherine hysterisch, während sie gefährlich nah vor ihm stand.

»Jetzt fängt's schon wieder an.«, lachte er über ihren Gesichtsausdruck.

Oh, heilige Mutter Maria. Ich nehme alles zurück. Das war ja besser als ein 3D-Film. Ich liebte es bei diesen Idioten zu sitzen.

»Aber wie man sieht, findest du mich trotzdem ziemlich geil. Pass auf, dass es nicht jeder sieht, wenn du aufstehst.«, lächelte sie Shane zuckersüß an und wandte sich ab.

»Verdammte Psychotusse.«, murmelte er und blickte zu seiner Hose runter.

Nach einigen Sekunden Stille, lachten wir alle auch schon los, einschließlich Tyrell.

»Wenn ihr jetzt nicht aufhört, dann könnt ihr gerne vor meiner Haustür eine Party machen!«, brüllte Shane uns an.

»Du Flachwichser! Schämst du dich denn nicht?«, imitierte ich Catherine und streckte ihm die Zunge raus.

Er blitzte mich als Antwort mit seinen dunkelbraunen Augen an, während Vincent mich von der Seite anstarrte und grinsend mit dem Kopf schüttelte. Dann strich er einige verirrte Strähnen aus meinem Gesicht.

Oh Gott, das Kribbeln in meinem Bauch brachte mich fast um.

»Also machen wir heute Party, ja?«, fragte Glenda aufgeregt und hob tänzerisch die Arme in die Luft.

»Ja. Wir sehen uns später.«, antwortete Tyrell und zwinkerte sie kurz darauf an.

Schnaubend schüttelte Shane sein Kopf. Und ich könnte schwören, dass ich dennoch ein kleines, zaghaftes Lächeln sehen konnte.

»Ich freu' mich schon.«, flüsterte Vincent mir zu und öffnete wieder sein Buch.

Ich freute mich aus irgendeinem Grund auch schon auf heute Abend, doch erstmal musste ich mein Herz dazu bringen, wieder in einem normalen Takt zu schlagen.

sadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt