20 · choose me or loose me

2.4K 275 111
                                    

»Tut deine Hand denn sehr weh?«

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

»Tut deine Hand denn sehr weh?«

ALS ich seine Stimme hörte, presste ich meine Zähne zusammen und versuchte mich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Enttäuschung.

Enttäuschung breitete sich in meinem ganzen Körper aus und wandelte das Gefühl und die Traurigkeit, die zusätzlich in mir schlummerte in Wut und Zorn.

Noch immer stand ich wie angewurzelt gegenüber Vincent und spielte mit dem Gedanken die Haustür einfach vor seiner Nase zu zuknallen.

Es wäre auf jeden Fall viel zu einfach gewesen. Ich würde ihn weder sehen noch hören müssen. Und dennoch trat ich zur Seite und ließ Vince somit in das Haus rein.

»Hey, Daya. Sprich bitte mit mir. Ich weiß, dass es nicht gerade meine Glanzleistung war, aber – aber ich brauche die Versicherung, dass ich dich nicht gänzlich verloren habe.«

Er schaute mich nicht an, ich würdigte ihm keines Blickes und so standen wir noch immer uns gegenüber und versuchten zwanghaft nicht einander anzublicken, Doch wenn wir ehrlich waren, war der sehnlicher Wunsch in diesem Augenblick uns dennoch ansehen zu können.

»Bitte, sag' etwas. Irgendwas.«, flehte er mich nahezu an. Kurz blickte ich auf, um sein Gesichtsausdruck sehen zu können. Denn der flehende Ton ließ mir das Blut gefrieren. Ich spürte, wie eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper kroch.

Er hielt seinen Blick zu Boden gesenkt und sein Gesichtsausdruck wirkte traurig und müde. Am liebsten hätte ich sein Gesicht zwischen meinen Händen gehalten und ihn ermutigend angelächelt.

Ganz tief im Inneren wusste ich, dass er Freunde brauchte, die ihm beistanden. Ich wusste, dass er mich brauchte.

»Du hast zwei Minuten.«, antwortete ich knapp und formte meine Lippen zu einem geraden Strich. »Mein Rucksack kannst du auf die Treppen stellen, die Jacke einfach auf's Regal.«

Ich seufzte und blickte Vince direkt in die Augen, dabei kreuzte ich meine Arme vor der Brust. »Hab' ich genug gesagt, oder willst du mehr hören?«

Er schüttelte nur kurz mit dem Kopf und bewegte sich zu den Treppen. Bevor er anfing zu sprechen, räusperte er sich: »Es tut mir leid.« Dabei stellte er mein Rucksack ab. »Das mit deiner Hand und, dass ich ein Arschloch war und dann noch, dass du nur wegen mir in dieser Kälte nur –«

»Das mit meiner Hand spüre ich um ehrlich zu sein gar nicht mehr. Ein Arschloch warst du wirklich.« Ich zuckte kurz mit den Schultern. »Naja, bist du immer noch. Was das andere angeht: wenn ich krank werde, bist du tot.«

Er nickte und gab mir als Antwort nur ein schwaches Lächeln. »Also, ähm, ist alles cool zwischen uns?«

Ich legte meinen Kopf schief und dachte kurz darüber nach. »Wenn du mit „cool" kühl oder kalt meinst, dann ja. Keine Ahnung was da zwischen uns war.« Ich wirbelte mit den Armen von mir zu ihm. »Aber ja, jetzt ist da nichts mehr, verstanden?«

Er blinzelte nach den Worten einige Male, als würde er nicht verstehen können was ich hier sagte. Sein Brustkorb hob und senkte sich in heftigen, schnellen Atemzügen und seine Stimme bebte: »Ich habe dich verloren, nicht wahr? Das erste und einzige Mädchen, das mir etwas bedeutet. Und ich versaue es mir gleich mit ihr.«

Er schüttelte mit seinem Kopf und lachte bitter auf, dann fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. »Es hätte nicht lange gehalten. Es ist nur eine Frage der Zeit bis ich alles um mich vergesse und dein Buch mir auch nicht mehr weiterhelfen kann.«

Es brach mir das Herz zuzusehen wie sein Herz Stück für Stück brach und spürte wie eine Träne mein Auge verließ. Schnell wischte ich sie aus dem Gesicht und atmete tief durch. »Und gerade deswegen musst du zum Arzt, verstehst du das nicht? Geh' verdammt nochmal zum Arzt. Und bevor du nicht hingehst, kannst du das mit uns beiden vergessen, Vincent. Hast du mich gehört? Ich will nicht immer mit dieser Angst aufwachen, ich will nicht immer raten müssen, ob du dich an mich erinnerst oder nicht. Und am meisten will ich nicht mit dem Gedanken spielen, dass das vielleicht nur ein Symptom ist und dich noch etwas schlimmeres erwartet.«

Meine Brust hob und senkte sich wie wild, ich schluchzte und merkte, wie ich schon längst am Weinen war und die Tränen auf meine Socken fielen. Und doch war ich nicht die Einzige, die weinte.

Er tat es auch. Vincent starrte mich an, rührte sich kaum und sein Gesicht verriet nichts. Es zeigte keine Emotionen, dafür seine Augen umso mehr.

Vince sagte nichts, ich sagte nichts. Wir starrten uns nur an und ließen dafür unsere Augen sprechen. Irgendwann fuhr er mit den Händen über seine Wangen und schluckte. Es schien, als würde er sich unter Kontrolle bringen wollen. Dann gab es mir ein schiefes Grinsen, welches seine Augen nicht erreichte und nahezu mein Herz in Stücke zerriss.

»Ich wollte dich zu meinem letzten Basketballspiel einladen, danach höre ich auf. Wenn du Lust hast, kannst du ja kommen. Aber da du nichts mehr mir zutun haben willst ..« Er beendete seinen Satz nicht und musterte meine Augen.

»Ich denke drüber nach.«, sagte ich nicht wirklich überzeugend und nahm mir meine Jacke aus seinen Armen. »Danke.«, murmelte ich leise und räusperte mich.

Er nickte knapp und drehte sich schon zur Haustür. Innerlich kämpfte ich mit mir, ihn nicht aufzuhalten und meine Lippen auf seine zu legen. Ich wollte es, doch ich durfte es nicht. Ich musste mich beherrschen und ihm die kalte Schulter zeigen, damit sich endlich etwas änderte.

Als er draußen war, schlug ich die Tür schnell zu und lehnte mich an ihr. Ich schloss meine Augen und versuchte meinen Puls zu beruhigen.

»Das waren aber eine Menge Teenager-Gefühle.«

Die Stimme meines Vaters ließ mich aufhorchen. »Dad, hast du etwa zugehört?«

»Also ich denke, dass euch nicht mal Schwerhörige überhört hätten. Nur um eines klar zu stellen: ich habe dir nicht nachspioniert.« Er legte eine Hand auf meinen Kopf und wuschelte mir durch das Haar. »Willst du mir vielleicht etwas erzählen, bevor deine Mom nach Hause kommt?«

Ich zuckte mit den Achseln und drückte ihn. »Ich weiß nicht. Ich glaube, ich muss erstmal eher mit einer anderen Person darüber sprechen. Wir haben noch sehr viele Gespräche nachzuholen.«, erklärte ich meinem Vater und küsste ihn auf die Wange. Dann drehte ich mich schon zur Treppe und holte mein Handy aus meiner Jackentasche heraus.

»Also zu diesem Basketballspiel würde ich gerne wollen, nicht wegen deinem Freund, nur weil mich das Team deiner High School brennend interessiert.«, rief mir mein Vater noch hinterher.

Ich schüttelte grinsend mit dem Kopf. »Ist klar, Dad.«

Dann wählte ich auch schon die Nummer der Person, mit der ich in letzter Zeit zu wenig Kontakt hatte. Endlich hob sie ab.

»Hey Glen, ich weiß, dass wir in letzter Zeit nicht viel miteinander gesprochen haben, aber – hast du Zeit? Ich muss dir eine Menge erzählen.«

Sie war meine beste Freundin. Ich konnte ihr nicht länger die Sache mit Vincent verheimlichen und ich brauchte sie, um mich selbst verstehen zu können. Ich brauchte meine beste Freundin jetzt viel mehr denn je.

sadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt