Kapitel 5

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5. Jarves

Wir sind auf dem Weg nach Merokilis. Seit es heftig angefangen hat zu Schneien und zu stürmen, hat Maggy die Führung übernommen. Ich habe die Augen voller Schnee und kann nur auf Maggy vertrauen, die meine Hand nicht losgelassen hat. Als wir aus dem Taxi gestiegen sind und dieses weggefahren war, hatte mich Maggy nach dem Weg gefragt. Ich hatte mich erst gewundert warum sie es nicht mehr wusste. Eigentlich hätte ich gleich darauf kommen können, aber mein Verstand kam erst zurück, als eine fette Wolkenkolonie sich über London breitmachte. Das geschah, als Maggy sich versuchte sich zu erinnern, und dabei in die Luft starrte, als ob sie tief in ihrem Gedächtnis wühlen würde. Irgendwie unheimlich. Ich habe dann schnell ihre Hand genommen und sie war wie in Trance. Sie sagte etwas und zog mich an der Hand die Straße entlang. In diesem Moment hatte ich es begriffen. Bald würde Mondfinsternis sein. Bald würde sie nicht mehr sie selbst sein.

Nach scheinbar einer Unendlichkeit im wüteten Sturm sind wir angekommen. Merokilis. Ich wische mir den Schnee aus den Augen, kurz nachdem Maggy stehen geblieben war und meine Hand losgelassen hatte.

  „Jarves.“, sagt sie leise. Sonst nichts.

Ich hob meinen Kopf. Jetzt fallen nur noch ein paar Flocken. Wie aus dem Boden geschossen, steht der große, prächtige Palast mit den zweien Türmen, auf jeder Seite einer, vor uns. Wir stehen circa zehn Meter weit weg, aber trotzdem scheint er uns so nah. Ich fühle mich plötzlich wie angezogen von Merokilis. Er ist wie ein Magnet, der mich anzieht. Und es fühlt sich an, als würde er mich mit Energie füllen. Mir wird ganz heiß. Maggy scheint es nicht so zu gehen. Als ich zu ihr hinüberschaue, starrt sie nur kühl auf das riesige, eiserne Tor, das mit vielen Gravuren verziert ist. Das Dach und die Spitzen der Türme sind mit blutroten Ziegeln gedeckt und die Edelfelssteine, die die mächtigen, stabilen Mauern des Schlosses bilden, sind sorgfältig verputzt. Destotrotz sieht Merokilis alt und heruntergekommen aus. Plötzlich ertönen Stimmen um die Ecke. Schnell packe ich Maggy am Ärmel und ziehe sie mit hinter eine Hecke. Sie kann sich nur schwer vom Anblick des Schlosses lösen. Ich mich auch, aber wenn sie uns entdecken sind wir geliefert. Die Stimmen kommen näher.

  „Solon schaff den Termut in die Festung. Verließ sechs. Er wird morgen zerlegt.“, höre ich eine tiefe Männerstimme sagen.

Zerlegt? Ich linste über die Hecke.

Der Mann  verkreuzt seine kräftigen Arme übereinander. Er trägt einen schwarzen Mantel und einen ebenfalls schwarzen Zylinder. Er ist ein Wächter.

  „Sehr wohl Boss“, sagt ein dünner Mann in blauen, schlabberigen Jeans und einer dicken Winterjacke.

Der kräftige Mann nimmt seine Arme herunter und verschwindet wieder um die Ecke der großen Mauern. Erst jetzt bemerke ich, dass vor dem dünnen Mann eine Person auf dem kalten Schnee liegt. Grob packt er sie an beiden Beinen und zieht sie über den schneebedeckten Boden. Als er die Person durch das große Tor schleift, kommt eine leichter, kalter Wind auf und ich erkenne die Person.

  „Julius“, flüstert Maggy, bevor ich dazukomme, es zu denken. Es läuft mir eiskalt den Rücken herunter.  Wie ein Wolf lauert sie neben mir und wartet ab. Der Mann verschwindet mit der Leiche meines besten Freundes in dem Schloss. Dann springt Maggy auf und rennt auf das Tor zu. Ich eile hinterher. Bevor ich sie erreiche, hat sie schon den Torgriff in der Hand, zieht die riesige Tür auf und verschwindet dahinter. Ich beeile mich hinterher zu kommen. Schnell ziehe ich die Tür auf und stolpere hinein. Es ist drinnen nicht viel wärmer als draußen. Selbst mein Atem ist deutlich als eisweiser Nebel in der Luft zu erkennen. Ich stehe in einer großen Eingangshalle mit hohen, steinigen Decken mit kunstvollen Gravuren und Malereinen. Auf dem Boden sind feingearbeitete Mamorplatten ausgelegt und das edle Steingebilde an den Wänden ist sauber verputzt. Destotrotz bröckeln hier und da Gesteinsbrocken und dünner Steinstaub aus den Wänden.  Außerdem hängen dicke Spinnweben darüber und an den großen, bunten Fenstern, die aus vielen zusammengefügten, andersfarbigen Glasteilen bestehen. Sie sind ziemlich weit oben, so etwa wie in einer Kirche. Darunter hängen ölgemalte Bilder und stehen staubige Ritterrüstungen. Vor mir erstreckt sich die riesige Treppe mit hölzernem Geländer, die nach oben in den ersten Stock führt. Ich schreite mit langsamem Schritt voran und bestaune das riesige Erbaute. Erst als ich ein Poltern von rechts hörte und einen erschreckten Aufschrei einer Männerstimme, erwache ich aus meinen Gedanken und renne so schnell wie möglich um die Ecke. Zwei Männer liegen auf dem Boden. Beide haben schwarze Mäntel an und ebenso schwarze Zylinder auf. Außerdem  hat jeder der beiden  Platzwunden an den Schläfen und der Linke einen aufgerissenen Finger. Hinter ihnen steht Maggy, stark schnaufend. Hatte sie die Wächter umgelegt? Wahrscheinlich. Wie hatte sie das geschafft? Nun hebt sie ihren Blick von den beiden Männern, die bewusstlos da liegen und schaut zu mir. Jetzt erst sehe ich, dass Blut von den Fingern ihrer rechten Hand auf die staubigen Holzdielen tropft.  Es fließt aus einer kleinen Pfütze in kleine Kanäle weiter. Schnell gerinnt es und wird fest. Maggy starrt abwechselnd zu mir und zu Boden. Ihre sonst immer kristallblauen Pupillen, waren plötzlich rot, wie das Blut.

Als ich näher trete, begreife ich, dass es nicht ihr eigenes Blut ist. Der Rechte der Männer hat eine große Wunde in der Brust, so tief, das man dem Blut, das aus dem roten Fleisch quoll, zusehen konnte wie es in Bächen über den toten Körper floss. Wie scharfe Klingen, hatten sich Maggy´s Finger in den Wächter bohren müssen, um so eine Wunde zu hinterlassen. Ich runzele angeekelt und fassungslos meine Stirn, als ich mich über ihn beuge. Dann bricht Maggy neben mir zusammen und weint. Ich knie mich neben sie und die toten Wächter. Maggy stützt ihr Gesicht in die blutverschmierten Hände und schluchzt. Langsam strecke ich meine Hand nach ihr aus und berühre vorsichtig ihre Schulter. Tröstend streichele ich darüber und sie hört auf zu weinen. Maggy nimmt ihre Hände herunter und schaut mich an. Ihre Augen sind wieder blau wie das Meer.

  „Was passiert mit mir?“, schluchzt sie laut „Das bin ich nicht! Das mache ich nicht!“

Ich sehe sie einfach nur an und versuche zu begreifen was geschehen ist. Ich möchte gar nicht daran denken, dass dies alles womöglich erst der Anfang vom Ende ist.    

Danger heart <3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt