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'Hi.', hauchte ich. Er sah fast noch besser aus als in meinen Träumen. Das rote Haar hatte er zur Seite gestylt und seine grünen Augen funkelten in dem für Londoner Verhältnisse seltenen Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel und sich in ihnen brach. Matthew trug schwarze Jeans und einen schwarzen Kurzmantel mit einem weißen Hemd darunter. 'Ähm...', begann er. 'Also das mit der Presse tut mir sehr leid.', meinte der Prinz mit einem etwas verlegenen Blick. 'Muss es nicht. Du kannst schließlich nichts dafür.', entgegnete ich. Er legte den Kopf schief und sah mich durchdringend an. 'Wieso bist du gestern Nacht davongelaufen, Lucia?', wollte er wissen. 'Naja, du bist immerhin der Kronprinz, Matthew.' Und ich wollte dich ursprünglich umbringen, dachte ich. 'Und weiter?', wollte er mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. Sein durchdringender Blick brachte mich ganz durcheinander. 'Und..und', stammelte ich, während er noch einen Schritt auf mich zutrat, sodass er mir nun ganz nah war. 'Ja?', hakte er nach. 'I..ich bin nur..' 'Die mit Abstand schönste Frau die ich je gesehen habe.', beteuerte er mir und beugte sich zu mir herunter. Sein Gesicht schwebte direkt vor meinem und ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren als er weitersprach. 'Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich musste dich einfach wiedersehen.' 'Matthew ich..' 'Bereust du es, meinen Kuss erwidert zu haben?' Hastig schüttelte ich den Kopf. 'Nein, natürlich nicht.' Kaum waren die Worte heraus, nahm er mein Gesicht in beide Hände und presste seine Lippen verlangend auf meine. Ich wusste, dass es falsch war. Dennoch schlang ich ihm die Arme um den Hals, schmiegte meinen ganzen Körper an seinen und erwiderte seine Leidenschaft. Matthew entwich ein leises Stöhnen und er nahm seine Hände von meinen Wangen, um sie stattdessen zu meiner Taille gleiten zu lassen. Die Stimme in meinem Kopf protestierte lautstark, aber ich wollte dieses berauschende Gefühl, dass mich durchströmte auskosten. Wenigstens ein Mal. Nur dieses einzige Mal und dann nie wieder. Ich wusste, dass es nie wieder geschehen durfte. Also klammerte ich mich an diesen Moment und wünschte mir still, er möge nie vorbei gehen.
Schließlich lösten wir uns keuchend von einander und Matthew legte seine Stirn an meine. Sein Atem ging schwer. 'Das war..', brachte er unter gesenkten Lidern hervor. 'Ja.', bestätigte ich, genauso atemlos. Ich legte die Handflächen auf seine Brust, schloss die Augen und schüttelte mit zusammengekniffenen Lippen den gesenkten Kopf. Das durfte nicht sein! Ich sollte nicht so empfinden! Schweren Herzens befreite ich mich aus seinen Armen, die mich immer noch festhielten und drehte mich von ihm weg. 'Lucia? Was ist los?' 'Matthew, ich kann das nicht. Es tut mir leid.' Meine Stimme zitterte gefährlich bei den Worten. 'Was meinst du damit? Wenn es um die Presse geht, dann..' 'Das ist es nicht.' 'Was dann?' 'Es geht einfach nicht.' 'Aber dieser Kuss. Ich weiß, dass nicht nur ich so fühle. Du hast es auch gespürt.' 'Ja.', antwortete ich mit belegter Stimme und spürte wie meine Augen plötzlich zu brennen anfingen. Waren das etwa Tränen? 'Wo ist dann das Problem?', verlangte er zu wissen. 'Matthew, bitte versteh doch. Es ist einfach nicht möglich. Ich kann dir nicht sagen warum.' 'Aber..' 'Bitte geh.' Meine Stimme brach und ich spürte, wie mir die erste Träne die Wange hinunter lief, während ich sein Spiegelbild in der Fensterscheibe anstarrte. Es war die erste Träne meines Lebens. 'Lucia.' Auch seine Stimme zitterte nun. 'Bitte.' Das Wort kam nur noch als ein Flüstern über meine Lippen und ich lehnte die Stirn an die kühle Glasscheibe vor mir. Er schien es trotzdem gehört zu haben, denn ich hörte wie sich seine Schritte Richtung Tür bewegten. Dort blieb er allerdings noch einmal stehen. 'Ich gebe nicht auf. Verlass dich darauf. Was auch immer dich zurück hält, ich werde trotzdem versuchen dein Herz zu gewinnen, egal wie lange es dauern mag.', sagte er mit nun etwas festerer Stimme. Dann war er fort. Nun konnte ich es nicht mehr zurückhalten und ein lautes Schluchzen brach aus mir heraus. Die Tränen strömten mir die Wangen hinab und ich war machtlos dagegen. Im meinem Inneren fühlte ich mich zerrissen. Wie konnte es sein, dass dieser Mann es schaffte, all diese Emotionen in mir zu wecken? Empfindungen, gegen die ich immun sein sollte. Seine letzten Worte kamen mir wieder in den Kopf. Ich wollte ihn doch genauso sehr! Und die Tatsache, dass er um mich kämpfen wollte, ließ mein unsterbliches Herz höher schlagen. Mir war jedoch auch bewusst, dass er mich wahrscheinlich nie wieder so ansehen würde, wie jetzt, wenn er die Wahrheit erführe.  Ich musste mir diese Gedanken aus dem Kopf schlagen! Eine Beziehung mit ihm war schlichtweg unmöglich! Und doch keimte in meiner Brust etwas kleines auf. Wie eine Knospe, die es im Frühjahr als erste durch die dicke Schneedecke schaffte. Ein warmes Gefühl breitete sich von dieser Stelle in meinem ganzen Körper aus und ich wusste, dass es Hoffnung war. Hoffnung auf ein Leben außerhalb der Hölle. Hoffnung auf ein Leben mit dem Prinzen. Aber so schön diese Hoffnung auch war, so unerreichbar war sie ebenfalls. Es würde nie dazu kommen. Und als mir das klar wurde, kam es mir plötzlich vor, als würde mich mein Herz mit diesem Gefühl der Hoffnung verspotten. Hoffnungsvoll und Hoffnungslos zugleich. Eine grauenvolle Ironie des Schicksals, mich diese Gefühle des Glücks erfahren zu lassen, welche mir gleichzeitig ewig währendes Leid zufügen würden. Und trotzdem wollte der Hoffnungsschimmer in mir nicht erlöschen. Auch wenn die Lage aussichtslos war, hielt ich daran fest. Obwohl mich diese Empfindungen ungeahnten Qualen unterzogen, so hätte ich sie auf keinen Fall wieder loswerden wollen. Und wenn ich mein ganzes, langes, unsterbliches Leben litt, so hatte ich doch immer noch die Erinnerung an diesen Moment den ich mir vorhin vom Schicksal eingefordert hatte. Die Erinnerung an den Kuss mit Matthew. Diesen Moment, in dem ich für kurze Zeit pures Glück durch meine Adern rauschen fühlen durfte. Der Moment, der mir gezeigt hatte, wie sich Liebe anfühlte. Denn diese Erinnerung konnte mir nichts und niemand mehr nehmen.

Queen of HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt