Kapitel 1

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Als das heiße Wasser der Dusche anfing auf mich nieder prasseln, fing ich langsam an mich zu entspannen. In Gedanken versunken verfolgte ich einzelne Wassertropfen an der Wand, wie sie sich ihren Weg zum Boden suchten. Doch so sehr ich auch versuchte nur über die Wassertropfen nach zu denken, es wollte mir nicht gelingen.

Prompt sah ich zum gefühlten hundertsten mal sein wütendes Gesicht vor meinem inneren Auge.  Immer wenn er wütend war kneift er seine Augen ganz schlimm zusammen. Auch diesmal sah er wieder so aus, als würden gleich Blitze aus seinen Augen geschossen kommen. Ich muss zugeben, dass mir dieser Gesichtsausdruck wirklich Angst gemacht hatte. Er würde mich zwar nie schlagen, aber manchmal können Wörter viel schlimmer sein als Schläge.

Ganz kurz dachte ich an die 7 Klasse. Damals war ich wirklich nicht dünn. Also eigentlich war ich wirklich fett. Am Anfang fing es mit einzelnen Kommentaren an. "Fetty" oder "Elephant" nannten mich meine Mitschüler. Sabrina, meine damalige beste Freundin, war zu dieser Zeit mein Fels in der Brandung und so überhörte ich solche Kommentare mehr oder weniger. Doch, als auch Sabrina gemobbt wurde, nur weil sie mit mir befreundet war, ignorierte sie mich von heute auf morgen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, gerade wollte ich meine Schulbücher in den Spind stellen als ein paar "Coole" aus meiner Klasse vorbei kamen, unter ihnen auch Sabrina. Bis heute kann ich dieses Gefühl nicht richtig beschreiben. Schock, Unverständnis und Trauer würden es vielleicht noch am ehesten treffen. Aber wie will man schon das Gefühl beschreiben, wenn deine einzige und beste Freundin auf einmal mit den Monstern lächelnd den Flur, auf dich zu, spaziert kommt? Lachend und glücklich tratschte sie mit ihnen.  Dieser Anblick war wirklich ekel erregend.

Seit diesem Tag war alles anderes. Am nächsten morgen wartete sie nicht wie gewohnt an der Ecke um mit mir zur Schule zu fahren. In der ersten Stunde, ich weiß noch genau das es Englisch gewesen ist, setzte sie sich von mir weg.

In der Mittagspause saß ich dann heulend in der Toilette und wäre am liebsten sofort ins Sekretariat gerannt, um mich von dieser Schule abzumelden. Dieses Gefühl von Einsamkeit und purer Verzweiflung war von diesem Tag an mein Weg Begleiter. Denn die nächsten Jahre änderte sich nichts an dieser Situation, außer das aus "Fetty" und "Elephant" in der 8 Klasse "fette Schlampe" und "Wie sahst du eigentlich vor deinem Unfall aus?" wurde. Mit Sabrina redete ich nie wieder und um mein inneres baute ich eine so dicke Mauer, die nichts mehr von außen rein ließ, das von mir nur noch ein Schatten übrig blieb. Auch das ich innerhalb eines Jahres 20 kg abnahm interessierte keinen mehr. Einmal Mobbingopfer immer Mobbingopfer!

Doch dann kam der Tag der Tage. Am 23.06.2013 war das Grauen endlich zu ende, denn an diesem Tag bekam ich meinen Realschlussabschluss überreicht. Und somit öffneten sich für mich tausend neue Türen. Einmal in meinem Leben hatte ich Glück gehabt und genau die richtige Tür erwischt. Die Tür, die mir endlich Freundschaft, Liebe und Glück gönnte.

Fake FaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt