Kapitel 3 - Fremd in einer neuen Stadt

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Mein erster Tag an meiner neuen Schule. Obwohl ich nicht der Typ Mädchen bin, der sich viele Gedanken um das Aussehen macht, wollte ich heute einen guten Eindruck hinterlassen. Ich hatte meine langen schwarzen Haare geglättet und sie offen gelassen. Meine blauen Augen, die ich übrigens von meinem Vater geerbt habe, schminkte ich mit Wimperntusche. Mein Kleidungsstil war eher locker und sportlich,  für heute jedoch legte ich mir schickere Sachen zurecht. Ich hatte einen schwarze Bluse an mit Nietenverzierungen an den Schultern, eine blaue Jeans und schwarze Ballerinas an. Im Auto schaute mich Onkel Musa von oben bis unten an, was mir den Anschein gab, ich sei nicht angemessen gekleidet.

„Pass bloß auf, dass du nicht angemacht wirst, wenn du dich so hübsch machst. Hier in Berlin ist das leider Alltag Layla.“ sagte er mir.

Ich wusste nicht wo sein Problem lag und blieb einfach still. Vielleicht hätte ich auf ihn hören sollen. Angekommen an der Schule musste ich erst einmal zweimal hinschauen. Es waren doppelt so viele Schüler auf dieser Schule wie auf meiner Alten. Vielleicht sogar noch mehr. Was mir aber besonders auffiel war, dass niemand wirklich deutsch aussah. Anscheinend lebten hier mehr Ausländer, als ich dachte. Mein Onkel zeigte mir mit einer Handbewegung wo der Eingang der Schule war. Drinnen wusste ich erst einmal nicht wo ich hin musste. Ich fragte ein Mädchen, welches mich von oben bis unten anschaute, wo das Sekretariat ist.

„Hinten links, bist du neu?“ fragte sie.

„Ja bin ich. Danke für deine Hilfe“ antwortete ich.

„Kein Problem, vielleicht sieht man sich ja.“ sagte sie zum Abschied.

Insgeheim erhoffte ich mir, dass dieses Mädchen in meiner neuen Klasse war. Ihre offene Art gefiel mir.

Das Sekretariat verwies mich in die Klasse 11a im Raum 210. Da es schon nach acht war, und der Unterricht schon begonnen hatte, musste ich anklopfen. Dies war mir unangenehm, besonders weil ich wusste, dass jetzt alle Augen auf mich gerichtet sein würden. Gesagt, getan. Ich stellte mich dem Lehrer vor, der mich auf einen Platz in der letzten Reihe neben einem Mädchen, dass ein Kopftuch trug, verwies. Trotzdessen, dass ich in der letzten Reihe saß, drehten sich so gut wie alle um, um mich zu bemustern. Ich erkannte das Mädchen wieder das ich im Flur kennengelernt hatte und lächelte sie an. Sie lächelte zurück. Und wieder einmal musste ich feststellen, dass so gut wie niemand deutsch aussah. Da noch andere außer mir neu waren, wurde eine Vorstellungsrunde vereinbart, in der jeder kurz erzählen sollte, wer er war und woher er kam. In diesem Moment war ich froh, dass ich in der letzten Reihe saß und somit auch als Letztes dran kam. Ich hatte mir so gut wie keinen Namen gemerkt, da ich die meisten vorher noch nie gehört hatte. Gemerkt habe ich mir letztendlich nur den Namen von dem Mädchen im Flur: Mariam. Schöner Name dachte ich mir. Ich bemerkte wie ein Junge, der ebenfalls in der letzten Reihe saß, mich beobachtete. Für einen Moment dachte ich, ich hätte etwas im Gesicht und schaute heimlich in meinen Spiegel. Nichts. Nach dem Klingeln begab ich mich zu Mariam, die mich schon mit einem Lächeln erwartete.

Mariam: „Was für ein Zufall oder?“

Layla: „Das kannst du laut sagen, bist du schon lange auf der Schule?“

Mariam: „Ja ich bin hier leider schon seit der 7. Klasse. Wie bist du auf die Schule gekommen?“

Layla: „Lange Geschichte… aber um es kurz zu fassen ich bin umgezogen und wurde dann hier auf der Schule angemeldet.“

Mariam: „Okay, ich stell dich in der nächsten Pause gleich den anderen vor. Und Ma sha’Allah du hast echt schöne Augen!“

Layla: „ Danke aber was meinst du mit Ma sha’Allah?“

Mariam: „Bist du keine Araberin? Ich dachte wegen deinem Namen…“

Layla: „Doch, aber wie soll ich sagen, meine Eltern haben mir nie arabisch beigebracht.“

Mariam: Achso ist doch kein Problem, Ma sha’Allah bedeutet übersetzt „Gott hat es so gewollt“ und man sagt es, wenn man etwas Schönes sieht.

Wie es aussieht war sie gläubig, womit ich keinesfalls ein Problem hatte. Ich wusste nur nicht, ob sie damit ein Problem hatten, dass ich es nicht bin. Die nächsten Stunden vergingen schnell und Mariam stellte mich ihren Freundinnen vor, die mich offenherzig begrüßten. Wir tauschten unsere Nummer aus und ich war mehr als froh, dass ich direkt Anschluss gefunden hatte. Zwar sah mein Freundeskreis hier ganz anders aus, als auf meiner alten Schule aber ich wollte keine Vorurteile haben. Ich dachte an Dennis und an den Abend, an dem ich Alkohol getrunken hatte und dann an meinen jetzigen Zustand. Alles hatte sich geändert. Konnte ich hier in Berlin genauso offen mit Jungs befreundet sein? Ich hatte das Gefühl, dass dies nicht der Fall ist. Auf dem Pausenhof sah ich die Mädchen unter den Mädchen, die Jungs unter den Jungs. Auf dem Weg nach Hause ging mir der Junge durch den Kopf, welcher mich in der ersten Stunde beobachtet hatte. Morgen würde ich Mariam fragen wer er ist. Zuhause angekommen erzählte ich Tante Zeinab wie mein erster Tag in der Schule war. Sie war sehr neugierig und wollte so gut wie alles erfahren. Nach dem Essen legte ich mich hin, um den Tag zu verarbeiten.

Plötzlich hörte ich eine laute Stimme, die mich aus meinen Gedanken weckte. Ich lief zu meiner Tante um nachzuschauen, woher diese Stimme kam.

„Was war das Tante Zeinab?“ fragte ich sie.

„Das war nur der Gebetsruf, kennst du das denn nicht?“ sagte sie und zeigte dabei auf ihr Handy, wo die Stimme herauskam.

Ich konnte damit nichts anfangen und da ich nicht weiter drauf herum hacken wollte ging ich einfach in mein Zimmer. Gebetsruf? Ich weiß nicht viel über den Islam, aber ich wusste, dass sie fünf Mal am Tag beten und anscheinend tat dies Tante Zeinab auch. Anscheinend ist hier ALLES anders als bei mir Zuhause. Wie konnten zwei Familien so verschieden sein? Wie konnte es sein, dass mein Leben von heute auf morgen so anders ist? 

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