Kapitel 6 - Die Reue

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Die nächsten Wochen vergingen sehr schnell und ich hatte mich an mein neues Leben in Berlin gewöhnt. Die meiste Zeit verbrachte ich mit meinen neu gewonnenen Freundinnen, die mir täglich durch ihre wunderbare Art zeigten, wie schön ihr Charakter sie machte. Besonders fiel mir auf, dass sie versuchten mich von schlechten Dingen abzuhalten, wie beispielsweise den Kontakt zu Jungs oder zu offener Kleidung. Sie taten dies auf eine Art, die mir zeigen sollte, dass nicht ich schlecht bin, sondern die Dinge schlecht für mich sind. Besonders ans Herz gewachsen ist mir dabei Mariam. Obwohl wir anfangs so verschieden waren, verstanden wir uns heute besser als wir damals wahrscheinlich jemals gedacht hätten. Trotzdem gab es eine Sache, die mir keine Ruhe ließ. Meine Eltern. Sie hatten sich zwar mehrmals schon bei meiner Tante gemeldet, aber nie darum gebeten, mich ans Telefon zu holen. Ich beschloss sie anzurufen.

„Hallo Mama ich bin’s, störe ich?“ fragte ich unsicher, da ich mir nicht sicher war ob sie mit mir sprechen wollte.

„Hallo Layla, du störst nicht. Wie geht es dir?“ antwortete sie mir.

„Mir geht es gut. Tante Zeinab tut sehr viel für mich, damit es mir hier gut geht. Aber es ist ganz anders als Zuhause…“ sagte ich leise.

„Deswegen haben wir dich auch dorthin geschickt. Du wirst mit der Zeit merken, dass es die beste Entscheidung war. Ich muss jetzt auch wieder Schluss machen, dein Vater wartet unten im Auto auf mich. Wir melden uns bei dir“.

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich von mir. Sie klang immer noch ziemlich kalt, aber ich konnte heraushören, dass sie zuversichtlich war. Da heute Samstag war, verbrachte ich meine Zeit mit Tante Zeinab, die mit mir zusammen in die Stadt fahren wollte. Ich freute mich darauf, zog mich an und fuhr mit ihr gemeinsam los. Angekommen in der Stadt setzten wir uns in ein Cafe und bestellten uns etwas zu Trinken.

„Sag mal Tante Zeinab, wieso trägst du eigentlich ein Kopftuch?“

Ich wollte sie dies schon früher fragen, hatte mich aber nie getraut. Sie war eine hübsche Frau mit schönen langen Haaren, die sie, wenn sie draußen war, unter dem Kopftuch versteckte.

„Das Kopftuch schützt mich vor den Blicken der Männer, Layla. Allah sagt im Kuran: O Prophet! Sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Gläubigen, sie sollen ihre Übergewänder reichlich über sich ziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie (dann) erkannt und nicht belästigt werden. Und Allah ist Allverzeihend, Barmherzig“

Dies schien für mich logisch. Für mich war es immer ein eher bedrückendes Gefühl wenn ich von Männern angestarrt wurde, doch ich hatte nie darüber nachgedacht, dass dies auch meine Schuld sein könnte. Es ist schließlich auch die Aufgabe der Frauen, den Männern keinen Grund zum gucken zu geben. Wieder einmal war ich überrascht davon, wie viel Weisheit in diesen Dingen steckte und wollte mehr darüber erfahren.

„Schade, dass ich diese Dinge nicht vorher gelernt habe..“ murmelte ich vor mich hin.

Tante Zeinab lächelte, holte ihr Handy aus der Tasche und rief jemanden an. Da sie arabisch sprach, konnte ich nicht verstehen um was es ging. Anschließend sagte sie mir, dass wir uns mit einer Freundin von ihr treffen würden. Nachdem wir gezahlt hatten, standen wir auf und liefen zum Auto. Ich war überrascht über ihre plötzliche Reaktion und fragte mich, wer diese Freundin wohl sei. Als wir schließlich ankamen, erkannte ich den Ort an dem wir waren wieder. Wir hielten an der Moschee, in der ich gemeinsam mit Mariam und den anderen Mädchen war. Dort wartete auch schon die Freundin von Tante Zeinab, die uns beide herzlich begrüßte. Gemeinsam liefen wir in einen Raum, in dem Männer und Frauen getrennt voneinander saßen. Vorne stand ein Mann mit einem Mikrofon, der anscheinend einen Vortrag hielt. 

„Über was spricht er?" fragte ich Tante Zeinab.

„Er macht Dawa, das heißt er ruft zum Islam auf" sagte sie, während sie mir zuzwinkerte.

Wir kamen leider erst zu Ende des Vortrages an, doch ich war trotzdem gespannt darauf, über was der Mann sprach.

 „Wenn du morgen sterben würdest, könntest du dann stolz auf dein bisheriges Leben sein oder würdest du viele Dinge bereuen? Auf deinem letzten Weg wirst du allein sein und erkennen, dass die einzige Rettung Allah (swt) ist. Warum solltest du es riskieren, dass diese Erkenntnis zu spät kommt? Trenne dich von allem, was schlecht für dich ist und beginne ein neues Leben, dem Weg des Islam! Auf diesem Weg wirst du nicht allein sein, denn du wirst in eine große Familie kommen – die Ummah! Eine Familie, die blind für deine Hautfarbe, Nationalität oder Sonstiges ist. Allah erhört seine Diener und Er liebt ihre Reue.“ sprach er.

Ich war überwältigt von dem was er sprach. Als ich mich im Raum umsah stellte ich fest, dass hier Menschen unterschiedlichster Nationalität saßen und eine Zufriedenheit ausstrahlten, die ich noch nie bei sonst jemandem gesehen hatte. Ich bereute plötzlich all die Tage, an denen ich nie versucht hatte auch nur einen Gedanken an den Sinn des Lebens zu verbringen.

Er beendete seine Rede mit den Worten: „Wenn es hier jemanden gibt, der gerne zum Islam konvertieren möchte, möge er sich bitte bei mir melden.“

Ich schaute zu meiner Tante hinüber und konnte in ihren Augen erkennen, dass wir beide dasselbe dachten.

Mein Weg zum IslamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt