Gestrandet

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Lucy wachte auf. Doch alles war anders. Keine Autos, keine Passanten, nicht mal ein Haus. Sie war nicht mehr in Manhattan. Sie war auf einer Insel. Einer Insel irgendwo im nirgendwo. Die junge Frau spürte den Sand, der überall an ihrem Körper klebte und schrecklich juckte. Doch bevor sie sich kratzen konnte, ja, bevor sie überhaupt aufstehen konnte, spie sie eine dickflüssige, grünliche Mischung aus Sand, Wasser und Magensäften aus. Lucys Sicht war noch ganz verschwommen, doch sie schaffte es, wenn auch sehr unsicher, wieder aufzustehen. 

Ihre Sicht wurde langsam etwas klarer, als Lucy bemerkte, wo sie sich überhaupt befand. Sie bekam einen riesigen Kloß im Hals. Als sie ihre Umgebung genauer betrachtete. Lucy ließ sich in den Sand fallen und murmelte verzweifelt und sehr undeutlich: "Wo bin ich? Was ist passiert?". Natürlich bekam sie keine Antwort. Lucy blickte an sich herunter. Erst jetzt bemerkte, sie, dass sie splitterfasernackt war. Noch nicht mal Unterwäsche war ihr überlassen worden. Sie wurde rot, obwohl sie sowieso niemand sehen konnte, als sie bemerkte, wie trocken ihr Hals war. Die junge Frau schaute erst links, dann rechts, dann links und wieder rechts. Sie inspizierte den ganzen Strand, doch konnte nichts finden, was wie Süßwasser aussah. Ihr letzter Versuch war das Wasser, welches sanft in der Bucht plätscherte. Unsicher torkelte sie zum Ufer und trank einen Schluck. Sie war mehr als überrascht, als sie das Wasser im Mund hatte. Es war kein Salzwasser. Es war Süßwasser. Sie folgte der Bucht ins Meer und probierte noch einmal. Wieder Süßwasser. 

"Ok, zumindest haben wir Wasser!", brabbelte sie zu sich selbst, "Jetzt fehlen nur noch Essen, Klamotten und ein Plan wo ich bin.". Sie ging zu den Büschen am Waldrand herüber und pflückte einige rote Beeren. Sie aß eine. "Scheint essbar zu sein", dachte sie und schob noch zwei hinterher. Ihr Magen knurrte zwar immer noch, aber nicht mehr so stark. 

Lucy versuchte ein bisschen von dem Sand, der an ihrem Körper klebte, wegzuwischen, doch er ging einfach nicht herunter. Da er sogar an wirklich unangenheme Stellen gekommen war, entschied sich Lucy, "Baden zu gehen". Sie ging hinüber zu der Lagune und stieg dann langsam ins Wasser. Es war zwar ein wenig kalt, aber trotzdem auszuhalten. Die junge Frau rieb sich den Sand von den Armen, Beinen und überall wo er sonst noch hingekommen war. Erfrischt und Sauber stieg Lucy wieder aus dem Wasser. Sie entschied sich, den Hügel neben dem Wald zu erklimmen, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. 

Während sie den Weg zur Grasfläche an der Spitze des Felsens entlang ging, hörte sie mehrmals ein Knacken im Gestrüpp. Immer wieder drehte sie sich zum Wald herüber, doch konnte nie etwas sehen. Sie stempelte es als Fuchs oder Waschbär ab, der einfach nur neugierig war. Schließlich war ihr ein Treffen mit den wahrern Bewohnern dieser Insel noch erspart geblieben... Noch.

Schließlich hörte Lucy ein weiteres Knacken. Diesmal kam es aber von der anderen Seite. Sie riss den Kopf herum, doch sah nichts. Langsam bekam sie wirklich Angst. Sie versuchte weiterzugehen, doch plötzlich riss sie etwas zu Boden. Lucy hatte noch nie so eine Mischung aus Wunder und Schrecken erlebt. Denn, das, was sie da zu Boden gerissen hatte, war eine Bestie aus längst vergangenen Zeiten. Lucy starrte in die aggressiven Augen eines Utahraptoren.  Aus den Augewinkeln sah sie zwei andere, die sie umzingelten, während der eine sie immer noch festhielt. Lucy schüttelte wie wild den Kopf, um dem Dinosaurier ja nicht die Möglichkeit zu geben, ihr Genick zu treffen. Speichel tropfte ihr ins Gesicht und der Raptor fauchte.  "Jetzt geh runter von mir!", schrie Lucy. Sie wusste, dass das nichts helfen würde, doch es gab keinen anderen Ausweg. Zumindest dachte sie das. 

Ein Stampfen war in der Nähe zu hören. Es wurde lauter und kam immer näher. Lucy konnte ein riesiges, gefiedertes Monstrum sehen, dass sich geschickt zwischen dem Dickicht hindurch schlängelte und schließlich aus dem Unterholz hervorbarst. Lucy war zwar erleichtert, hatte jedoch auch Panik. Was wenn dieses Ding sie nur als Vorspeise sah, die es vernaschen konnte, bevor es sich dem Hauptgang, den Raptoren, widmete. Diese Panik wurde jedoch zumindest teilweise durch Verwunderung ersetzt, als sie erkannte, dass die Bestie Zaumzeug trug. Jemand ritt dieses Monster. 

Der Dinosaurier brüllte, und die Raptoren zuckten zusammen. Von ihren Instinkten getrieben, suchten sie angsterfüllt das Weiter. Nur der Raptor, der Lucy angriff blieb standhaft. Er gackerte wütend und starrte den anderen Dinosaurier an. Dieser knurrte und fauchte. Der Raptor rannte auf ihn zu, sprang und... landete zwischen seinen Kiefern. Mit voller Kraft schleuderte das Ungetüm den Angreifer gegen einen Stein. Dann richtete es seinen Blick auf Lucy. Mit trägen Schritten ging die Bestie auf sie zu. Nervös zitternd schob sich Lucy mit den Armen nach hinten, doch konnte plötzlich nicht mehr weiter. Sie blickte hinter sich, und erkannte die Felswand, die sich hinter ihr auftürmte. Inzwischen hatte der Dinosaurier sie erreicht. Voller Angst hob die junge Frau die Arme und winselte: "Geh weg, Geh weg, Geh weg!". Der Dinosaurier hörte nicht, sondern senkte nur seinen Knopf und beschnupperte sie. "Bitte friss mich nicht!", piepste sie und kniff die Augen zusammen.

Dann rief auf einmal jemand: "Yuki, Stopp!". Lucy öffnete vorsichtshalber ein Auge und blickte zum Rücken von "Yuki" hoch, von dem gerade jemand herunterstieg. Ein großer, relativ muskulöser, maskierter Mann ging langsam auf sie zu. "Oh, Nein! Bleib' bloß weg von mir!", stotterte Lucy, "Ich warne dich!". Der Mann schenkte ihren "Drohungen" keinerlei Beachtung und kam weiter auf sie zu. Lucy versuchte auf einen Stein hinter ihr zu kommen, aber mit ihren 1, 75 war dieser einfach zu hoch gelegen. "Hey.", sagte der Unbekannte jetzt mit einer sanften, beruhigenden Stimme. "H-Hi.", antwortete Lucy noch ein wenig misstrauisch und winkelte die Arme an, "Und du willst mir auch wirklich nichts tun?". "Nein. Versprochen!", entgegnete er und öffnete die Hände. "Nimm d-die M-Ma-Maske ab", forderte Lucy. Der Unbekannte folgte, nahm seine Maske ab und zeigte ein Gesicht, dass Lucy sich nichtmal in ihren künsten Träumen hätte erträumen können. 

Seine Augen waren blau wie der Ozean. Eine Narbe zog sich über seine rechte Wange. Er hatte dunkelblonde, kurze Haare und einen Vollbart. "Äh, Ja. Genau!", meinte Lucy und versuchte selbstsicher zu klingen. Da fiel ihr auf, dass sie immer noch nackt war. Sie wurde knallrot, riss zwei Palmblätter von einem umgefallenen Stamm und bedeckte ihre "intimen Regionen". Der Unbekannte schaute sie etwas verwirrt an, musterte sie einmal und sagte dann: "Also dann... Hi, ich bin Scep!". Er hielt ihr die Hand hin. Lucy tapste langsam zu ihm, klemmte sich eines der Palmblätter unter den Arm und gab ihm ihre Hand. "Ich bin Lucy.", erwiderte sie unsicher. "Lucy. Schöner Name.", lächelte Scep. Dann starrten die Beiden sich für eine halbe Minute einfach nur still in die Augen. 

Plötzlich tippte Yuki Scep mit der Schnauze sanft auf die Schulter und nickte mit dem Kopf in Richtung Lucy. Scep schaute kurz auf die Palmblätter, dann in Lucys Gesicht und wurde dann ebenfalls rot. "Äh, ja. Entschuldige bitte. Das war unhöflich.", räusperte er sich, ging beschämt rüber zu Yukis Sattel und kramte einige Dinge aus der Satteltasche. Eine Hose, ein Oberteil, Schuhe und Handschuhe, alles aus relativ simplem Stoff. "Hier", meinte er nervös und gab Lucy die Klamotten. 

"Äh, Danke.", lachte sie, ebenfalls extrem beschämt, und zog sich an. Während der Rest der Klamotten fast perfekt passte, war das Oberteil ein wenig zu klein und reichte gerade Mal bis zu Lucys Bauchnabel. "Hast du das noch ne Nummer größer?", fragte sie vorsichtig. "Nein, tut mir leid. Ich hab das von so einem komischen Typen bekommen. Er hatt einen ganz kleinen Oberkörper und sehr feminine Gliedmaßen.", erzählte Scep. "Aha.", entgegnete Lucy, nicht ganz überzeugt von dieser Geschichte. 

"Komm. Hier ist es bald nicht mehr sicher.", meinte Scep, nachdem Lucy sich fertig gemacht hatte. Er half ihr, auf Yukis Rücken zu steigen, stieg dann ebenfalls auf den Dinosaurier und ritt zur Bucht herunter. Er steuerte sein Reittier geschickt auf die andere Seite und ritt dann immer weiter gerade aus. Lucy hatte keine Ahnung, wohin er sie brachte, aber Scep war bis jetzt das einzige, dem sie auf dieser gottverlassenen Insel traute. 

Ark:Evolutionäres ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt