K a p i t e l 5 - D a s L i c h t i m D u n k e l n ✔

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Der zwielichtige Mann hatte mich einige Meter vor einem kleinen Lebensmittelladen abgesetzt. Vor den großen Fenstern standen einige Holzkisten, in denen Obst und Gemüse verkauft wurde. Ich nahm einen Apfel aus einer der Kisten und betrat den Laden. Ich tapste durch die Gänge, jedoch noch immer mit Jasons Kapuze über meinen Haaren. Auch hier konnte ich noch erkannt werden. Außerdem holte ich mir noch ein Brötchen und zwei Flaschen Wasser. Viel mehr wollte ich allerdings nicht ausgeben. Das Geld musste noch für eine Unterkunft reichen, irgendwie.



Ich bezahlte die Lebensmittel und verließ das Geschäft wieder. Bisher schienen die Leute ganz nett zu sein, der etwas ältere Kassierer im Laden war es jedenfalls.



Ich beschloss, mich in der Stadt umzusehen. Auf den ersten Blick sah alles sehr altmodisch aus und groß war Greendale auf keinen Fall, aber ich begegnete vielen älteren Menschen, die sicherlich auf dem Weg zum wohl einzigen Lebensmittelgeschäft der Stadt waren.



Während ich durch die Straßen schlenderte und mich fragte wo ich gelandet war, sah ich ein Haus am Ende der Straße auf dem „Gasthaus Webber" stand. Ich atmete auf. Es gab also doch noch Hoffnung, nicht auf der Straße schlafen zu müssen.


Als ich dort ankam, sah ich erst wie alt das Haus sein musste.


Der Lack des weißen Gartenzaunes löste sich bereits und besonders gemütlich sah es von außen auch nicht aus. Obwohl mich das damals wirklich kümmerte, blieb ich positiv. Ich wollte schließlich in einem warmen Bett schlafen. Also legte ich meine Hand auf die Türklinke und drückte sie herunter.



Eine Duftwolke aus Braten, Bier und Schweiß kam mir entgegen. Innen sah es tatsächlich nicht vielversprechend aus. Als ich von den ersten Menschen bemerkt wurde, starrten sie mich seltsam an. Am Liebsten hätte ich zurück gestarrt, denn sie rochen alle mindestens genauso widerlich wie ich. Jedoch ging ich langsam an ihnen vorbei bis ich an der Bar angelangt war.



„Ein Zimmer oder etwas zu essen? Und wie viel kannst du bezahlen?", diesen Satz spuckte der Wirt mir förmlich ins Gesicht.



Ich zog eine Augenbraue hoch ehe ich antwortete: „40 $", entgegnete ich ihm schüchtern. Er lachte kurz auf. „Dann verschwinde, für 40 $ kriegst du hier nicht mal ein Stück Brot. Es sei denn, du kannst auch anders bezahlen ". Ich schluckte, schüttelte den Kopf und drehte mich um.



An der Tür angekommen öffnete ich sie so schnell ich konnte, um sofort hinter ihr zu verschwinden. Die Leute hier sind also freundlich? Na sicher. In diesem Moment rollte mir eine winzige Träne über meine Wange. Ich wusste nicht warum, aber es passierte.


Also blieb mir kaum etwas anderes übrig als mir einen Ort zum Schlafen zu suchen. Ich bog an der Straße links ab und sah einige hundert Meter vor mir ein großes Feld, auf dem scheinbar Mais gepflanzt war. Ich konnte es zwar noch nicht sehen, aber nicht weit von dort musste der Besitzer dieses Feldes leben.



Ich ging weiter und weiter und als ich beinahe keine Kraft mehr hatte, sah ich einige Gebäude, die nah aneinander standen. Eines der Häuser war mit einem hölzernen, weißen Zaun umrandet. Da es bereits dämmerte und ich kein Licht darin brennen sah, setzte ich mich mit dem Rücken an den Zaun. Der Boden war so eiskalt, das ich sofort begann zu zittern, sodass ich mir den Pullover weit über die Handgelenke hinaus über die Fingerspitzen zog.



Kurz darauf holte ich das zuvor gekaufte Brötchen aus meiner Tasche und begann es in mehrere Teile zu reißen. Langsam schob ich mir eines davon in den Mund und ließ es mir auf der Zunge zergehen. Dazu trank ich einen Schluck Wasser, der meinen Mund nach dem trockenen Stück Brot wieder benetzte.



Nachdem ich gierig das ganze Brot und eine Flasche Wasser zu mir genommen hatte, zog ich meine Beine eng an den Körper, in der Hoffnung mich damit ein wenig aufzuwärmen. Es funktionierte natürlich nicht. Es war mittlerweile dunkel und ich zitterte so sehr, dass ich nicht ansatzweise an Schlafen denken konnte.


Und so saß ich da. Immer noch allein. Und ich hatte jegliche Hoffnung auf Rettung aufgegeben, jedoch umsonst, denn kaum begannen meine Augen sich langsam zu schließen, hörte ich Schritte die dem Haus, an dessen Zaun ich lehnte, immer näherkamen.



Ich schreckte auf, bewegte mich jedoch kaum. Vielleicht würde ich übersehen werden. Als die Person jedoch vor mir stand, wusste ich sofort, dass sie mich gesehen hatte.



„Kindchen, was hast du denn hier verloren?", fragte mich eine feminine Stimme. Ich hob meinen Kopf und blickte in die verwunderten Augen einer pummeligen Frau.



Sie lächelte mich freundlich an. „Ich wusste nicht wohin ich sollte. Entschuldigen Sie.", presste ich hervor und stand schnell auf. „Auf Wiedersehen", sagte ich noch kurz, griff meine Tasche und machte mich auf den Weg.



Jedenfalls hätte ich das gemacht, wenn diese Frau nicht im nächsten Moment gerufen hätte: „Lauf doch nicht weg!". Ich blieb schnell stehen und drehte mich wieder um. Ich wollte sie nicht aufhalten, und mich auch nicht, also sagte ich: „Hören sie, ich habe gar nichts. Ich habe kein Geld, keine Kleidung und nicht mal was zu essen. Ich kann sie mit nichts bezahlen also lassen sie mich etwas suchen wo ich schlafen kann.".



Die Frau sah mich plötzlich verwundert an und ihre Augen weiteten sich. „Oh nein, ich will kein Geld. Und das Bisschen was du da anhast, würde ich dir niemals wegnehmen.".



Ich sah wohl sehr perplex aus. „Ich wollte dir nur anbieten, eine Nacht in dem Haus meiner Familie zu verbringen. Ich komme gerade vom Hühnerstall und hatte sowieso vor, noch etwas zu kochen. Mein Mann wird sicherlich nichts dagegen haben, wenn du einmal mit uns isst.", sagte sie freundlich. Ich war jedoch misstrauisch. Niemand ist einfach so, ohne Hintergedanken freundlich zu jemandem, oder doch?



Ich jedenfalls glaubte es nicht. Und trotzdem nahm ich ihr Angebot an. Mein Hunger und die Angst, eine weitere Nacht allein zu sein waren so groß, dass ich nicht ablehnen konnte.

The Diary of Cheryl Blossom ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt