Sei vorsichtig da draußen

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"Bitte pass gut auf dich auf, Liebling", murmelt meine Mutter emotional, während sie mich in der langen Umarmung inzwischen ein wenig zu fest drückt, jedoch stört mich das nicht.

Ich kann mir gut vorstellen, weshalb sie sich Sorgen um mich macht.
Wäre ich in der besagten Mutterrolle, würde es mir genauso schwer fallen, mein inzwischen einziges Kind in eine gefährliche Welt zu lassen, in der sich Millionen von Untoten herumtreiben, welche geradezu darauf warten, dich bei lebendigen Leibe zu fressen und somit auch zu infizieren.
Sodass du dann letztendlich als verweste und verrottete Kreatur wieder auferstehst und die Menschen angreifst, die du einst mit deinem Leben verteidigt hättest.
Doch genug davon, denn ich weiß, dass mir solch ein Schicksal nicht widerfahren wird, da ich mich mehr als gut für diese Suche vorbereitet habe.
Klar, Fehler kann man natürlich immer machen, aber wenn ich keine Entschlossenheit zeige, dürfte ich erst recht Fehler begehen.
Um es aber noch einmal kurz zu fassen, weshalb wir uns überhaupt vor der Welt da draußen fürchten sollten...

Die Welt ist nicht mehr so, wie wir sie einmal kannten.
Denn ein hochansteckender Virus entstand durch ein Versuchslabor in den USA, welches viele verschiedene Substanzen an allen möglichen Vogelarten testete.
Damals herrschten viele Demonstrationen gegen diese grauenvollen Tierversuche, doch trotzdem wurde die Regierung nicht ein einziges Mal wirklich darauf aufmerksam, trotz vieler Berichte in den Medien, weswegen dann eines Nachts eine Gruppe von vermeintlichen 'Tierschützern' in eines von vieler Labore einbrach, in der die Tiere gefangen gehalten wurden. Jedoch konnten die Vögel tatsächlich noch fliegen und entkamen ihnen schlussendlich.
Doch das war erst der Anfang.
Denn die Vögel übertrugen sich gegenseitig einen gefährlichen Virus für die Menschen und flogen kurz darauf überall hin. In die Wälder, in die Berge, in die Städte. Überall hin, wo sich Menschen angesiedelt hatten.
Anfangs wurde die Situation noch völlig harmlos eingestuft, aber als sich der Virus schließlich rasend ausbreitete, kam es zu einer enormen Krisensituation. Der Virus war zu diesem Zeitpunkt jedoch unaufhaltsam und so existieren mittlerweile nur noch weniger als 1/3 der Menschheit.......so glauben wir es zumindest.

Mit 'wir' meine ich im Übrigen die Überlebenden, mit denen ich und meine Eltern zusammenleben und bis jetzt verlief auch alles ziemlich friedlich innerhalb des Lagers.
Jedoch sieht die Welt da draußen vollkommen anders aus.
Obwohl die verbleibenden Menschen eigentlich zusammenhalten müssten, gibt es dennoch da draußen Diebe, Vergewaltiger und Mörder.
Genauso wie in unserer bisherigen Welt.
Doch trotz der hohen Gefahr außerhalb müssen immer wieder einige von uns aufbrechen, um nach Nahrung und sonstigen überlebenswichtigen Sachen zu suchen.
Und da ich mich in der Pflichtprüfung für diese Aufgabe besonders gut für mein Alter bewiesen habe, darf ich nun alleine in die Wälder ziehen.
Falsch, ich muss.
Eine andere Wahl bleibt mir nicht, denn so gelten nunmal unsere Regeln für dieses Lager und ich bin dort keine Ausnahme.

Langsam löse ich mich aus der Umarmung meiner Mutter und sehe zu meinem Vater, welcher mich ebenso mit einem traurigen Blick ansieht.

"Du weißt, wie gefährlich es in den Wäldern sein kann. Halte dich einfach nicht zu lange an einem Ort auf und wenn du etwas gefunden hast, kehre sofort wieder um und komm zu uns", murmelt mein Vater belehrend.

"Genau, und denk daran, dass ein Bisschen auch schon besser ist als nichts. Du musst nicht eine ganze Menge von Versorgung finden, du musst nur wieder heil zurückkommen, hörst du?"

"Ist ok, mum", versuche ich die Situation zu beruhigen.

Ich umarme noch einmal kurz meinen Vater und drehe mich dann schließlich zögerlich um.
In mir macht sich ein angespanntes Gefühl breit, als sich die schwere Eingangstür öffnet.

"Sei vorsichtig, Nina", vernehme ich die Stimme meines Vaters im Rücken.

Das ist mein Leben.
Mein Name ist Nina und ich begebe mich nun auf die Suche nach Versorgung, in der Welt von Untoten und tausend anderen bedrohlichen Gefahren.
So beginnt meist eine von vielen Fantasiegeschichten, jedoch ist das hier die bittere Realität.
Ich habe nur ein Leben und meine Familie zählt auf mich.
Und ich werde sie nicht enttäuschen, so viel ist sicher.
Entschlossenen Schrittes bewege ich mich vorwärts und verlasse das sichere Lager, welches man für gewöhnlich niemals freiwillig verlassen würde.
Die Geräuschkulisse der Menschen wird immer leiser in meinen Ohren, bis sie schließlich ganz verschwunden ist.
Nun erklingt nur noch das Zwitschern der Vögel und meine Schritte im Wald.
Die Sonne scheint durch die vielen, verschiedenen, grünen Bäume und eigentlich wirkt alles ziemlich friedlich und freundlich.
Doch der Schein wird trügen, dabei bin ich mir sicher.
Wenn ich einen Untoten sehe, muss ich unbedingt an mein gelerntes Vorgehen denken.
Der Kopf ist dabei das Ziel.
Zwar habe ich so etwas noch nie bei einem wirklichen Zombie durchgeführt, doch wenn ich mich an die Regeln halte, wird schon alles gut gehen.
Hoffentlich...

Zerschlagen - Blut ist das letzte ZeichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt