Hilf mir

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Oh mein Gott.
Was war das?!
Wer war das?!?
Ein erneuter, lauter Hilfeschrei erklingt und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter.
Hier braucht scheinbar jemand dringend meine Hilfe!
Aber bin ich dafür überhaupt geeignet?
Eine Anfängerin, welche noch nie mit Untoten in den direkten Kontakt gekommen ist?
Vielleicht sind es noch nicht einmal Untote, sondern Menschen....., aber Menschen würden niemals zulassen, dass derjenige so laut schreit!
Sollte ich also demjenigen zu Hilfe kommen???
Aber was, wenn ich dabei drauf gehe..?
Aber dann wäre es wenigstens für einen guten Zweck gewesen!
Und außerdem kann man mich nicht so schnell überwältigen!
Gerade auch, weil ich noch mit aller Vorsicht nachdenke und handle!
Noch einmal vernehme ich einen lauten Hilferuf und dieses Mal höre ich auf diesen und eile mit geduckter Haltung in die Richtung, aus der die Rufe kommen.
Ich sollte mich besser beeilen, bevor es wirklich noch zu spät ist!
Mit schnellen, behutsamen Schritten taste ich mich einen kleinen Hügel hinauf und kann mich dabei noch gut hinter einigen Bäumen und dichten Sträuchern versteckt halten.
Zeitgleich hole ich langsam eine Axt hervor, welche ich mit noch einem Messer zusammen als meine Waffen bezeichnen kann. Eine Schusswaffe wird mir leider erst ab 18 Jahren im Lager ausgehändigt und mit meinen 17 Jahren konnte ich daher leider noch niemanden überzeugen.
Doch momentan spielen solche Dinge keine Rolle, denn ich muss mich konzentrieren!

Mit leichten Knien komme ich dem Hilferuf immer näher und schließlich kann ich über den Hügel blicken und das Bild, welches ich zu Gesicht bekomme, lässt mein Herz für eine Sekunde aussetzen.
Ein junger Mann mit einer Pistole ist vollkommen umzingelt von zwanzig bis fünfundzwanzig Untoten, welche mit ekelhaften Geräuschen langsam auf ihn zu humpeln.
Ängstlich versucht er immer den Untoten zu erschießen, der ihm am Nächsten ist, doch er schafft es immer nur gerade so.
Mein gesamter Körper sträubt sich bereits davor, ihm zu Hilfe zu eilen.
Wäre es ein Mädchen, eine alte Frau oder ein kleiner Junge gewesen, hätte ich nicht eine Sekunde lang gezögert, aber jetzt?
Ich meine, er muss sich in diese Situation ja irgendwie hereingeritten haben.
Er hat scheinbar Verstand und wie man ihm ansieht, hätte er eigentlich auch mehr als genug Kraft, um sich selbst zu verteidigen!
Ein erneuter Hilfeschrei erklingt und er reißt seinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung von mir.
Er sollte besser damit aufhören, das lockt schließlich nur noch mehr Untote an!
Sicherheitshalber trete ich ein Stück zurück und mache mich ganz klein.
Sollte ich diesem Mann wirklich helfen?
Was wäre, wenn er mich plötzlich angreift?
Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war, seinen Notrufen zu folgen...
Wie aus Reflex trete ich noch ein Stück zurück.
Kurz darauf folgt noch eins, und dann noch eins.
Ich entferne mich fast schon automatisch von der Gefahrenzone, als der junge Mann plötzlich zusammenbricht und hart auf den Boden knallt.
Ich bekomme vor Schock für einen Moment lang keine Luft mehr und richte mich sofort kerzengerade auf.
Wenn er jetzt nicht mehr lebt, kann ich mich alleine dafür verantworten!
Über ihm hängt ein total verwester Untoter, welcher wie besessen nach dem Mann beißt. Der Mann versucht ihn entmutigt von sich wegzudrücken und seine neben ihm liegende Pistole zu greifen, doch lange dürfte diese Strategie nicht mehr halten, denn die anderen Untoten kommen ihm nun gefährlich nahe.
So werde ich das nicht stehen lassen!
Mein Griff um die Axt verstärkt sich, während ich entschlossenen Schrittes auf die bedrohliche Situation zugehe.
Geschickt hole ich mein Messer hervor und werfe es sicher in die Richtung des Untoten.
Trotz dass ich mich zum allerersten Mal in solch einer Lage befinde, komme ich gut damit zurecht und fühle mich sicher.
Das Messer versenkt sich kurze Zeit später auch in dem Kopf des verwesten Untoten, woraufhin sich dieser bewegungslos auf den Mann fallen lässt.
Geschockt schiebt der Fremde sofort die Kreatur zur Seite, greift sich blitzschnell seine Pistole und steht auf.
Verzweifelt kreuzt sein Blick den Meinen, ehe ich ihm leicht zunicke, als Zeichen, dass ich ihm helfen werde.
Die ersten Untoten sind nun auch schon auf mich aufmerksam geworden und bewegen sich langsam auf mich zu.
Doch ich bin bereit und habe keine Angst.
Ich darf keine Angst haben!
Ohne zu zögern zerspalte ich mit meiner Axt schon den ersten Kopf eines Untoten.
Daraufhin folgen zwei weitere, bis ich plötzlich von einer am Boden kriechenden Untoten weggezogen werde und somit fest auf dem Boden ankomme, mich jedoch noch mit den Händen gerade so abfangen kann.
Mit einem Schlag ist meine gesamte Sicherheit wie verflogen und ich weiche panisch zurück, während ich immer wieder mit den Beinen nach der Untoten trete, welche aber trotzdem weiter auf mich zu krabbelt.
Irgendwann stoße ich mit dem Rücken dann auch noch an einen großen Baum und zucke daher stark zusammen.
Okay, ich muss jetzt einen kühlen Kopf bewahren!
Ansonsten bin ich erledigt!
Schnell ziehe ich meine Beine zu mir und somit auch die Untote, welcher ich ruckartig mit meiner Axt einen letzten Schlag verpasse.
Das war aber knapp.
Ich stehe schnell auf, als ich auch schon die nächsten Untoten bemerke.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals vor Aufregung.
Der Unbekannte ist mittlerweile ebenfalls vollkommen konzentriert auf die ganzen Untoten, was ich besser auch tun sollte!
Scheinbar kann ich dem Fremden darüber hinaus vorerst vertrauen, wenn er sich eher auf die Untoten fokussiert, als auf mich.
Erneut spaltet meine Waffe geschickt den Kopf eines Untoten, sodass ich sogar einige Blutspritzer abbekomme, jedoch ist dies momentan meine geringste Sorge!
Doch irgendwie ist die Gefahr, dass auf einmal etwas schief gehen könnte, vollkommen verschwunden.
Stattdessen denkt man einfach nur an Nichts.
Die Konzentration ist das Einzige, was man im Sinn hat.
Mehr nicht.
Ich erledige einen Untoten nach dem Anderen.
Es fühlt sich fast so an, als ob ich bereits jahrelang gegen diese grausamen Kreaturen gekämpft hätte, obwohl ich es erst seit einigen Minuten tue.
Ich bin so schnell vorangeschritten, sodass ich fast so gut wie gar keine Untoten mehr sehen kann, bis auf einen Einzigen.
Willenlos humpelt dieser in meine Richtung, doch nun möchte ich noch einmal alles aus mir herausholen.
Mit schwitzigen Händen umgreife ich meine Axt noch ein wenig fester und renne nun auf ihn zu.
Mit diesem Schlag werde ich meinen Hass demonstrieren.
Meinen gesamten Hass gegenüber dieser Monster.
Zu was sie mich gemacht haben.
Zu was sie diese Welt gemacht haben.
All das setze ich nun auf einen einzigen Schlag an.
Ich komme meinem langsam voranschreitenden Ziel immer näher und will dieses gerade in Zwei teilen, als es plötzlich auf den Boden fällt und sich nicht mehr bewegt.
Was ist denn jetzt los?
Verwundert wandert mein Blick im Rennen weiter nach oben und ich erkenne den jungen Mann, welcher eben gerade noch hinter dem letzten Untoten stand und mich nun leicht erschrocken mustert.
Und erst jetzt weiß ich auch weshalb!
Ich versuche sofort abzubremsen und lasse dabei vor Schreck meine Axt fallen, doch ich bin einfach noch viel zu schnell!
Auch der fremde Mann steht total neben sich, rührt sich nicht von der Stelle und sieht mich einfach nur vielsagend an.
Doch mein ganzer Schwung zieht mich quasi nach vorne und somit knalle ich unsanft gegen den Unbekannten.
Dieser kann jedoch meine ganze, aufgebaute Kraft nicht mehr gut ausgleichen und fällt daher mit mir auf den Waldboden.
Mein Herz beginnt urplötzlich bedeutend schneller zu schlagen, während ich über ihm liege und ihm tief in seine faszinierenden, grau-blauen Augen sehe und mich langsam aber sicher darin verliere.
Auch er schaut mir tief in die Augen, lässt mich kein einziges Mal aus seinem Blickfeld, während ich diese unglaubliche Nähe noch gar nicht so schnell begreifen kann.
Obwohl ich diesen Mann zuvor noch nie in meinem Leben gesehen habe, zieht es mich irgendwie gerade voll und ganz zu ihm hin.
Tausende, widersprüchliche Gedanken schwirren gleichzeitig unglaublich verwirrend durch meinen Kopf. 
Allmählich fängt er an leicht zu lächeln.

"Äh..., ich bin Ethan. Schön dich kennenzulernen"

Zerschlagen - Blut ist das letzte ZeichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt