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"Das reicht, Levi! Ich kann nicht mehr... Ich werde dich jetzt in eine Psychiatrie einweisen lassen. Es ist doch nicht mehr zum Aushalten. Ständig bist du am putzen, obwohl du vor 30 Sekunden schon geputzt hast. Ich mache das nicht mehr mit.", regt sich mein Freund auf. Ich jedoch putze unbeeindruckt weiter und zwar zum 11ten Mal an diesem Tag meine Wohnung. Erwin steht mit gepackten Koffern vor mir.

"Weg da! Ich habe da noch nicht sauber gemacht.", rattere ich den Satz wie einstudiert herunter. Doch der blondhaarige bewegt sich kein Stück. Anschließend zieht er mich an den Handgelenken hoch und zerrt mich in den Flur.

"Du kannst mich nicht einfach so einweisen! Ich bin ein erwachsener Mann! Ich kann auf mich selbst achten! Und jetzt lass mich los und lass mich den Dreck weg machen!", schreie ich ihn an und versuche mich aus seinem Griff zu lösen, jedoch ohne Erfolg.

"Und wie ich das kann. Ich habe mich informiert. Jetzt komm man erwartet dich dort schon.", kontert er streng.

"Kann ich vorher noch zu Ende wischen?" Ich knicke ein, verdammt. Meine Maske darf nicht fallen! Dahinter befindet sich ein... Wrack.

"Nein.", meint Erwin immer noch streng und befehlt mir mich nun endlich Abreisefertig zu machen. Ich gebe mich geschlagen und ziehe mich an. Vor der Haustür bleibe ich stehen.

"Erwin? Ich habe etwas vergessen.", gebe ich kleinlaut von mir.

"Was denn?", hackt er nach.

"Mein Ausweis und so.", lüge ich. Ich wollte eigentlich schnell fertig putzen und Reinigungsprodukte in reisegrößen mitnehmen. Außerdem hoffe ich auch, dass er nicht mitkommen will. Er seufzt, nickt und meint irgendetwas von nur noch fünf Minuten. Das reicht mir vollkommen aus. In zwei von den fünf Minuten wische ich den Boden fertig und stelle alles weg. Die Produkte verstecke ich einmal in meinen Schuhen und das Desinfektionsmittel in meiner Jackentasche. Das wird mir schon keiner aus den Händen reißen. Nach genau fünf Minuten sitze ich nun auf dem Beifahrer und schaue aus dem Fenster. Die Bäume, Felder und Häuser sausen vorbei.

Wie lange werde ich wohl da bleiben müssen? Am besten gar nicht! Ich will am liebsten sofort zurück, zurück in mein Haus. Dort ist es sauber und sicher. Ich verstehe immer noch nicht, warum Erwin das macht. Ich putze doch nur, nebenbei gehe ich arbeiten, verdiene Geld und kann alles finanzieren. Ich habe noch nie eine Mahnung oder ähnliches erhalten. Erwin macht mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten.

Als ich meine Umgebung nun erneut genauer betrachte sehe ich mitten im Nirgendwo einen weißen Klotz da stehen. Je näher wir kommen umso nervöser werde ich. Behalt deine Fassade aufrecht, Levi! Ermahne ich mich und nehme einen ausdruckslosen Gesichszug an. Der blonde Fahrer hält an.

"Aussteigen, Levi.", sagt er und steigt selbst aus. Ich öffne die Tür und setze meine Füße auf den Asphalt. Er drückt mir meine Taschen in die Hände, begleitet mich zum Eingang und betritt mit mir zusammen das Gebäude. Am Empfang sitzt eine junge Dame mit rot orangenen Haaren und lächelt uns freundlich an.

"Guten Tag, wie kann ich Ihnen behilflich sein?", fragt sie die mittlerweile in ihr Gehirn eingebrannte Frage.

"Ich hatte mit Dr. Zacharias einen Termin ausgemacht, wegen meinem Freund." Sie nickt und tippt irgendetwas. Ich betrachte derweil die Eingangshalle. Alles ist weiß gehalten, selbst die Möbel, alles weiß. Ein wunder,dass man dabei nicht verrückt wird. Ab und zu läuft mal ein Pfleger, Arzt oder Patient vorbei. Mein Blick verweilt an einem relativ jungen Patienten. Er hatte braune Haare und trug ein schwarzes Shirt, sowie Hose. Als er sich umdreht kommen seine strahlend blaugrünen Augen zum Vorschein. Er sieht echt gut aus. Weswegen er wohl hier ist? Er sieht aus wie ein normaler Mensch. Okay... Alle sehen hier aus wie normale Menschen. Der Junge entdeckt mich, lächelt mich an und winkt mir zu. Ich jedoch zeige keine Reaktion. Er wendet sich von mir ab und führt seinen Weg fort. Meine Augen folgen ihm, bis er aus meinem Sichtfeld verschwindet. Kurz darauf spüre ich etwas an meiner Schulter. Erwin. Der blondhaarige hat seine Hand auf meiner Schulter platziert. Ich sehe ihn an.

"Komm. Der Arzt erwartet uns." Nur widerwillig folge ich ihm. Warum bin ich nicht aus dem Gebäude geflohen, als ich die Chance dazu hatte? Wenig später stehen wir vor einer weißen Holztür. Erwin klopft und wartet auf eine Antwort. Diese kommt jedoch nicht, jedoch wird die Tür schwungvoll geöffnet. Ein blondhaariger Mann in einem weißen Kittel und einem Bart steht vor uns. Er bittet uns freundlich herein, zeigt auf zwei Stühle, welche vor seinem Schreibtisch stehen und bittet uns, uns hinzusetzen.

"Guten Tag. Mein Name ist Dr. Mike Zacharias.", stellt er sich vor und reicht uns seine Hand, welche ich nicht annehme, da ich nicht weiß, ob sie nicht zu dreckig ist.

"Ich hatte mit Ihnen telefoniert und habe Ihnen gesagt, dass mein Freund unter einem Putzzwang leidet.", übernimmt er das Wort.

"Ich leide nicht an einem Putzzwang.", widerspreche ich ihm.

"Wie oft putzen Sie am Tag?"

"Bis zu 11 Mal."

"Das ist sehr viel. Können Sie mir sagen, warum Sie so viel putzen?"

"Aus reiner Gewohnheit." Seine Augen bliken in meine, als würden sie nach der Wahrheit suchen. Doch ich weiß genau, dass es in meinem kühlen Blick nichts finden wird. Seid dem Tod von Farlan und Isabel habe ich mich dazu entschlossen nie wieder irgendwelche Gefühle für jemanden zu empfinden. Bisher habe ich es auch gut hinbekommen.

"Ich kann Ihnen ansehen, Levi, dass sie einen tieferen Grund für ihre Zwangsstörung haben. Ich will ihnen nur helfen diese unter Kontrolle zu bringen. Ansonsten sind wir gezwungen Sie so lange hier zu behalten bis Sie besserungen aufweisen.", erklärt dieses Arschloch.

"Meine Gründe zu irgendetwas gehen Sie überhaupt nichts an!", fahre ich ihn an.

"LEVI! Jetzt reicht es!" Erwin dieser Pisser! Nur wegen ihm sitze ich hier. Ich hasse ihn! Bleib ruhig, Levi! Warum war ich noch gleich mit ihm 'befreundet'?

"Meine Herren... bitte beruhigen Sie sich. Wollen wir nicht eine Therapie versuchen, Levi? Nur Sie und ich alleine? Aber ich würde vorschlagen, dass wir das wennschon erst morgen angehen würden." Ich nicke und verschränke meine Arme vor meiner Brust. Was habe ich denn für eine Wahl? Ich werde regelrecht dazu gezwungen diese scheiß Therapie über mich ergehen zu lassen.

"Gut. Dann würde ich mal sagen, dass ich Ihnen Ihr Zimmer zeige. Sie werden kein Einzelzimmer erhalten, aber keine Sorge Ihr Zimmergenosse ist ein charmanter junger Mann." 'Aber auch ein kleiner Chaot.' Ich konnte nicht genau verstehen, was er zu sich selbst gesagt hat. Er steht auf, wir folgen ihm auf dem Weg in mein 'neues Zuhause. Wir gehen durch viele Glastüren. Station 3. Der hochgewachsene Arzt klopft an einer dunkelbraunen Holztür. Herein.' ist es gedämpft zu hören. Wir treten ein und beinahe hätte ich einen Herzinfarkt erlitten. Das ist nicht deren Ernst! Die stecken mich mit so einem Schwein in ein Zimmer?

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