1. Von Stein und Wasser

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Müde starrte ich an die zerfurchte Decke. Ich konnte einfach nicht einschlafen, die Hitze machte mir zu schaffen und trotz des Strohsacks drückte mir der steinige Boden unangenehm in den Rücken.
Ich schloss genervt die Augen, ich brauchte dringend Schlaf, schon bald würde der Weckruf erschallen und ich müsste wieder an die Arbeit. Ohne Schlaf würde ich den Tag nicht überstehen.
Meine Mutter hatte früher immer gesagt wenn man nicht schlafen kann, muss man aufhören zu versuchen einzuschlafen und einfach an etwas Schönes denken, dann schläft man irgendwann ganz von selbst ein. Aber in dieser Hölle war es gar nicht so leicht etwas schönes zu finden, an was man denken konnte. Manchmal stellte ich mir vor wie es wohl dort oben über der Erde aussieht. Ich hatte mal gehört, dass an der Oberfläche immer ein großes Licht leuchtet, was die ganze Welt erhellt und einen glücklich macht. Hier unten gibt es nicht viel Licht, Strom ist sehr wertvoll. Lampen werden nur benutzt, wenn sie unbedingt nötig sind. Wie es wohl war immer im Hellen zu leben? Aber weder ich noch jemand anderes würden jemals wissen wie es da oben wirklich ist, denn der einzige Ausgang aus dem Untergrund ist schon seit Jahrzehnten verschlossen und wir würden niemals gegen die Menschen der Oberfläche ankommen, sie waren uns klar überlegen. Seufzend schlug ich die Augen auf, heute würde ich wahrscheinlich eh nicht mehr schlafen können, also krabbelte ich aus meiner Nische und klopfte den Staub von meinen Klamotten. Vielleicht würde mir ein kleiner Spaziergang gut tun. In den Gängen herrschte ein reges Treiben, man sah Krankenschwestern, Höhlenarbeiter, Spieler und Menschen wie mich, die einfach nur nicht schlafen konnten, um nur ein paar zu nennen. Ich hasste es unter vielen Menschen zu sein, sie waren alle so schrecklich laut und erschwerten nur das Vorankommen. Diese Tatsache löste in mir noch mehr Vorfreude auf den kleinen See aus. Ich war nämlich eine der wenigen die überhaupt wussten, dass er existierte und das hieß folglich, dass dort um diese Uhrzeit auch keine Menschenseele sein würde. Ich hatte ihn vor Jahren bei der Arbeit im Räumung'skommamdo entdeckt, als ich einen kleinen Gang erkunden sollte. Der kleine Gang war der härteste Teil meines Weges, denn als ich ihn entdeckt hatte war ich noch deutlich jünger gewesen und nun passte ich nur noch mit Mühe hin durch. Meine Schultern schabten unangenehm an seinen Wänden und mein Kopf stieß immer wieder gegen die Decke. Ein wenig ausser Atem und mit leicht schmerzenden Schultern kam ich dann aber endlich am See an. Hier war es ganz still und nur das tapsende Geräusch meiner nackten Füße auf dem kalten Stein war zu hören. Der See lag vor mir wie glatter, dunkler Spiegel, es schien als könnte ihm die Zeit nichts anhaben und er wäre schon immer hier. Vorsichtig setzte ich mich an seinen Rand und streckt meine Füße in das dunkle Wasser. Sofort umschlossen kalten Fluten sie sanft und brachten mir endlich die lang ersehnte Abkühlung. Manchmal fühlte ich mich wie dieser See einsam, kalt und leer. Wenn ich mich jetzt in dieses dunkle Wasser stürzen und einfach nie wieder auftauchen würde, würde mich niemand vermissen, keine Mutter die um mich weint, kein Freund der sich nach meiner Hilfe sehnt und erst recht kein Vater der mich vermisst. Doch für einen Selbstmord war ich viel zu feige, selbst für sowas war ich noch zu unfähig. Plötzlich ertönte aus weiter ferner der laute Pfiff, der uns zur Arbeit rief. Das würde ein schrecklicher Tag werden, ich war jetzt schon total übermüdet. Trotzdem rappelte ich mich vom Boden auf und machte mich auf den Weg zu dem Gang an dem wir gerade arbeiteten. Als ich dort ankam waren die anderen schon alle da und hatten sich in Reih und Glied aufgestellt. Eilig schlüpfte ich auf meinen Platz und hoffte, dass niemand mein zu spät Kommen bemerkt hatte. Scheinbar schien ich Glück zu haben, denn die Aufseher waren noch mit dem inspizieren der gestrigen Arbeit beschäftigt. Nach ein paar Minuten baute sich Morosum vor uns auf und brüllte:,, Achtung!" Sofort nahmen wir Haltung an, dann wurde die Anwesenheit überprüft. Wie immer war ich als erstes dran ,, Spera?!" Schnell trat ich vor und weiter ging es. Jeder wurde einzeln mit Namen aufgerufen und musste vortreten. Wie immer waren alle da, keiner würde es je wagen nicht bei der Arbeit zu erscheinen, jeder fürchtete die Strafe die ihn dafür erwarten würde zu sehr. Menschen wurden hier unten als Verbrauch'smaterial behandelt, denn das war das einzige was wir hier unten echt im Überfluss hatten, Menschen.
Auf einmal merkte ich wie sich die Leute um mich herum an die Arbeit machten, ich hatte gar nicht gehört wie Morosum den letzten Namen vorgelesen hatte. Schnell holte ich mir eine Stirnlampe und machte mich an die Arbeit. Ich war dafür zu ständig kleiner Steine aus dem Weg zu räumen und kaum zugängliche Gänge und Spalten zu erkunden, weil ich klein und gelenkig war. Heute gab es für mich aber nichts zu erkunden, also würde ich nur Steine schleppen . Den ganzen Tag über konnte ich mich nur mit Mühe auf den Beinen halten und die harte Arbeit trieb mir den Schweiß auf die Stirn, aber Oberbefehlshaber Larix hatte verlangt, dass dieser Gang heute noch fertig frei geräumt werde, also konnten wir uns keine Pause erlauben.

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