Ein Schritt zu weit

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Mary fand sich selbst unter einem Dutzend französischen Politikern wieder, die das hier ganz klar noch als Arbeit ansahen, die eine Hälfte der Frauen schien, wie sie, lieber ganz woanders sein zu wollen, während die andere Hälfte es offensichtlich genoss etwas vom Rampenlicht ihrer Ehemänner ab zu bekommen. Einige hatten ihre Kinder dabei, jedoch waren sie alle mindestens fünfzehn oder sechzehn, außer zwei kleine Jungen, der ältere war vielleicht gerade zehn Jahre alt. 

In dem großen, hell erleuchteten Raum mit hohen Decken standen einige Runde Tische und einige der Gäste hatten bereits Platz genommen. Francis, der Marys Hand mittlerweile auf seinen rechten Arm gelegt hatte führte sie zu dem größten Tisch am anderen Ende des Raumes. 

"Ma, Pa, darf ich euch Mary vorstellen, ihr erinnert euch vielleicht an sie. Wir sind als Kinder auf das selbe Internat gegangen." Francis hatte ihre Hand auf seinem Arm losgelassen und sich von ihr gelöst und schaute jetzt tatsächlich etwas nervös zwischen seinen Eltern und Mary hin und her. Auch Mary wusste nicht was sie tun sollte.

"Hallo Mary, schön, dich kennen zu lernen." Francis' Vater reichte ihr die Hand, klang bei der Begrüßung doch so förmlich und distanziert, wie man es von Politikern eben erwartet.  Auch Francis Mutter schüttelte ihr die Hand und stand ihrem Mann in Formalitäten in nichts nach. 

"Setzt euch doch schon mal da drüben an euren Platz.", schlug oder befahl Francis' Vater und die beiden waren heilfroh, dass sie nicht großartig Smalltalk machen mussten. Am Tisch fand Mary sogar ihren Namen auf einem kleinen Schild auf ihrem Teller und Francis stellte die zwei Jungen, die Mary vorher aufgefallen waren als seine Brüder Charles und Henry vor. 

Das Essen wurde serviert und im Hintergrund spielte ein Pianist leise Klaviertöne. Positiv gestimmt dachten sich Mary und Francis nun beide, dass der Abend gar nicht so schlimm werden wird. 

Nach dem vier-Gänge-Menü, oder waren es sogar fünf Gänge?, fingen die Männer wieder mit ihren wichtigen Gesprächen an.

"Komm", sagte Francis und legte seine Serviette auf den Tisch, "lass uns raus gehen." 

Er führte Mary eine geschwungene Treppe runter bis sie vor einer Wand aus Fenstern und Glastüren standen. Draußen war es herrlich warm und es roch nach Weinstöcken, der Garten lag in schwachem Licht und doch konnte Mary die vielen, detaillierten Dekorationen und zurecht geschnittenen Hecken gut erkennen. Sie fühlte sich wie in einem Märchenschloss.

"Schön hier, nicht wahr?"

"Ja.", hauchte Mary und lief den Kiesweg entlang zu einem kleinen Brunnen mit Engelsfiguren.

"Mit dir ist es noch viel schöner.", Francis lächelte sie an und beobachtete genau, wie sie sich die Figuren und die Blumen ansah. "Normalerweise hasse ich diese Dinner und versuche so bald wie möglich abhauen zu können, aber mein Vater lässt ein 'Nein' als Antwort nie durch. Danke, dass du trotzdem mit gekommen bist."

Mary lachte: "Naja, ich saß ja eh schon im Auto, was hätte ich denn machen sollen? Außerdem finde ich es eigentlich auch ganz schön hier - mit dir. Danke, dass ich mit kommen durfte, auch wenn es eher unfreiwillig war." 

Sie setzten sich auf eine Bank die etwas abseits unter einer Laterne stand.

"Wenn du die Politik und das alles so sehr hasst, warum dann das Politik-Studium?" 

"Mein Vater! Er lässt ein 'Nein' wie gesagt ja nicht zählen und ich konnte wählen zwischen Politik oder enterbt zu werden. Er ist doch immer noch mein Vater, Mary."

"Ja, das kann ich verstehen, so ist es bei mir ja auch mit meiner Mutter." 

"Und warum bist du immer noch in Frankreich, wenn du doch eigentlich das Unternehmen in Schottland übernehmen sollst?"

"Ich bin doch schon immer hier. Das war einfach das sinnvollste für mich. Außerdem ist meine Mutter Französin, sie hat mich ja damals hier her geschickt. Sie denkt, hier bekomme ich die beste Ausbildung." 

"Wäre es nicht schön, noch einmal wie die Kinder von damals sein zu können?"

"Da fällt mir ein! Danke für dein Geschenk, haha, das Kissen finde ich super!"


Francis brachte sie am späten Abend auch wieder nach Hause. Der Wagen kam vor dem Haus, in dem sich ihre Wohnung befand zum Stehen und Francis stieg sofort aus, nur um ihr wieder die Tür zu öffnen.

"Das musst du wirklich nicht immer machen."

"Wer weiß, zu wie vielen dieser Veranstaltungen ich dich noch schleppe. Da kann ein bisschen Höflichkeit nicht schaden."

"Ich hoffe es sind noch einige um ehrlich zu sein. Ich hatte einen sehr schönen Abend. Danke dafür." Sie griff nach seiner Hand um sie zu drücken und ihre Worte zu unterstreichen.

Dabei lehnte sie sich unbewusst nach vorne und küsste Francis. Sie realisierte das Ganze jedoch erst als es schon zu spät war und ihre Lippen sich auf seine gelegt hatten. Was machte sie nur? 

Abrupt löste sie sich von ihm und hielt sich verlegen die Hand vor den Mund. Die Hitze in ihren Wangen bedeutete, dass sie knall rot anlief.

"Das tut mir leid, ich weiß nicht...", stammelte sie ohne recht zu wissen was sie jetzt noch sagen sollte."

"Schon okay, Mary. Gute Nacht. Ich melde mich wieder bei dir." Francis lächelte sie nochmal an als sie die Tür aufschloss und schnell dahinter verschwand. 

Gegen die Tür gelehnt konnte sie noch hören, wie sich das Auto entfernte. Oh Gott! Was war nur los mit ihr. Konnte sie sich so schnell in einen Mann verliebt haben, den sie doch eigentlich gar nicht kannte, aber irgendwie ja schon? War sie mit dem überraschenden Kuss zu weit gegangen? Was sollte er bloß von ihr denken? Oh Gott, hatte er vielleicht eine Freundin? Nein, dann hätte er ja sie mit zu diesem Dinner genommen, oder? Vielleicht wollte er nur nett sein. Und würde er sich wirklich melden? Tausend Gedanken rasten durch ihren Kopf bevor sie in einen unruhigen Schlaf fiel. 

Frary's reign- wie eine royale Liebesgeschichte von heuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt