4 - Landmenschen

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Ich spürte Wasser um mich herum. Als ich langsam meine Augen öffnete, nahm ich eine eigenartige Umgebung wahr. Ich befand mich in einem von Holz umgebenem Raum und war im Wasser. Als ich ein Stück nach vorne schwamm, klirrte ich gegen eine unsichtbare Wand. Ich befühlte sie verwundert. Meine Oma hatte mir davon erzählt - die Landmenschen nannten es "Glas"...

  Plötzlich sprang die Tür auf. Fasziniert erblickte ich, was ich schon immer einmal von Nahem sehen wollte: Einen Landmensch. Seine Schuhe berührten abwechselnd den Boden. Ich beobachtete ganz genau, wie er ging. Er kam auf mich zu. Langsam sank ich zum Boden dieses Glasgefäßes und betrachtete seine Beine, als wären sie ein antikes Kunstwerk. Plötzlich bemerkte ich ein zweites Paar Beine, welches dazukam. "Wirklich sehr interessant", sagte plötzlich einer der Männer zum anderen. "Mr. Anderson, ich bin wirklich begeistert". Ich glitt wieder hinauf, bis ich mit den Männern auf Augenhöhe war. Mr Anderson hatte etwas im Mund, es gab was graues in die Luft ab. Meine Hände langten aus dem Wasser und über den Glasrand hinaus. Ehe sich die Männer versahen, hatte ich mir das stinkende, weiße Ding geschnappt und besah es von Nahem. Mr. Anderson begann zu lachen. Ich jedoch entdeckte etwas gelb - orange leuchtendes, es erinnerte mich an die Sonne. Als ich es berührte wurde es so unerträglich heiß, dass ich aufschrie und es ins Wasser fallen ließ. Die Männer beobachteten mich halb amüsiert, halb fasziniert. "Wo bringt ihr mich hin", fragte ich sie schließlich. Beide bekamen große Augen.
"Es... es kann sprechen?!"
"ES?!", wiederholte ich entrüstet, "ich bin eine "Sie", mein Name ist Mariella Patricia Atlanta, ich bin  eine Prinzessin!!!" Die Männer wirkten nun doch sehr verwirrt.
  "Ich bin die Tochter von Poseidon und wenn ihr mich nicht gehen lässt, dann-"
Bevor ich sie zu Ende anschreien konnte, kam jemand runter, welcher sagte: "Sir, wir sind angekommen"
  "Alles klar, bringt Poseidons Tochter in das Becken mit der Sirene, ich würde zu gerne sehen, wer wen als erstes auffrisst", meinte Mr. Anderson, woraufhin der andere Mann lachen musste.
  "Ach", entgegnete er dann, "die beiden werden sich bestimmt bestens verstehen".
Panik kroch in mir hoch. Eine Sirene?!
  "Und wenn ihr euch der Sirene nähert, vergesst nicht eure Ohrschützer! Ich will keinen weiteren Mann an dem Gesang dieser Meereshexe verlieren!"
Mein Glasbehälter wurde mit einem seltsamen Gerät angehoben und aus diesem Raum heraus transportiert. Ich sah mich um. "Also Tochter von Poseidon", begann einer der Männer lachend, "oder auch Mariella, das hier ist ein sogenannter "Zoo". Ein "Aquazoo" um genau zu sein. Und ihr Meerjungfrauen seid die besondere Hauptattraktion!". Ich zischte wütend. "Ich bezeifel bei der Sirene, dass sie noch ne Jungfrau ist". Die Männer lachten und brachten mich zu einem besonderes großem Becken. Alle setzten sich Ohrschützer auf. Dann begann ich Gesang zu vernehmen. Er war so wunderschön und betörend. Plötzlich bemerkte ich einen Landmann ohne Ohrschützer. Er ging auf das Becken zu und bevor irgendwer ihn aufhalten konnte, sprang er hinein. Dann ging alles ganz schnell. Ich sah gerade noch, wie ein Meermädchen in ungefähr meinem Alter und mit schwarzem Haar und schwarzer Flosse heraussprang, einen eleganten Salto in der Luft machte und sich dann auf ihr Opfer stürzte. Sie riss ihn mit in die Tiefe und alles was dann noch zu sehen war, war die Art, wie sich das Wasser rasant schnell blutrot färbte.
  "I-ich w-will da nicht rein", stotterte ich panisch. Mr. Anderson schnaupte verächtlich. "Wir müssen jetzt sowieso erstmal wieder das Wasser säubern". Überrascht, dass er mich hören konnte, blickte ich ihn an und stellte fest, dass er keine Kopfhörer trug. Wieso konnte die Sirene ihn nicht betören?

Bevor irgendwer mir weiter Beachtung schenkte, wurde eine riesige Maschine angestellt, anscheinend eine sogenannte "Filteranlage" für besonders viel Dreck auf einmal. Ich hätte ja versucht, irgendwie hier wegzurobben, wenn nicht überall Wachen um mich und im Zoo verteilt wären. Ich war kurz davor, ein Gebet an meinen Vater zu senden, doch ich wusste noch, dass in meinem Buch über Sirenen geschrieben stand, sie würden nur Landmenschen essen. Keinen vom Meeresvolk. Trotzdem hatte ich eine Heidenangst vor dem Ding da drinne.

  "Alles klar, bringt sie rein zu ihr", gab Mr. Anderson den Leuten per Handzeichen zu verstehen.
Das Gefäß wurde nahe ans Becken geschoben. Ich konnte die Sirene nirgends sehen, doch vermutlich versteckte sie sich hinter einem der meterhohen Felsensäulen. Man kippte mich hinein und ich fiel hilflos hinab. So schnell ich konnte, suchte ich mir selbst ein Versteck hinter den Felsen. Ich bemerkte bald darauf, dass die Wände um mich herum auch aus Glas waren. Landmenschen standen dort und beobachteten mich. Es war faszinierend wie sie alle aussahen.
  Schließlich tauchte ich zurück an die Oberfläche. Da hörte ich, wie Mr. Anderson sagte: "Die Sirene darf morgen zurück in ihr Becken. Erstmal muss sie bestraft werden!"

Mariella und das Herz des Ozeans Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt