»Evelyn! Hey! Hörst du mir überhaupt zu?!« Meine beste Freundin Zara saß neben mir und
gab mir unsanft einen Stoß in die Rippen. »Oh. Ähm. Nein, was hast du gesagt?«, fragte ich verlegen und stocherte lustlos in meinen Bohnen rum. Zara seufzte und fuhr dann fort: »Ich habe dich eben gefragt ob du Lust hast nachher shoppen zu gehen.« »Klar, gerne.«, ich lächelte. »Ich muss mir nämlich endlich noch eine Waffe zur Verteidigung gegen die Erun zulegen. Hast du schon eine?«, fragend schaute ich zu Zara, die genüsslich kaute. »Nee.«, sagte sie mit vollem Mund. »Ich brauch auch noch eine. Ich werde diesen bekloppten Erun mal ordentlich den Hintern versohlen!», sie sprang auf und ballte wie zum Beweis die Faust. »Ich auch.«, sagte ich leise drohend. Auch ich ballte die Faust. »Aber vielleicht sollten wir das nicht so rumschreien.«, sagte ich und zog Zara wieder auf ihren Platz. »Oh, stimmt.«, sagte sie leise und lächelte bedauernd. Erst neulich sind Zaras Eltern gestorben. Sie hatten sich gegen die Erun aufgelehnt. Sie waren Aufständische. Nicht sehr klug in unserer Zeit. Meine Eltern dagegen waren auf Geschäftsreise und würden erst in zwei Monaten zurückkommen. Ich war froh, dass sie in Amerika waren. In Sicherheit. Auch Zara und ich waren Aufständische, aber mit 17 Jahren lässt es sich noch gut verstecken. Allerdings ist erst letzten Monat ein Mädchen aus unserer Schule spurlos verschwunden. Wir vermuteten die Erun steckten dahinter. Seitdem hatte die Schule, zu unserer Freude natürlich, geschlossen. Über den Grund freuten wir uns aber selbstverständlich nicht. Ich schob den Teller Bohnen mit Kartoffeln von mir weg. »Och, ich hab keinen Hunger!«, sagte ich und seufzte. »Dann gib her.« Zara nahm meinen Teller und zog ihn zu sich. »Ich wunder mich immer wieder wie viel du doch essen kannst!« Ich lehnte mich an die Stuhllehne und lachte. Zara grinste und verschlang eine Kartoffel nach der Anderen. Wir waren bei mir zu Hause um 13.00Uhr. Ungewöhnlich für Jugendliche. Aber da ja die Schule geschlossen hatte und Zaras Eltern tot waren wird sie auch bald bei mir einziehen. Darüber freuten wir uns beide, sonst würde Zara nämlich auch zu ihrem Onkel nach Frankreich ziehen. Zum Glück hatten meine Eltern ihren Onkel überreden können Zara in das Gästezimmer ihr Reich zu gestalten. Zara überstand den Tod ihrer Eltern überraschend gut, worüber ich mich wunderte.Am Nachmittag dann fuhren wir mit meinem Auto zum Drumt-Park. Ein großes Shoppingcenter hier in Leipzig. Auf dem Weg summten wir ein paar Lieder aus dem Radio mit, bis wir dann schließlich den ziemlich leeren Parkplatz erreichten. »Soo, Aussteigen!«, rief ich und zog den Schlüssel. Erfreut sprang Zara auf und knallte die Autotür zu. »Tasche?«, fragte ich sie, woraufhin sie grinste und die Tür nocheinmal öffnete. Sie angelte sich ihre Tasche vom Autositz und kam dann wieder zu mir. Ich schloss ab und langsam plaudernd schlenderten wir zum Eingang. Es war bewölkt und ein wenig kühl. Dennoch zwitscherten die Vögel und es hörte sich an als würden sie einen Karaoke Wettstreit machen. Der Waffen Laden war nicht leicht zu finden, da die Erun natürlich keinen Wind davon bekommen sollten. Würden sie merken, dass sich Leute gegen sie auflehnen würden sie sie ausschalten. So wie auch Zaras Eltern. Zara und ich wanderten durch das Center, direkt zum H&M. Dieser hatte eine Geheimtür hinter einem Kleiderständer. Der Inhaber dieses H&M war ebenfalls ein Aufständischer, weswegen er es sogar einrichten konnte die Videoüberwachungskameras nicht auf diese Geheimtür zu richten. Somit konnten die Eingeweihten direkt in das Kellergeschoss des Drumt-Parks, welches natürlich nur Läden mit wirklich nützlichen Dingen gegen die Terroristen, die sogenannten Erun, ausgestattet war. Als wir uns sicher waren, dass uns niemand beobachtete schoben wir gemeinsam den Kleiderständer zur Seite und öffneten die kaum bemerkbare Tür. Als sie sich öffnete schlüpfte ich mit Zara dahinter. Schnell schoben wir den Kleiderständer wieder etwas näher zur Tür und schlossen dann diese. Vorsichtig tasteten wir uns die steile Treppe hinunter. Gut beleuchtet war es leider nicht, was es das Hinabsteigen der Treppe noch schwieriger gestaltete. »Oh mann ist das dunkel.«, flüsterte Zara mir zu und stieg eine weitere Stufe herunter. »Das stimmt wohl.«, raunte ich ihr zu und nahm ihre Hand. »Schau, davorne geht es raus.«, sagte sie und tatsächlich. Etwas weiter hinten wurde es heller und es schien dort in die große Halle zu gehen. Als wir dann schließlich aus dem dunklen Raum traten, staunten wir. Hier unten gab es viele Läden und so viele Besucher! Na ja, viel jetzt nicht gerade aber es waren deutlich mehr als im Erdgeschoss. »Wow..«, sagte Zara und klappte die Kinnlade hinunter. Mir blieb ebenfalls der Mund offen stehen. »Sieh mal, da hinten!« Ich deutete auf einen Laden, der hieß Kikis Verteidigungsgeschäft. »Dort müssten wir was in Sachen Waffen finden.«, sagte Zara. Und nach einer kurzen Pause sagte sie etwas leiser: »Ich werde diese Terroristen ausschalten.«, Ihre Augen blitzten. »Wir. Wir werden diese Leute ausschalten.«, sagte ich, ebenfalls drohend. Zara drehte den Kopf und lächelte mich mit feuchten Augen an. »Wir zusammen schaffen das.«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Ja. Wir beide.«, flüsterte ich und auch ich selbst musste mir die Tränen aus den Augen wischen. Nun wusste ich, Zara tat also doch härter als sie war. Sie hatte den Tod ihrer Eltern doch nicht so gut weggesteckt. Wer auch. Schließlich ist es hart seine Eltern zu verlieren. Sie stand ihnen zwar nicht besonders nah, aber dennoch. »Komm.« Zara und ich gingen dann mit vollem Ehrgeiz, Mut und Entschlossenheit zu dem Geschäft. Das Geschäft, in dem alles anfing.
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Ich rappelte mich auf. Noch im Halbschlaf sah ich auf den Wecker neben mir. 10.30Uhr zeigten die neongrünen Ziffern. Verschlafen rieb ich mir den Schlafsand aus den Augen. Ein Glück hatte die Schule heute zu. Die Ergun hatten sie in Anspruch genommen, da sie ein gegen sie feindliches Bild in einem der Klassenzimmer ausmachen konnten. Sie nahmen den Direktor fest und auch alle Lehrer erhielten eine Verwarnung. In Anbetracht der Umstände hielten es die übrigen Lehrer für vernünftig die Schule zu schließen. Jedem Schüler tat es leid, dass der Direktor in die Fänge der Erun gelangt war, aber kaum einer konnte sich die Freude über schulfrei verkneifen. Auch ich freute mich natürlich darüber. Vorallem über Ausschlafen. »Oh Mist!«, ich schlug mir mit der Hand auf die Stirn. »Ich sollte mir mal Ausrüstung zulegen!« Ich stöhnte und musste mir eingestehen, dass ich nicht sehr organisiert war. Schließlich braucht man als Aufständischer auch Waffen und Schutzkleidung. Ich schlug die Decke beiseite und ging die Treppe hinunter ins Bad. »Jason? Musst du nicht zur Schule?!«, erschrocken darüber mich noch hier zu sehen stand meine Mutter vor der Badezimmertür. »Mom!«, schrie ich mit der Zahnbürste im Mund. Ich verdrehte die Augen und spülte den Mund aus. »Mom, ich hatte doch mit dir darüber gesprochen. Die Schule hat doch zu!« »Ach jaaa!«, auch sie schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Ich hatte wohl diese Geste und auch das Chaotische von ihr geerbt. »Ich hau dann mal ab.«, sagte ich zog mir schnell frische Klamotten an und schnappte mir im Vorbeigehen noch meine schwarze Lederjacke. »Wo willst du hin? Möchtest du nichts essen?«, fragte meine Mutter. »Füße vertreten und keinen Hunger!« Ich nahm mir noch mein Portmannaie und war aus der Tür. Ich steuerte mit meinem Fahrrad direkt auf den Drumt-Park zu. Er lag nicht weit von unserem zu Hause entfernt und somit konnte ich ihn leicht mit Fahrrad besuchen. Unser Nachbar Thomsen hatte mir von einem Geheimgang erzählt. Von einem Geheimgang zum Kellergeschoss des Drumt-Parks. Er erzählte mir in dieser natürlich streng geheimen Etage des Shoppingcenters würde es Geschäfte und auch einen Treffpunkt für die Aufständischen geben. Somit musste ich ihn auch besuchen. Ich schloss mein Fahrrad am Hintereingang an, da der H&M, so hatte Thomsen es beschrieben, den geheimen Eingang barg und näher an diesem Eingang lag.