Kapitel 4

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~Vier Wochen später~ 

Sonnenstrahlen blendeten mich und ich öffnete die Augen. Ich schaute auf mein Handy, es war 12:30 Uhr an einem Montag und Mum und ich waren beide noch nicht aufgestanden. Seit Wochen hatte es mich nicht mehr interessiert welcher Tag es war, wie spät es war, seit Wochen hatten wir uns nicht mehr richtig fertiggemacht und lagen die meiste Zeit im Bett rum und seit Wochen raubten meine Alpträume oder die meiner Mum mir den Schlaf. Unser Haushalt blieb auf der Strecke und wir aßen das, was unsere Nachbarn oder meine Großmutter uns brachten. Ich war von der Schule freigestellt worden und Mum von der Arbeit. In unserem Haus war kein Leben mehr, es war tot. Ich fühlte mich vollkommen leer und emotionslos. Ich konnte im Gegensatz zu Mum auch nicht weinen, ich war nicht traurig. Ich war nicht glücklich, ich war nichts. Ich war ein Nichts. Ich wusste nicht, ob ich müde war, Hunger hatte, ich wusste nicht mehr, ob mir etwas schmeckte oder nicht. Ich war so distanziert von meiner Umgebung, dass sich alles bedeutungslos und sinnlos anfühlte. Ich stellte meine eigene Existenz in Frage. Alles um mich herum schien mir unreal, auch die Konversationen mit meinen Freunden und meiner Familie. Das Schlimmste war, sie lebten weiter. Sie lebten einfach weiter, als wäre nichts passiert. Meine Freundinnen kamen zu mir her, umarmten mich, drückten ihre tiefe Trauer aus, einige von ihnen weinten auch und sahen ab und zu nach dem Rechten. Aber dann stiegen sie in ihr Auto und fuhren zurück zu ihrem Haus, zurück in ihr gottverdammt perfektes Leben und kümmerten sich um andere Dinge. Die ersten Tage dachten sie durchgehend an mich,  schrieben mir ständig Nachrichten oder riefen mich an, dann meldeten sie sich nur noch ab und zu und irgendwann gingen sie wieder in die Schule, betranken und bekifften sich,  ohne auch nur noch einen einzigen Gedanken an meine Schwester zu verschwenden. Warum sollten sie auch. Caroline war anders, sie kam fast jeden Tag vorbei und interessierte sich wirklich dafür, wie es mir ging. Auch wenn ich nicht wirklich mit ihr über meine Gefühle reden konnte, war ihre Anwesenheit so viel Wert, denn ich konnte einfach nur mit ihr daliegen, stundenlang ohne ein Wort sagen zu müssen und sie hätte mich nie verurteilt. Außerdem wusste ich, dass sie der Tod meiner Schwester auch sehr mitnahm, weil Zoe für sie auch irgendwie wie eine kleine Schwester war, so oft wie die beiden sich sahen, wenn Caroline hier war. "Caroline?". "Ja,?" "Du kannst auch ruhig was erzählen, ich antworte vielleicht nicht unbedingt, aber ich habe dich in den letzten Wochen nie gefragt wie es dir ging oder wie es mit dem Adam läuft." Sie drehte sich zu mir und sah mich mit ihren großen Augen an. Caroline hatte wunderschöne Augen, ihre Pupillen waren außen rum dunkelbraun und wurden nach innen immer heller, in der Mitte waren sie fast schon orange. Generell war sie einfach wunderschön, mit ihren langen dunkelbraunen Haaren, ihrer perfekten makellosen Haut und ihrer Bombenfigur. Mal ehrlich, ihre Proportionen waren biologisch eigentlich unmöglich zu erklären und ich wusste, dass jedes Mädchen aus unserem Jahrgang töten würde, um so auszusehen wie sie und jeder Junge töten würde, um mit ihr zusammen zu sein. Die Jungs liefen ihr reihenweise hinterher und es konnte daher ziemlich anstrengend sein, wenn wir zusammen unterwegs waren, weil sie sich vor dummen Anmachsprüchen und Pfiffen kaum halten konnte. Das Besondere an Caroline war allerdings, dass sie dass sie diese Aufmerksamkeit ganz und gar nicht genoss und für jeden dummen Spruch die passende Antwort parat hatte. Wenn sie sich aufbrezelte, dann nur für sich selbst, sie wollte selten irgendjemanden beeindrucken und es war ihr so ziemlich egal, was andere Menschen von ihr dachten. Sie könnte mit den heißesten und beliebtesten Typen der Schule zusammen sein, wenn sie wollte und trotzdem hatte sie sich für Adam entschieden- das liebte ich an ihr. Nicht dass Adam nicht gutaussah, aber er war eben auf dem ersten Blick ein gewöhnlicher, schüchterner Typ von nebenan und erst, wenn man ihn besser kennenlernte, kamen all seine interessanten Seiten zum Vorschein. Die beiden hatten sich im November im CANt kennengelernt. Von dem Tag an, als Adam anfing dort Popcorn in Eimer zu schaufeln, war Caroline Feuer und Flamme und ich ging mit ihr mehrmals die Woche ins Kino, nur damit sie Adam sehen konnte. Caroline erstellte eine Liste mit allen Filmen, die zu dem Zeitpunkt im Kino liefen und immer wenn wir alle Filme geschaut hatten, fingen wir wieder von vorne an. Leider brauchte Adam ziemlich lange um zu verstehen, dass wir keine Freaks waren, die aus Spaß alle Filme mehrmals anschauten, sondern, dass es dabei um ihn ging, sodass wir, bis die beiden offiziell ein Paar waren, das Kinoprogramm ungefähr 10 mal durchgeschaut hatten. Adam und Caroline passten unglaublich gut zusammen, sie waren nicht nur ein Paar, sondern auch beste Freunde. Und Adam war mittlerweile auch wie ein Bruder für mich. Seit die beiden zusammen waren, unternahmen wir ständig etwas zu dritt, stiegen in Adams Cadillac und fuhren irgendwo hin, ohne ein Ziel zu haben. Meistens landeten wir am Strand, hörten mit Adams eigenständig eingebauter Soundanlage Musik von Red Hot Chili Peppers und rauchten einen Joint. Manchmal gingen wir auch schwimmen, auch wenn es schon spät und das Wasser eiskalt war. Auf dem Rückweg hielten wir oft bei JOE's an und kauften Milkshakes oder warme Apfeltaschen zum Mitnehmen. Meine Schwester Zoe liebte diesen Laden und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr immer einen Milkshake mit nach Hause zu bringen- einen DoubleChocolateCherry mit extra viel Sahne. Egal wie spät es war, ich kaufte immer einen für sie mit und wenn sie schon schlief, dann stellte ich ihn in den Kühlschrank und klebte einen kleinen Notizzettel mit ihrem Namen dran, sodass Mum ihn ihr am nächsten Morgen zum Frühstück gab. Das war der Himmel auf Erden für sie. Manchmal nahmen wir Zoe sogar mit, wenn es noch früh war, weil sie den Strand und das Meer liebte. Und immer wenn sie sah, wie verliebt Caroline und Adam waren, wie er sie auf Händen zum Wasser trug und sie dabei lauthals lachte, sah sie mich mit ihren kastanienbraunen Augen an, lächelte leicht, sodass ihre Zahnlücken zu sehen waren und sagte zu mir: "Esme, warum hast du keinen Freund, du bist sooo hübsch." Und nie fiel mir eine passende Antwort ein, also lächelte ich nur. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 15, 2020 ⏰

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