Sommerregen

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Regentropfen. Wie Perlen, so klar und hell. Eine Perle reiht sich an die andere. Der Anfang eines sommerlichen Gewitters, nach einem heissen Tag. Die ersten Tropfen netzen den vom Tag aufgeheizten Boden. Etwas neues kommt hinzu. Das Wetterleuchten zittert silbern fein am Horizont. Tiefes Grollen. Noch ganz leise, erst in der Ferne,Donner. Das Gewitter nähert sich. Die Perlen folgen einander immer schneller, immer zahlreicher, bis sie sich von Perlen in Peitschen verwandeln. Grelle Blitze kreischen, der Donner der ihnen immer schneller folgt wird bedrohlich lauter. Die Welt besteht nur noch aus Getöse...

Die Tür ging auf und Noam fuhr erschrocken vom Klavierhocker auf. Sie war ganz ausser Atem, ihr Puls ging schnell. In der Tür stand ihre Mutter.

"Noam, Liebes, komm etwas essen.", lächelte sie.

"Mutter Maria!", Noam funkelte sie aus wütenden Augen an, "Du weisst doch ganz genau dass ich es hasse, beim Klavier spielen gestört zu werden! Du hast mich aus dem Fluss gebracht, die ganze Spannung und Energie ist weg!"

"Entschuldige, Schätzchen, aber du bist schon den ganzen Morgen am Spielen. Hast du überhaupt gefrühstückt?! Komm jetzt, ich habe extra gekocht."

Als Noam über ihrem Teller Lasagne sass, bedauerte sie wieder einmal sehr, nicht ausziehen zu können. Doch die Bedingungen ihrer Eltern waren in diesem Fall klar: Wenn sie am Konservatorium Klavier studieren wollte, musste sie bei ihnen wohnen bleiben. Ihr blieb also keine Wahl und sie musste sich weiterhin von ihrer Mutter wie ein kleines Kind behandeln lassen.

"Ich treffe mich später noch mit Floh. Wir gehen in die Stadt."

Ihre Mutter schaute irritiert von ihrem Teller auf:

"Um was zu machen?"

Noam zuckte die Schultern. "Nichts. Ich wollte dich bloss informieren."

"Hast du denn nicht noch etwas wenig Klavier geübt? Du weisst, die Aufnahmeprüfung ist schneller da als man denkt."

Noam verdrehte genervt die Augen.

"Zuerst holst du mich vom Klavier weg und dann willst du mir verbieten, etwas anderes zu tun. Ich hab das schon im Griff."

Ihre Mutter glättete eine Falte im peinlich sauberen Tischtuch und bemerkte stirnrunzelnd: "Da bin ich mir nicht so sicher."

Noam, die jetzt endgültig genervt war, ignorierte die Bemerkung ihrer Mutter, nahm sich ihre Jacke und ging. Sie musste unbedingt mit Floh reden.

Meine Welt-mein Klavier?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt