1| Falling

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What if I'm someone I don't want around? ❝ ~ Harry Styles

Adeline Lacombe wälzte sich in ihrem weichem Bett verschwitzt zur Seite und strampelte die dicke Decke, die nur noch ihre Beine verdeckte, hektisch zur Seite

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Adeline Lacombe wälzte sich in ihrem weichem Bett verschwitzt zur Seite und strampelte die dicke Decke, die nur noch ihre Beine verdeckte, hektisch zur Seite. Obwohl die Temperatur in ihrem Zimmer dank des milden Frühlingwetters in Worcester angenehm war, war ihr furchtbar heiß. Außerdem bekam sie keine Luft mehr. Stundenlang hatte sie versucht endlich in den Schlaf zu finden, doch die wenigen Minuten Schlaf, die sie bekam, erlitt sie stets denselben Albtraum. Immer und immer wieder fand sie sich in diesem dunklen schwarzen Loch nieder, in dem stickige Luft herrschte und sie vollkommen eingeengt war. Sie schlug mit ihren Ellenbogen um sich und verschlimmerte dadurch ihre Situation, da nun dicke Erdbrocken auf sie herabregneten und ihre Nase sowie ihren Mund verstopften. Sie hatte längst aufgegeben, mit ihren Augen die Umgebung zu erforschen, da sie in dieser unfassbaren Dunkelheit nicht einmal ihre Hände vor dem Gesicht erkennen konnte. Und da sie nun zum dritten Mal in Folge diesen Traum hatte, wusste sie ganz genau wo sie sich befand und was geschehen würde. Nicht, dass sie etwas daran ändern konnte. Also gab sie es schnell auf sich aus dem Grab, das nicht ihr gehörte, zu befreien, schloss die Augen und wartete darauf, dass ihr der Sauerstoff ausging. Ihre Glieder begannen bereits zu kribbeln und ihr Körper wurde von einem Husten durchrüttelt, den sie nicht rauslassen konnte, da sämtliche Atemwege mit dieser feuchten und von Insekten besehenen Erde gefüllt waren. Es war kein Licht, dass sie erwartete, als ihr Körper endlich zum erliegen kam. Nur eine noch schwärzere, unendliche Dunkelheit.

Stöhnend öffnete Adeline die Augen und verschloss sie gleich wieder, als sie das zerkratzte Display ihres vibrierenden Handys erkannte

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Stöhnend öffnete Adeline die Augen und verschloss sie gleich wieder, als sie das zerkratzte Display ihres vibrierenden Handys erkannte. In voller Lautstärke ertönte Ed Sheerans Shape of you und sorgte dafür, dass sie die letzten Reste des verworrenen Albtraums, der sie in den letzten Tagen ständig heimsuchte, hinter sich ließ. Sie drehte sich in ihrem weichen, aber kleinen Bett auf die andere Seite. Am liebsten würde sie sich wieder in ihre Bettdecke kuscheln und versuchen einzuschlafen, doch sie wusste, dass sie scheitern würde. Außerdem war es bereits 6:07 und wenn sie ihre Schicht im B&B pünktlich um 7:00 antreten wollte, musste sie sich nun wirklich beeilen. Sie stieg über das lange schwarze Kleid, das sie vor einer Woche achtlos auf den Boden geschmissen hatte, bevor sie sich in ihrem Bett eingerollt und für einige Tage die Welt um sich herum ausgeblendet hatte. Sofort hatte sie einen Kloß im Hals und jeder ihrer Bewegungen fühlte sich gezwungen an. Doch sie durfte nicht so klein beigeben, wie sie es letzte Woche getan hatte. Für eine Person musste sie stärker sein, als sie es gerade für sich selbst sein konnte. Deshalb vertrieb Adeline die dunklen Gedanken aus ihrem Kopf, biss die Zähne zusammen und machte sich fertig für die Arbeit. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ihre Gedanken zurück zu ihrem Albtraum wanderten, nachdem sie sich an einem Apfel verschluckte und kurz das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.

Im B&B, in dem Adeline arbeitete, war an diesem Donnerstag-Vormittag so viel los, dass sie nicht viel Zeit hatte, um herumzugrübeln. Schon davor hatte sie ihre Arbeit in dem abgelegenen, aber ziemlich renommierten Bed und Breakfast geliebt. Nicht nur, weil sie hier sehr gut bezahlt wurde und somit jedes Jahr für die Kosten ihres Psychologiestudiums aufkommen konnte. Das altmodisch eingerichtete Backsteinhäuschen hatte eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die sehr beruhigend auf sie wirkte. Überhaupt fühlte es sich hier stets so an, als würde die Zeit ein kleines bisschen langsamer vergehen. Adeline hatte den ganzen Morgen damit verbracht, die 8 Zimmer, die das B&B beherbergte, zu reinigen und desinfizieren. Obwohl die meisten Gäste höheren Alters und zugegeben ein wenig spießig waren, hieß dies leider nicht, dass sie hinter sich her räumten. Doch jetzt, wo es sich nur ein Ehepaar im Salon gemütlich gemacht hatte und auf sein Taxi wartete, war das Schlimmste erledigt und sie konnte ihre Mittagspause genießen. Sie stieg die knarrenden Treppen hinab, die hinauf zu den Zimmern führten, durchquerte den hellen Salon und legte im Flur vor der Küche den Putzlappen ab, den sie die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Dann streckte sie sich und wartete auf das Knacken ihrer Gelenke, das die Lösung ihrer Schulterverspannung versprach. Anschließend holte sie tief Luft und setzte ein leichtes Lächeln auf. Wie immer war Henry in seine Arbeit auf dem Herd versunken und bemerkte sie nicht. Allerdings erkannte sie auf dem ersten Blick seine veränderte Haltung.
Vor zwei Wochen stand er aufrecht und stolz am Herd und gab mit seinen Kochkünsten an. Jetzt ließ er den Kopf sinken, sodass goldene Haarsträhnen sein Gesicht verdeckten. Dazu stützte er sich immer wieder an der Theke ab, als würde er eine große Last mit sich herumschleppen. Bei ihrem leisem Räuspern fuhr er so nervös herum, wie jemand, der sich für einen Angriff wappnete.
»Ich bin es nur.«, sagte Adeline so unbefangen wie möglich und lächelte noch etwas breiter. In Henrys Gesicht flackerte ein kleines Lächeln auf. Eine Erinnerung daran, wie groß sein Grinsen gewesen war, bevor seine Welt vor zwei Wochen zusammengebrochen war. Er hatte dunkle Schatten unter seinen blutunterlaufenen Augen und war noch blasser als sonst. Sie schaute ihm eine Weile dabei zu, wie er geschickt das heiße Wasser aus dem großen Topf mit Spaghetti laufen ließ und begann dann den kleinen Holztisch in der Mitte der Küche für zwei Personen zu decken. Als sie fertig war, rundete Henry zwei Teller Spaghetti Bolognese mit viel Parmesan ab. Unerwartet knurrte ihr Magen laut. Henrys Lippen verzogen sich zu einem weiteren zögerlichen Lächeln und er setzte die beiden Teller auf dem Tisch ab.
»Guten Appetit!«, wünschte ihm Adeline hastig und begann dann zu essen. Sie musste sich zurückhalten, um nicht dramatisch aufzuseufzen und ihre Augen zu verdrehen, wie sie es normalerweise getan hätte. Henry runzelte die Stirn, sobald er ihre fehlende Reaktion zur Kenntnis nahm. Er räusperte sich.
»Weißt du... Du musst nicht... Ich kann...«, er schluckte und ein Schatten fuhr ihm über die Augen.
»Du brauchst mich nicht zu verschonen.«, murrte er dann knapp und sah wieder hinunter zu seinem Teller. Entgegen seiner Worte hatte er bis jetzt nur das Essen auf seinem Teller hin und her geschoben und nichts herunterbekommen. Genauso wie in den letzten Tagen, an denen sie hier gemeinsam gesessen hatten. Adeline wusste nicht, was sie sagen sollte. Nicht nur seinetwegen benahm sie sich anders. Auch sie hatte sich in den letzten Tagen verändert. Jedes Mal, wenn sie nicht daran dachte und für einen kurzen Moment unbeschwert war, überkamen sie heftige Schuldgefühle und sie wünschte sich zurück unter ihre Bettdecke, wo sie sich vor allem verstecken konnte.
Beklommen griff sie nach seinen eiskalten Händen und zwang ihn somit dazu, ihr in die Augen zu sehen.
»Ich vermisse sie auch.«, flüsterte sie leise und sah dabei zu, wie sein neutraler Gesichtsausdruck in sich zusammenbrach. Henry blickte sie resigniert an und fuhr sich verzweifelt und wütend über das Gesicht. Danach holte er tief Luft und drückte ebenfalls ihre Hände.
»Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich will trauern, aber... ich kann nicht.«
»Du wirst es bald können«, versprach sie ihm. Als er ihr tief in die Augen blickte, um sich zu vergewissern, dass sie die Wahrheit sprach, musste sie ihre ganze Kraft aufwenden, um nicht wegzuschauen. Adeline drückte seine Hände nochmal, bevor sie sie losließ und wieder ihre Gabel in die Hand nahm.
Sie dachte daran, dass sie selbst seit Tagen keinen Schlaf mehr gefunden hatte und schaufelte sich eine volle Gabel Spaghetti Bolognese in den Mund, sodass sie nicht noch mehr von sich geben konnte.

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