Kapitel 4

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Heute Morgen hatte ich kurz das Gefühl, du hättest den Ringfinger deiner linken Hand ein winziges Stück bewegt. Der Arzt sagt, dass ich mir das eingebildet haben muss, da die Aufzeichnungen auf dem Elektrokardiogramm sonst ganz anders ausgesehen hätten. Ich weiß nicht. Er hat sicher recht, aber irgendwie -
irgendwie glaube ich nicht, dass das pure Einbildung war.

Jetzt ist es genau Zwanzig Uhr Sechsunddreißig. Am 30. Dezember. Morgen ist der letzte Tag des Jahres, und wir beide werden wohl kaum etwas davon mitbekommen.
Du, weil du schlafen wirst, so wie jeden Abend um Zwanzig Uhr Sechsunddreißig. Wie jeden Morgen, jeden Abend, jede Nacht und jeden Tag. Und das seit 27 gottverdammten Monaten.

Ich, weil ich neben dir sitzen und deine Hand halten werde, so wie jeden Tag um Zwanzig Uhr Sechsunddreißig. Wie jeden Morgen, jeden Abend, jede Nacht und jeden Tag.
Wir werden nicht dem Knallen der Zündkörper zuhören, noch die bunten Raketen am hell erleuchteten Himmel beobachten.

Ich werde dem ewigen, gleichmäßigen Piepen der Geräte lauschen, und die rote Linie, die deinen Herzschlag anzeigt, anstarren.
Es ist alles, was mich noch bei Besinnung bleiben lässt.

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