Kapitel 1

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Es ist Mittwoch und ich sitze an meinem PC, um meine Liedtexte endlich fertig zu schreiben. David geht mir bereits seit Wochen damit auf den Sack, da sein Auftritt immer näher rückt. Er soll sich darauf nix einbilden. Er und seine Junkiefreunde knallen irgendwelche gut versteckten Cover in ihre Instrumente und halten sich für die neue Sensation am Rockhimmel. Sie nennen sich 'Flaming Skull' und existieren seit bereits drei Jahren; seit den Abschluss dieser fünf Vollpfosten. Nur Drogen, Party und die Gier nach Ruhm im Kopf; wie mich das ankotzt. Wieso nur habe ich mich damals darauf eingelassen, ihnen Texte zu schreiben? Wegen des Geldes? Erfolgserlebnis? Anerkennung? Weil David mega süß ist? Ich habe keine Ahnung; es ist einfach so und ich habe meine Deadline einzuhalten, sonst heißt es wieder, dass ich schuld sei am Misserfolg dieser 'Band' und auf diese Diskussion, die wir mindestens zweimal im Monat führen, kann ich echt verzichten.

Während ich einige Reime auf meinem Notizblock kritzel, vibriert plötzlich mein Handy und ich schaue nach. Es ist eine WhatsApp-Nachricht von meinem Exfreund Andre. Ein genervtes Stöhnen drückt sich aus meiner trockenen Kehle. Was er wohl wieder will? Entweder will er mir wieder unter die Nase reiben, wie er eine geile Barschlampe sah, aber es durch seine elende Feigheit es nicht gepackt hat, mit ihr zu reden. Oder aus Frust will er wieder einmal mich darum bitten, für ihn die Beine breit zu machen. Um ehrlich zu sein, er sieht nicht schlecht aus, aber er reizt mich schon länger nicht mehr. Am Anfang, als wir frisch getrennt waren und die Sexbeziehung anfing, hatte es noch Spannung und einen gewissen Kick. Doch nach fast zwei Jahren hat man die Nase voll, immer das selbe Gericht zu essen. Na gut, ich tue ihn den Gefallen und schaue wenigstens nach, was los ist. Nicht, dass er auf die Idee kommt, mich wegen Ignoranz zu zu spamen.

-Hey Zoey! Wie gehts dir? Rate mal, wen ich gerade zufällig in der U-Bahn begegnet bin :)

Nicht schon wieder. Jedes Mal diese selben Anfangssätze und dann eine mehr als selten dämliche Frage. Woher soll ich bitteschön wissen, wen er gesehen hat? Sein Viertel ist nicht gerade klein und da er auch noch alle drei Tage zum Training und täglich zur Arbeit fährt, könnte er sogar die Merkel gesehen haben. Desinteressiert tippe ich auf meinem Handy herum.

-Keine Ahnung, wen denn?
-Tom. Er wohnt noch immer in meiner Nähe und ich habe mit ihm gerade gequatscht. Er hat endlich ne eigene Wohnung, cool oder?

Als ich die drei Buchstaben sehe, schnürt sich mein Herz zusammen und ich spüre, wie ich leicht zittere. Tausend Bilder und Gedanken schießen mir durch den Kopf. Tom. Ich habe ihn seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen. Um genau zu sein, nicht mehr seit der Trennung von Andre. Als ich noch den Trennungsschmerz hatte und wir miteinander geschrieben haben, hat er mich damals einfach allein gelassen. Ich glaubte, ich könnte mich wenigstens ein bisschen bei ihm ausheulen, aber er war anderer Meinung.

Bruder vor Luder. Vor allem bei der Exfreundin des Kumpels.

-Zoey? Bist du noch da?
-Ja, sry. Musste eben kurz auf Klo XD
-Achso na dann XD Sag mal, ist es möglich, dass du ihn auf WhatsApp entblockst?
-Wieso das denn?
-Er hat mit mir geredet und sich auch über dich erkundigt. Er meinte, er wolle mit dir wegen damals reden.

Reden? Nach zwei Jahren? Er war doch der, der den Kontakt abbrach und mich zurück liess. Als ich mich daran zurück erinnere, steigt in mir eine Mischung aus Wut und Freude auf. Ja, ich bin wütend und enttäuscht. Jedoch freue ich mich, dass er sich nach so langer Zeit sich noch an mich erinnert und tatsächlich sich mit mir verbinden will. Nein Zoey! Das ist nur wieder eine Falle und er wird dir wieder weh tun! Du hast ihm damals gesagt, dass du ihn nie wieder sehen willst, also bleib auch dabei! Obwohl...was ist, wenn es doch keine Falle ist? Vielleicht hat er seinen Fehler eingesehen. Oder er war damals selbst überfordert damit und wollte Missverständnisse vermeiden. Dieses bekannte Klischee von dem Mädchen, das verlassen wird und dem jungen Mann, der sie tröstet und am Ende passiert was zwischen ihnen. Ich schüttel den Kopf, um diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.

-Ich überlege es mir, ok? Ich kann aber nichts versprechen

Damit schalte ich mein Handy auf Standby und lege es auf meinem Schreibtisch. Seufzend wische ich mit beiden Händen über mein Gesicht und reibe mir den Sand aus den Augen. Als ich auf die rot-leuchtenden Zahlen meiner Digitaluhr schaue, senke ich erschöpft meine Arme. 2 Uhr morgens. Zum Glück habe ich heute keine Schicht. Erstmal einen Kaffee und dann weiter schreiben. Ich gehe zur Küche und kippe mir die heiße Brühe in meine schwarze Lieblingstasse von der Band 'Nickelback'. Ich weiss gar nicht mehr, wie lange ich diese Tasse besitze, aber ich habe sie immer gehütet, wie einen Schatz. Niemand außer mir durfte sie benutzen; darauf habe ich immer extremst geachtet, wenn ich Besuch hatte. Als ich mich wieder auf das schwarze Leder meines Bürostuhls setze und merke, wie meine nackten Beine bei diesem Gefühl kribbeln, lese ich meinen Text durch, den ich seit fünf Wochen oder so zusammen schuster. Bei jedem Schluck des Kaffees schweift mein Blick für einen Moment auf mein Handy. Soll ich ihn wirklich entblocken? Was wird er wohl dann sagen? Was werde ich sagen? Am liebsten hätte ich diese Nachricht nie bekommen, denn es beschäftigt mich viel mehr, als es sollte. Ein Blick auf meine Uhr. Halb 3. Ich sitze seit einer halben Stunde an einer Tasse Kaffee? Der müsste doch bereits eiskalt sein. Als ich in meine Tasse sehe, bemerke ich, dass diese bereits leer ist. Habe ich wirklich mehrmals an einer leeren Tasse genippt? Ich muss echt in Gedanken versunken sein. Besser, ich nehme eine ordentliche Dusche. Langsam schleppe ich mich aus dem Stuhl, Richtung Schrank und hole frische Wäsche heraus. Socken, einen Slip und ein lockeres Shirt. Eigentlich würde ich mich dick anziehen, doch es ist so ungewöhnlich warm, obwohl es noch Winter ist, und der Kaffee hat mich auch aufgewärmt. Auf die Gefahr hin, dass ich mich erkälte, gehe ich ins Badezimmer und ziehe mich vor meinem Ganzkörperspiegel aus, während die Duschbrause bereits läuft.

Brennende BegierdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt