Donnerstag, 26. Februar 2015 - 6.45 Uhr
Die ersten Sonnenstrahlen des Tages erhoben sich hinter dem riesigen Gebirge der Wasatchkette am Rande Salt Lake Citys. Es waren kaum Wolken am Himmel zu erkennen, und die Sonne warf einen warmen Orangeton auf die erwachende Stadt. Schon jetzt waren jede Menge Lastwagen und PKWs auf den Straßen unterwegs und verpesteten die klare Gebirgsluft mit dem Gestank der Abgase, hinzu kamen die Rauchschwaden aus den großen Fabrikschornsteinen. An den Straßenrändern sah man noch einzelne kleine Schneehaufen, die letzten Überbleibsel des Winters, die sich langsam in eine graue, matschige Pampe verwandelten. Der Ostwind an diesem Morgen wehte eisige Böen vom Salzsee heran. Einer der Lastwagenfahrer, der zusammen mit zwei weiteren jungen Männern seinen Wagen belud, hatte seinen Kragen so weit hochgezogen, dass nur noch seine Augen unter einer dicken schwarzen Schirmmütze hervorguckten.
Tom Peers saß auf dem Beifahrersitz eines schwarzen Ford Transit, der gerade in der Prospect Street vor einem Wohnblock zum Stehen kam. Er musterte das Gebäude, sah nach der Beleuchtung in den Fenstern. Kurz darauf nahm er das Funkgerät zur Hand, das in der Mitte der Ablage klemmte.
„Wagen 22-18. Wir sind jetzt in der Prospect Street und bereiten uns auf den Zugriff um Null-Siebenhundert vor. Bitte um Freigabe", meldete er dem Polizeipräsidium. Ein kurzes Rauschen folgte.
„Bestätigt. Zugriff um Null-Siebenhundert. Viel Erfolg", antwortortete ihm eine blecherne Männerstimme. Tom strich sich mit der Hand über die kurzen schwarzen Haare und spielte in Gedanken die vor ihm liegende Situation durch. Er tastete noch einmal seine kugelsichere Weste ab, die er unter einer schwarzen Jacke mit der Aufschrift SLCPD trug, und überprüfte, ob alles an seiner Stelle saß. Dies war sein Ritual vor jeder Verhaftung, schließlich konnte keiner von ihnen voraussehen, ob es nicht plötzlich zu einer Schießerei kommen würde. Wenn es geschah, dann musste alles an seinem Platz sein.
„Hast du alles, Tom?", fragte ihn Kruger, der Polizist am Steuer.
„Klar, alles am Mann", antwortete er ihm in ruhigem Tonfall. Reynolds, der dritte Polizist, saß auf der Rückbank. Er war einige Jahre älter als die beiden Ermittler und besaß im Gegensatz zu ihnen nur den Rang eines Officers, dennoch begleitete er sie meist, wenn es um wichtige Verhaftungen ging. Auch ihm stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben.
„Du bist dir sicher, dass wir ihn hier erwischen? Wir haben keine Zeit für Irrtümer, die Frau ist bereits seit drei Wochen vermisst und es gibt nicht das geringste Lebenszeichen von ihr", tönten Reynolds' skeptische Worte durch den Wagen. Tom wusste, dass Reynolds schon immer Probleme damit gehabt hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt, weil Tom zehn Jahre jünger war als er und ihm der Erfolg nur so zuflog. Tom war Sonderermittler in Vermisstenfällen und beschritt mit gerade einmal zweiunddreißig Jahren eine vielversprechende Karriere, in der er bislang jeden einzelnen seiner Fälle mit einem positiven Ausgang abgeschlossen hatte. Doch Reynolds Problem hatte nicht mit Toms Kompetenz zu tun, sondern mit seinem Alter. Denn Reynolds war zweiundvierzig, ein erfahrener Polizeibeamter und nicht gerade erfreut darüber, von einem Jungspund, wie er ihn immer nannte, Befehle entgegenzunehmen.
„Ben, ich kenne die Details und ich habe nicht vor, diesen Fall gegen die Wand zu fahren. Ich habe alles fünfmal untersucht. Die Spuren führen eindeutig hierher. Marty Webkin, Apartment zehn in der Prospect Street. Ich sage dir, dass er hundertprozentig weiß, wo wir Jodi Hedge finden können", betete Tom ihm die Eckdaten klar und deutlich herunter. Dabei verkniff er sich einen bitterbösen Kommentar.
„Wollte nur sichergehen", erwiderte Reynolds. Kruger sah in den Rückspiegel.
„Jetzt arbeiten wir als Team. Also sollten wir uns alle zusammenreißen", betonte er das letzte Wort und sah dabei mit einer steinernen Miene in den Rückspiegel. Kruger kannte Toms Vorgehensweise. Er veranlasste keine Verhaftung, wenn er sich nicht sicher war, dass sie den Richtigen schnappen würden. Sie arbeiteten des Öfteren zusammen und unter Toms Leitung hatten sie bisher jeden Fall lösen können.
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Das Blut der Krokodile
Mystery / ThrillerAlles beginnt mit einem Erdbeben in der salzigen Wüste Salt Lake Citys. Tom Peers, ein junger und ausnahmslos erfolgreicher Detective, arbeitet im Vermisstendezernat der Polizei von Salt Lake City. Er besitzt einen außergewöhnlichen Instinkt bei der...