Chili

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Ich sitze an unserem Esstisch und warte. Ich warte auf Palle, der sich in der Küche verschanzt hat, weil er um jeden Preis verhindern will, dass ich das Schlachtfeld dort sehe. Dabei kann ich es mir schon richtig gut vorstellen. Die Küche der WG, in der ich inzwischen heimlich mitwohne, und mit hundert Töpfen, die bereits überlaufen und brodeln und Paluten mittendrin.

"Achtung!", reißt mich mein Freund da aus meinen Vorstellungen. Er kommt aus der Küche gestürmt und balanciert eine große Pfanne. Schnell stellt er sie auf den Tisch und sieht mich ziemlich stolz an. "Boah, ist die schwer", schnauft er und lässt sich auf den Stuhl gegenüber von mir nieder. Ich schiebe ihm meinen Teller hin und er schöpft mir aus der Pfanne, in der das Chili noch dampft. Wenn man es Chili nennen kann. Aber dazu gleich.

Palle hat darauf bestanden, zu unserem ersten Jahrestag zu kochen und ich habe nachgegeben, in der Hoffnung, das Essen würde schmecken. Denn als Koch ist mein Freund noch nicht so beliebt. Auch jetzt riecht das Chili etwas eigenartig und sieht auch aus wie schonmal gegessen, aber ich entschließe mich dazu, abzuwarten. Vielleicht schmeckt es doch besser, als es riecht.

Inzwischen hat auch Palle etwas von dem 'Chili' auf dem Teller. Wohlbemerkt weniger als ich. Er greift nach dem Löffel und sieht mich erwartungsvoll an. "Guten Appetit, Manu. Ich liebe dich", sagt er und ich schiebe vorsichtig meinen Löffel in das Chili.

Das Chili schmeckt nicht, wie es riecht. Es schmeckt auch nicht schlimmer, wie es riecht. Es schmeckt viel schlimmer als es riecht, und um ehrlich zu sein, kann ich nichtmal annähernd Chili darin erkennen. Ich würge das Bisschen in meinem Mund irgendwie herunter und schaue zu Paluten, der aussieht, als müsse er gleich kotzen. Der Löffel liegt schon wieder neben seinem Teller und er schluckt mühsam. "Ähm, Palletchen? Ich liebe dich zwar auch, aber das schmeckt echt... Naja...", ich suche nach dem richtigen Wort, ohne ihn zu verletzen, doch er nickt schon verstehend und greift nach seinem Wasser. Er gurgelt einmal heftig und lächelt mich dann verlegen und auch etwas traurig an.

"Das schmeckt wirklich scheiße. Ach man. Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben. Ich dachte, es wäre schon, wenn ich es mal hinkriegen würde. Zu unserem Jahrestag. Tut mir leid", sagt er etwas niedergeschlagen und schiebt seinen Teller demonstrativ von sich.

Wir tragen beide unsere Teller in die Küche, in der wir sie in den Müll kippen und ich nutze die Gelegenheit, in der Palle etwas traurig in den Müll guckt, um ihn an mich zu ziehen.

"Hey." Ich hebe sanft sein Kinn und zwinge ihn, mich anzuschauen. "Es freut mich total, dass du heute für uns Kochen wolltest. Das ist echt süß von dir. Danke", und dann drücke ich ihm einen Kuss auf, den er überrascht erwidert. "Vielleicht ja nächstes Jahr", grinse ich, als wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit wieder lösen. "Vielleicht", erwidert Palle.

"Pizza?"

"Pizza!"

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