Kapitel 2

35 2 27
                                    

Vor Schreck schmiss ich mein Buch direkt in das Gesicht des Fremden.
Seine Miene veränderte sich nicht. Kalt starrte er mich an.

"Und mit wem hab ich die Ehre?" fragte ich offensichtlich sarkastisch.

Er hatte schokobraune Haare und eisblaue Augen. Sein Körper war... Perfekt? Makellos? Wunderschön? Womöglich der Schönste den ich je gesehen habe.

Brachte ihm aber nichts, wenn er schon jetzt da steht, als wäre er Machoman im Himmel.

"Schätzchen, ich erklär dir mal was. ICH stelle hier die Fragen."
"Sind wir hier im Gericht oder was?"
Genervt hob ich das Buch auf und machte mich auf den Weg nach draußen. Offensichtlich gefiel es diesem Affen nicht. Er hielt mich am Handgelenk fest und zog mich zurück. Ich wollte mich aus dem Griff befreien, aber es war hoffnungslos. Stattdessen drückte er mich an die Wand, sodass unsere Gesichter drei cm von einander entfernt waren.
"Wer nicht hört wird bestraft" hauchte er mir ins Gesicht.

Das reichte mir. Mit voller Kraft pfefferte ich ihm mein Buch ins Gesicht. Er taumelte ein paar Schritte zurück und hielt sich die Hand auf die Wange.
"Soll ich Mama holen?" zog ich ihn auf.
So schnell konnte ich gar nicht schauen, war seine Hand an meiner Kehle und drückte mich wieder gegen die Wand. Seine Faust berührte fast meine Nasenspitze.

Toll gemacht Karma. So machst du dir echt keine Freunde.
Freunde? Ich wollte keine Freunde. Nur in Ruhe gelassen werden. Der Typ macht mir das nicht gerade leicht.

"Leg dich nicht mit den falschen an Schätzchen"
"Nenn mich nicht Schätzchen"
"Was wenn doch?"
"Wir sind in einem Raum mit vielen Büchern"

In your face Bitch.
Seine Augen waren nur noch schmale Schlitze, die mich anschauten als würde er in meine Seele sehen. Mein Herz pochte. Bitte lass ihn meine Angst nicht spüren.
"Wärst du nicht so unglaublich heiß, würdest du schon am Boden liegen."
"Sollte ich mich geehrt fühlen?"
"Nein Schätzchen. Du solltest dich schwach fühlen"

Dann ließ er mich los und ging. Ohne ein Wort zu sagen.
Komischer Kauz.

Ein paar Besucher starrten mich empört an.
"Ist was?!"
Sie blickten schnell wieder auf ihre Bücher, als hätten sie nie etwas anderes getan.
Halleluja das könnte anstrengend werden.

***

Als ich das Haus betrat, konnte ich hören wie Katrin mit diesem Typen von vorhin diskutiert. Langsam öffnete ich die Küchentür.
Abrupt hörte er auf zu schreien.
Katrin bemerkte mich auch und versuchte die Situation aufzulockern. “Das ist übrigens Orlando, der Sohn meines Mannes“
“Und wo ist dein Mann?“ wollte ich wissen.
“Geschäftsreise, weil mein achso toller Vater keinen Bock auf mich hat“ warf Orlando ein, “und ich gehe heute auf die Party und aus.“ schnell stürmte er aus dem Raum.

Katrins Mann muss es ja wirklich ernst mit mir meinen, wenn er sich nicht mal um sein eigenes Kind kümmern kann.

"Er war doch gestern erst betrunken" jammerte Katrin.
“Wie alt ist er?“
“17“
“Na dann, soll er sich halt in den Tod saufen“ ich zuckte mit den Schultern und ging Richtung Tür.
“Aber ich hab ihn doch lieb“ Meine Augen verdrehten sich wie von selbst. Normale Reaktion auf Sätze wie diese.

Im Gang begegnete ich wieder Orlando.
“Danke dass du Katrin überreden wolltest“ Aha, ein Lauscher.
“Wollte ich nicht“ Seine Augenbrauen zogen sich nach oben. Danach schüttelte er den Kopf und ging.

***
Ein lauter Knall riss mich aus dem Schlaf. Ich schaute auf die Uhr, diese zeigte 4:30.

Neugierig machte ich mich auf dem Weg zu meiner Zimmertür und ein betrunkener Orlando schaukelte mir entgegen. Er entdeckte mich und grinste.

“Nah Schwesterchen, Bock?“
“Ich bin nicht dein Schwesterchen, macht den Satz auch um einiges perverser“ antwortete ich genervt.
“Also nein?“
“Nein Mann.“

Ohne mich noch einmal anzusehen ging er weiter. Diese Menschen hier sind so komisch. Ich ging wieder in mein Zimmer und setzte mich auf mein Fensterbrett.

In wenigen Stunden musst ich schon zur Schule gehen. Wie ich es liebte. Früh aufstehen, sich durch Leben lernen und am Ende nicht mal checken wie man Formulare ausfüllt. Aber hey, ich kann dir alles erörtern was du willst. In drei Sprachen.

Ein Seufzer ertönte im Raum. Mein Blick aus dem Fenster in den Himmel gerichtet. Das Leben war so unfair. Warum passiert mir das. Warum passiert Jake das. Warum passiert überhaupt sowas. Bin ich wirklich so ein schlechter Mensch? Habe ich das wirklich verdient?
Karma. Mein Name klang im Kopf so gemein. Dennoch liebte ich ihn. Er war das Einzige was mir von meinen Eltern noch übrig blieb. Auch wenn ich nie verstehen werde, wie man ein Kind Karma nennen kann.

Eine Sternschnuppe flog vorm Fenster vorbei.
Ich schloss meine Augen und wünschte mir das einzige, was mich noch glücklich machen konnte.
Liebe.

Wie findet ihr den Typen aus der Bibliothek?

Und was haltet ihr von Orlando?

Bis dann :D

Darker than nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt