# 11 - Danke, James

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Als wir das Gebäude gemeinsam verließen war zwischen uns immer noch dieses Schweigen. Ich weiß immer noch nicht weshalb er hier aufgetaucht war.

"Warum bist du hier?", fragte ich ihn direkt und blieb stehen, während er einige Schritte weiter lief und ebenfalls stoppte.

"Ich weiß nicht. Ich fühle mich einfach in allem schuldig. Ich fühle mich so schlecht, was ich angestellt habe." Ich schwieg, denn ich will ihm nicht das geben was er will. Er will, dass ich ihn beruhige und ihm erkläre, dass es nicht seine Schuld ist. Dabei war es auch seine Schuld. "Ich kann Nachts nicht mehr schlafen. Jedes mal habe ich diese Scenario vor meinen Augen...."

Warum erzählt er das? Ich versuche darüber hinwegzukommen und er holt es aus meinen inneren Herzen wieder heraus.

"Es ist schon längst Vergangenheit. Wir können ihn nicht mehr aus den Toten auferwecken", gab ich einen dummen Kommentar, um dieses Schweigen zu lösen und lief weiter. Wir waren schon ein weites Stück von der Party entfernt, sodass man die Musik nicht mehr hörte. Wie sahen nur die leicht beleuchtete Straße, den Vollmond über uns und die glitzernden Sternen.

"Ich weiß...ich weiß...", murmelte er und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.

"Warum bist du dann hergekommen?", fragte ich ihn wieder und ich wurde wütender. Er blieb stehen und blickte mich schweigend an.

"Wenn's nichts weiteres gibt, dann gehe ich wieder zurück", fuhr ich fort und drehte mich um.

"Es tut mir so Leid, dass ich alles so scheiße verbockt habe. Ich bereue alles, was ich damals getan habe", hörte ich ihn flüstern, während ich mich immer weiter von ihm entfernte und seine Aussage ignorierte.

Ich glaubte ihm, dass er es ernst meinte. Aber seine schlimmen und unüberlegten Taten können durch einige Entschuldigungen nicht verziehen werden. Nicht einfach so. Es braucht Zeit, denn es tat damals und immer noch höllisch weh.

Ich erkannte plötzlich eine menschliche schwarze Gestalt, die näher kam. Schnelle und selbstbewusste Schritte liefen auf mich zu und als dieser näher war, konnte ich ihn durch die leichte Beleuchtung erkennen. James.

"Alles okay bei dir?", fragte er, blieb paar Meter vor mir stehen und blickte sich um, um jemanden zu erkennen. Doch Derek war bestimmt schon weg.

Ich strich mir eine Strähne hinters Ohr und schaute zu ihm hoch. Seine besorgten blauen Augen landeten nun auf meine und er studierte meine Gesichtszüge. Ich fühlte mich nicht mehr besonders gut und verschränkte schützend meine Arme vor meiner Brust.

"Lass uns wieder reingehen", ignorierte ich seine Frage einfach und versuchte meine Traurigkeit durch die Stimme nicht zu zeigen. Ich machte ein Schritt zur Seite und lief an ihm vorbei. Er holte mich ein und mit einem seitlichen Blick zu ihm erkannte ich, dass er sich durch die Haare mit der Hand fuhr. James war verunsichert. 

"Willst du vielleicht wieder zurück nach Hause fahren?", fragte er und seine Hand verschwand in der Hosentasche. Es ist komisch, dass wir nun ein gemeinsames Zuhause haben. "Gute Idee", stimmte ich ihm zu und hörte schon die laute Musik.

Ich war froh, dass er nichts weiter sagte, als wir die Party wieder betraten.
Ich war froh, dass James mich unterstützte, indem er vorraus ging und die Gäste sachte zur Seite schubste, um mir freien Weg zu geben.
Ich war froh, dass James plötzlich meine Hand nahm und mich hinter sich her zog, um mich nicht zu verlieren. Denn er sah, dass es mir nicht gut ging. Er sah, dass mein Blick auf dem Boden gerichtet war, weil ich kraftlos war. Was Derek gesagt hat, rief Erinnerung wieder auf, die ich eigentlich schon fast vergessen habe. James warme angenehme Hand gab mir etwas Kraft, sodass ich mit Laufen einen Zahn zu legte.

James sah anscheinend Zoe oder Kate und drehte uns um 90 Grad. Ich ließ mich einfach von ihm ziehen.  Ohne ihm wäre ich wahrscheinlich schon umgefallen.

Was wäre, wenn er Derek nicht geglaubt hätte? Was wäre, wenn er mich angerufen hätte? Was wäre, wenn er nicht ins Auto gestiegen hätte? Was wäre, wenn das alles nicht passiert wäre?

Plötzlich spürte ich Arme, die mich umarmten und brachten mich wieder in die Realität. "Angie! Du sieht total blass aus!", rief Kate durch die laute Musik und ließ mich wieder los. "Was ist passiert?", fragte sie mich, doch ich war nicht in der Lage etwas zu antworten. Ich starrte wieder auf den Boden. James bückte sich zu ihr und schrie ihr etwas ins Ohr, was ich nicht verstand. Kate nickte, umarmte mich fest, gab mir einen Kuss auf meine kalte Wange und blickte mich besorgt an. Kleine Tränen bildeten sich in meine Augenwinkeln. Ich versuchte irgendwie zu lächeln, doch das kleine Lächeln kam nicht zustande.

"Pass auf sie auf, James", schrie sie so laut, dass ich es sogar hörte und blickte James an. James nickte, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Während er mich hinter sich zog, schaute ich nochmals zurück zu Kate, deren Party ich nun versaut hatte. 

Wir verließen das Gebäude und machten uns auf die Suche nach James Auto. Eher er machte sich auf die Suche nach den Auto, während er mich hinter sich zog. Ich schluchzte leise und fuhr mit der anderen freien Hand über meine Augen. Ich muss diese Tränen unterdrücken. Ich muss. Sonst wird mich das alles wieder runter ziehen.

Vielleicht war das auch Dereks Plan? Er wollte es absichtlich tun, um wieder mein Leben wieder zu zerstören! Er sah, dass ich es wieder auf die Reihe bekam! Er sah, dass ich zurecht kam! Er wollte wieder alles ruinieren? Wie damals mit ihm.

James ließ plötzlich meine Hand los und die Wärme verließ mein Körper. Ich ließ mich einfach in den Sitz fallen und schwieg. Die ganze Fahrt über lehnte mein Kopf gegen die Scheibe und schwieg. Ich war fast froh, als wir unserem Zuhause näher kamen. Kurz vor der Tiefgarage blieb das Auto stehen und James kramte aus der Schublade seine Karte raus. Das Fenster fuhr herunter, er streckte die Hand heraus und legte die Karte an das Gerät. Das Licht leuchtete nun von rot zu grün und er zog seine Hand zurück. Während er die Karte zurücklegte und die Fenster wieder hochfuhren, bewegte sich langsam das Auto.

Mir hat Ben erzählt, dass James auch sehr verletzt wurde. Wie viel Kraft hat er, sein verletztes Herz nicht nach außen zu zeigen? Wie schafft er es, alles bei sich zu behalten?

Er parkte schnell und ich fand sogar noch Kraft aus dem Auto selbst auszusteigen. Gemeinsam liefen wir zum Fahrstuhl.

"Wie schaffst du das alles?", fragte ich ihn plötzlich im Fahrstuhl, als wir beide auf die grau glänzende Türe starrten. Durch die Spiegelung erkannte ich, dass er mir einen kurzen Blick zuwarf. "Was?", fragte er nach. "Naja, wie hast du dich durch deine Probleme gekämpft?" Er schwieg und als ich sein Gesichtsausdruck sehen wollte, öffnete sich die Tür, sodass er sofort den Fahrstuhl verließ.

Er will mir nicht antworten. Ich folgte ihm schnell und als er die Tür mit dem Schlüssel öffnete, folgte ich ihm. Er schmiss sein Schlüsselbund auf die Kommode, schlüpfte aus den Schuhen und verschwand in die Küche. Vorsichtig zog ich meine hohen Schuhe aus und bewegte mich in mein Zimmer.

"Gute Nacht", flüsterte ich ihm zu und wollte gerade meine Tür schließen, als ich mich doch noch umdrehte. Das Mondlicht fiel durch die Fenster in das Wohnzimmer und in die Küche. James stand mit dem Rücken zu mir, lehnte sich gegen die Kücheninsel und senkte sein Kopf. "Dankeschön, James", bedankte ich mich, schloss vorsichtig die Tür und lehnte mich dagegen. Ich rutschte hinunter und ließ meine Schuhe neben mich fallen.

Ich weiß nicht, was ich fühle. Wut auf Derek, Trauer um die Vergangenheit, schlechtes Gewissen, dass Kate nun sich um mich sorgt. Aber Sorge und zugleich Dankbarkeit an James.  Irgendwie hat er mich hauptsächlich wieder auf die Beine gebracht.

*-*-*-*-*-*-*-*

Wartet was? Ist jetzt Derek nun der Vater von Erics?! Oder doch nicht? Und wovon haben sie geredet? Jemanden von den Toten auferwecken? What? Was ist denn passiert?

James ist doch noch der alte James geblieben, oder? Außer das Lächeln fehlt noch.

Freue mich sehr auf eure Kommentare und Votes!

Vielen vielen Dank fürs Lesen, meine Lieben!

Bis zum nächsten Kapitel!

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