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POV Manu

"Ah ein neuer Schüler? Ich bin Herr Matthhäus. Dein, bzw. euer Geschichtslehrer.", so wurde die nächste Doppelstunde eingestimmt und ich schenkte, dem etwas moppeligen kleinen Mann mit bereits grauen Haaren und mit kleiner runden Brille ein Lächeln. Ich war froh, als dieser keine weiteren Fragen über ich stellte und fuhr seinen Unterricht fort und begann über den ersten Weltkrieg zu sprechen und spielte einen kurzen Film ab. Neben mir raschelte es und ich versuchte so unauffällig wie möglich zu meinem Sitznachbarn zu schauen. Dieser kritzelte in seinem Block herum und schien ganz abwesend zu sein. Unsicher kaute ich auf meiner Unterlippe herum und beobachtete auch die restlichen Stunden Patrick, da ich einfach nicht meinen Blick von ihm abwenden konnte. Tief in meinem inneren war ich mir schon sicher, dass er...er es sein muss. Er musste Paluten sein,  mein eigentlich bester Freund, mein Crush, mein Seelenverwandter und keine Ahnung jetzt auch noch mein Sitznachbar in der Schule.

Auch in den folgenden Unterrichtseinheiten und den anderen verschiedenartigen Lehrern, die ich heute kennenlernen durfte, konnte ich meine Augen nicht von ihm lassen. Trotz dass mein Magen sich anfühlte, als würde ich ihn gleich auskotzen, versuchte ich so still wie möglich zu sitzen und irgendwie alles was er machte und sagte aufzusaugen. Er und seine Truppe griffen mich in den Pausen nicht weiter an, sondern hielten es anscheinend für gut, mich wie Luft zu behandeln., aber damit war ich sogar sehr glücklich.

Als der Unterricht beendet war und ich gerade mit einpacken beschäftigt war, jedoch passierte etwas. Patrick wedelte vor meinem Gesicht mit einem Zettel herum.  „Eh...", ich schaute ihn fragend an und nahm den Zettel. „Du starrst mich die ganze Zeit an und ich sehe doch, wie nervös du bist. Hier hast du ein Autogramm von mir, Paluten." Ich schaute ihn schockiert an und beobachtete sein Gesicht, indem bedauernswert eine arrogante und altkluge Miene zu sehen war. Er ist es also wirklich? Mir wurde übel und ich stockte kurz, nicht wirklich wissend, wie ich reagieren sollte. Zum einen fühlte ich mich geschmeichelt, dass er mir ein Autogramm geben wollte, aber konnte nicht ganz verbinden, wie er vorhin noch geduldet hat, dass man mir in den Bauch schlug und mir jetzt den Wisch vor das Gesicht hielt und zu einem musste ich mich zusammen reißen ihm nicht den Wisch um die Ohren zu werfen und ihn anzuschreien. Ich war irgendwie enttäuscht, ihn so in echt kennenzulernen. Wenn er doch nur ansatzweise wüsste, wer ich bin. „Nimmst du nun?", knurrte er mich an, unterbrach mein Gedankengang  und schien ungeduldig zu werden. Ich hob meine rechte Augenbraue und blaffte ihn an „Nein. Falls ich eine bräuchte, dann bekäme ich ganz leicht eine." Warum musste ich jetzt gerade DAS sagen? Zu viel Information! Nicht, dass er noch auf Ideen kommt. „Wie meinst du das?", er schaute mich mit einem verwirrtem, aber trotzdem feindseligen Blick an. Irgendwas zerbrach innerlich in mir, als ich diesen Blick sah. Ich war es nicht gewohnt, dass er so unfreundlich zu mir war und ich dachte doch immer, dass gerade ER nett zu anderen ist und nicht so ein Arschloch. 

Mein Körper zitterte etwas und ich schaute ihn noch kurz an, bevor ich den Wisch zerknüllte und ihm ins Gesicht warf. "I-Ich verzichte", sagte ich leise und mit bedauerndem Unterton. Ich sah noch kurz seinen entgeisterten Blick und konnte mir schon denken, dass er nie mit Abweisungen zutun hat. Mit rasendem Herzen packte ich ein und rannte förmlich von ihm weg, aus dem Schulgebäude und in meine Buslinie. 

Im Bus setze ich mich außer Atem hin und lehnte meinen Kopf an die Scheibe. Meine Hand wanderte zu meinem Rucksack und ich holte mein Handy heraus. Der Bus wollte gerade losfahren, als ich sah, wie ausgerechnet Patrick noch angerannt kam und er wegen dem vollen Bus ausgerechnet neben meinem Sitzplatz stehen musste. Nicht sicher, ob Patrick realisieren würde, dass ich quasi neben ihm saß, hielt ich mein Handy etwas verdeckt und versuchte es so wenig wie möglich zu benutzen, während er neben mir stand. Später stieg er ein paar Haltestellen eher als ich aus und darüber war ich ehrlich gesagt ziemlich froh. Seufzend schaute ich ihm nach und krallte meine Hände meinen Bauch, welcher immer noch ein wenig schmerzte. Wieso ist er so? Wieso führt er so ein Doppelleben. Wieso ist er so gehässig. Online wirkt er doch gar nicht so arrogant und materialorientiert... Vielleicht aber bin ja ich das Problem? Irgendwas muss ihn ja dazu bringen, mich nicht zu mögen. Ich bin wahrscheinlich hässlicher als ich dachte. Ich muss die Leute um mich herum so sehr ekeln, dass sie es für okay halten, mich auszugrenzen oder schlimmer, schlagen. Mir stiegen kurz Tränen in die Augen und es viel mir schwer, diese zurück zu halten. Ich bin einfach nicht liebenswert. Es wurde mir schon so oft gezeigt und ich glaube langsam wirklich, dass etwas an mir nicht stimmt. Wie konnte ich nur denken, dass der Umzug, irgendetwas an mir ändern könnte? 

An meiner Haltestelle Alt-Hahnwald stieg ich aus und lief nach Hause. Ächzend ging ich in die Küche und holte mir eine Ibuprofen und schluckte sie mit einem Glas Saft herunter. Mein Handy vibrierte und ich sah eine Erinnerungsbenachrichtigung, dass ich heute einen Aufnahmetermin mit Paluten habe. Mit Kraft stellte ich das Glas in die Spüle ab und lief die Treppe hoch in mein Aufnahmezimmer. Sollte ich wirklich online gehen und mit ihm sprechen? 

Ich entschied mich online zu gehen, aus Angst, er könnte herausfinden, dass ich der Manuel aus seiner Klasse bin. Es klingt wahrscheinlich idiotisch, aber ich kann nicht anders. Ich bin förmlich süchtig nach Aufmerksamkeit von ihm und ehrlich gesagt, kann ich ihm nicht böse sein, mich nicht zu mögen. Wie so oft ging ich also auf den Teamspeak und ging auf den Server, auf dem sich Paluten schon befand. Er begrüßte mich und ich versuchte so zu sein wie sonst auch. Wir nahmen eine Runde Mario Party auf und ich hatte Schwierigkeiten, nicht die ganze Zeit an die heutigen Erlebnisse zurückzudenken. „So ein Spasti! Komm Manjuel, lass uns ein Mobbingkreis bilden. Glatze! Glatze! Glatze!", rief Paluten und ich musste schlucken. „Ja", sagte ich knapp. „Glatze, Glatze...", brummte ich lustlos. Woraufhin Patrick sofort verstummte und nachfragte, als könnte er riechen, dass ich gerade nicht wirklich happy war: „Manuel? Ist alles in Ordnung?" Er klang besorgt und ich seufzte. „Palle", stammelte ich und lachte nervös. „Manu? Du kannst mit mir über alles reden. Ist irgendetwas passiert?" Nein. Das stimmt doch gar nicht. 

„Nein", rief ich aufgebracht. Ich atmete ins Mikro und überlegte kurz die Bombe platzen zu lassen, entschied mich aber dagegen: „Sorry, meine Eltern. Die machen gerade Probleme wegen des Umzugs", brabbelte ich stattdessen. „Können wir die Aufnahme nicht vielleicht einfach verschieben...?" Kurz war Stille, da er anscheinend überlegte „Ja klar. Kein Problem. Schreib mir einfach, wenn du wieder aufnehmen möchtest oder wenn du mit mir reden willst." Mein Mauszeiger ging auf den Knopf zum Server verlassen und ich warf noch schnell ein 'Danke' ein, bevor ich auf den Knopf drückte und mich zurücklehnte.

Wenig später vertrieb ich mir die Zeit auf anderen Servern und um ehrlich zu sein wollte ich mich ein wenig ablenken, daher jointe ich Maudado und Zombey in den Teamspeak. Zwei weitere Internetbekanntschaften, mit denen ich des öfteren Youtube-Videos zusammen aufnahm.
„Hey Manu? Na alles gut bei dir?", hörte ich sofort die Stimme von Zombey, sanft und ruhig wie immer. „Hey Leute...", ich zögerte und starrte auf mein Mikrofon. Sollte ich die beiden um Rat fragen? Ich meine, beide kenne Patrick auch übers Internet und sie würden ihn vielleicht besser einschätzen können. Es wäre für ihn vielleicht unfair, aber ich wollte ja nicht unbedingt schlecht über ihn reden. „Was ist los Manuel? Bedrückt dich etwas?", fragte nun auch Maudado, als ob er es riechen würde. Ich seufzte, „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber ich gehe seit heute ja in eine neue Schule? Diese Schule ist in Köln und wie das Schicksal anscheinend ist, bin ich in einer Klasse mit Patrick. Das klingt ja schön und gut aber...", ich stockte „... er war grässlich zu mir. Er hat- mich geärgert... naja. Ich weiß, das klingt absurd, aber es ist wahr. Ich weiß nicht, was ich machen soll, und ich will auch nicht meine Identität aufs Spiel setzen, wenn Patrick so ein Arsch ist. Und ich mag ihn doch eigentlich so furchtbar und jetzt... Ich weiß nicht was ich denken soll." Kurz war Stille und die beiden schienen zu grübeln. „Manu, das klingt ja wirklich furchtbar. Das tut mir wirklich leid. Können wir irgendetwas tun? Sollen wir mit ihm reden?" Zombey klang ruhig, aber dennoch hörte ich seine Wut und Verärgerung heraus. Maudado reagierte auch sehr empört und wir diskutierten tatsächlich eine Weile und ich konnte meinem Ärger etwas Luft geben.

Das Mobbingopfer (GLPalle / Kürbistumor FF)  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt