Tag für Tag

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[21.05.2017]

Ich will nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Die Welt scheint sich gegen mich aufzustellen.
Ich spüre, dass ich unerwünscht bin.
Dass mich niemand möchte.
Dass mich niemand braucht.
Egal ob Familie oder Freunde, alle wären ohne mich besser dran.
Die Familie ist enttäuscht.
Was ist nur aus ihrem kleinem "Mädchen" geworden..
Ungezogen und frech.
Abstoßend anderen gegenüber.
Am liebsten im Zimmer.
Abgekapselt von der Außenwelt.
Was soll man auch mit solch einem introvertiertem, stummen Kind anfangen..
Meine Freunde halten mich für wahnsinnig.
Warum äußert denn dieses "Mädchen" ständig Sätze wie "Jungs haben es besser"
"Ich finde Brüste irgendwie ekelhaft..auch meine eigenen..."
Warum zählt sich dieses "Mädchen" selbst nie zu den Mädchen.
Warum bringt "sie" es nicht übers Herz zu sagen "Ja klar bin ich ein Mädchen" auf die Frage, ob sie lieber ein Junge wäre beziehungsweise einer ist.
Und dann bin da noch ich.
Das Kind, welches das Gefühl hat, man würde es mit einem Messer attackieren wenn es seinen Geburtsnamen hört.
Das Kind, das sich wundert wie jeder es für ein Mädchen halten kann, wo es doch klar zu sehen ist, dass es ein Junge ist.
Das Kind, das seine Zeit lieber mit den LieblingsyouTubern oder den lieblings Bands in seinem Zimmer verbringt.
Natürlich nur im übertragenem Sinne.
Das Kind, das Bahnhöfe vermeidet, denn das Verlangen sich vor den nächsten Zug zu stürzen wird von Sekunde zu Sekunde größer.
Doch irgendwie ist die Angst vor dem danach größer..
Was wenn ich es überleben würde? Wie solle ich es dann meinen Mitmenschen erklären?
Sie würden mich einweisen lassen..
Sie denken, ich wäre selbstbewusst, doch merken dabei nicht wie mich die Selbstzweifel langsam aber sicher zerfressen.
Immer wieder schlafe ich ein und wünsche mir, ich würde nie mehr aufwachen.
Wozu das ganze?
Alles läuft schief.
Alle enttäuscht.
Machen sich über mich lustig weil ich als "Mädchen" "aussehe, wie ein Junge".
Und ich lächel sie freundlich an, schlucke den Schmerz hinunter.
Abends, wenn alle schlafen, sperre ich mich ins Bad ein und weine.
Lasse alles hinaus.
Sitze am Boden,
bekomme Panikattacken.
Die Beine an den Oberkörper gezogen, die Arme fest darum geschlungen und den Kopf auf den Knien abgelegt.
Nach 30 Minuten reiße ich mich zusammen,
stehe auf und gehe in mein Bett.
In den Stunden, in welchen ich wieder einmal nicht einschlafen kann, bete ich, dass ich am nächsten Morgen nicht aufwache.
Ich möchte doch gar nicht sterben. Ich möchte doch nur, dass dieser Schmerz aufhört.
Dass dieses unerträgliche brennen in der Brust und dieser unfassbar stechende Druck im Kopf endlich aufhört.
Endlich schlafe ich ein.
Doch träume ich wieder einmal,
dass ihr mich hasst, weil ich mich in diesem Traum gerade bei euch geoutet habe.
Ich lacht spöttisch und ruft mir meinen Geburtsnamen zu.
Ihr erklärt mich für verrückt.
Ist doch alles nur um Aufmerksamkeit zu bekommen, behauptet ihr.
Ihr tretet und verachtet mich in diesen Träumen.
Hasst mich bis auf die Knochen.
Behauptet, ich wäre nicht euer Kind. Vermutlich alles von diesen ach so bösen YouTubern in den Kopf gesetzt.
Ich wäre nur ein "maskulineres Mädchen".
Und dann wache ich zu meinem bedauern wieder auf.
"Warst du gestern schon wieder so lange im Badezimmer?? Bestimmt warst du am Handy! Lern lieber in der Zeit, dann wärst du besser in der Schule!" ist einer der ersten Sätze die ich zu hören bekomme.
"Unterdrück die Tränen einfach..es bringt nichts.." spreche ich mir selbst zu, bevor ich mich auch morgens ind Bad sperre.
In der Schule, sagen mir alle Lehrer "Ich weiß du bist in der Pubertät aber sei nicht faul und lern doch mal!".
Und ich breche noch ein Stück.
Zuhause angekommen beginne ich gleich zu lernen und freu mich trotz allem, dass meine Eltern bald von der Arbeit nachhause kommen. Ich höre das Auto parken und packe meine Hausaufgaben weg, bin optimistisch ich könne heute einmal mit ihnen über Gott und die Welt reden..
Doch alles beginnt von vorne.
Tag für Tag.

~(bis jetzt) unveröffentlicht~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt