Andy

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Wir betraten einen modrigen Gang. Die einzige Lichtquelle war eine Glühbirne an der Decke, welche leicht flackerte und gespenstische Schatten an die Wand warf. Es war unberuhigend still im Haus. Zu meiner linken öffnete sich eine Tür und ein junger Mann winkte uns herein. "Hi, ich bin Andy.", sagte er und bedeutete uns mit einer lässigen Bewegung, dass wir uns setzen sollten. Ich sah mich um. Alles in dem Raum war weiß. Das Licht war hell und alles schien auf dem neusten Stand der Technik zu sein. Die Liege, der Computer sogar die Waage, die in einer Ecke neben einem Regal stand, alles war nagelneu. "Schön dich wiederzusehen, John. Hast dich ja eine ganze Weile nicht mehr blicken lassen nachdem...", er brach ab und John nutzte die Gelegenheit mich vorzustellen. "Das ist William." Er klopfte mir auf die Schulte und ich stöhnte auf. Andy zog eine Augenbraue hoch. "William?" Ich nickte, doch er drehte sich von mir weg uns sah John an. Dieser schien in sich zusammenzusinken und Andy wandte sich wieder mir zu. "Nun gut. John, geh ins Wartezimmer." Er deutete auf eine Tür am Ende des Raumes und John gehorchte widerspruchslos. Schweigend half Andy mir hoch und führte mich hinüber zur Liege, auf der ich Platz nahm. Er nahm ein Klemmbrett aus einer Schublade, zog einen Rollsessel zur Liege, setzte sich und starrte mich an. Ich starrte zurück. Aufgrund der Anstrengung, die es mich gekostet hatte, die Schritte von den Stühlen zur Liege zu bewältigen, war ich noch immer außer Atem. Andy war sportlich gebaut, hatte hellbraunes Haar und braungrüne Augen. Er hatte seine Augenbrauen kritisch zusammengezogen, wodurch sich auf seiner Stirn zwei vertikale Fältchen bildeten. Er musterte mich von Kopf bis Fuß. Plötzlich entspannte sich sein Gesicht und er lehnte sich etwas zurück. "Also, was ist passiert?" Verwirrt von dem plötzlichen Stimmungswandel musste ich unweigerlich blinzeln. "Äh was?", stotterte ich. "Na, warum bist du hier? Du hast offenbar Schmerzen. Ich bin zwar Arzt, aber ich kann dich nur behandeln, wenn ich weiß, was dir fehlt." Seine Stimme klang eindringlich und weniger harsch als zuvor. "Erzähl es mir einfach." Und dann erzählte ich es ihm. Während ich sprach, veränderte sich sein Gesicht. Ich konnte den Ausdruck nicht deuten, doch er unterbrach mich nicht und so erzählte ich weiter. Als ich geendet hatte, blieb er wie versteinert in seiner Pose. Die Hand an das Kinn gelegt, schien er nachzudenken. Ich erwartete eine unwirsche Reaktion, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen nahm er sein Stethoskop und begann mich zu untersuchen.

Andy öffnete, mit den Augen sein Klemmbrett studierend, die Tür zum Wartezimmer und John trat ein. Er sah verunsichert aus. "Also er hat zwei gebrochene Rippen und die linke Schulter und sein Kiefer sind geprellt. Ansonsten starkes Untergewicht und vernarbtes Gewebe an Rücken und Oberschenkeln. Zweimal täglich eine Tablette hiervon und das muss alle paar Stunden auf die Schwellung aufgetragen werden." Er blickte auf und reichte John die Medikamente. "Außerdem möchte ich, dass ihr nächste Woche wiederkommt und wenn sich sein Gewicht bis dahin nicht gebessert hat, müssen wir auch dahingehend etwas unternehmen." Er atmete tief ein. "John, ich möchte, dass du mich anrufst, wenn etwas ist. einverstanden?" John nickte nur und Andy geleitete uns hinaus. Es hatte zu regnen begonnen und dunkle Wolken dimmten das Licht, sodass die Straße noch dreckiger und heruntergekommener aussah als zuvor. Das Taxi wartete bereits und John half mir einzusteigen. Bevor er sich zu mir auf die Rückbank setzte, drehte er sich nochmal zu Andy um und hob die Hand zum Gruß. Andy, der halb im Regen, halb im Trockenem stand, nickte ihm zu, doch sein Blick war besorgt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 14, 2018 ⏰

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