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,,Bring mich zum Lachen... Wie soll ich das bitte anstellen?", murmelte ich, während ich gedankenverloren die Treppe hoch zum Matheraum ging. Die ganze Nacht über hatte ich damit verbracht, mir Gedanken über Taehyungs Aussage zu machen. Und das hatte wiederum zur Folge, dass ich nicht genug schlafen konnte und nun hundemüde bin. Wie soll ich nur den heutigen Tag überstehen? Am besten gar nicht? Das ist okay. Ich hab ja nichts Wirkliches zu verlieren... Abgesehen von meinem wertlosen Leben halt. Ich weiß sowieso nicht, was ich damit noch anfangen soll. Da tun mir ehrlich gesagt die Leute leid, die leben wollen, es aber aus irgendwelchen Gründen auch immer nicht können. Das Leben kann wirklich unfair sein. Nein, das Leben ist unfair. Genauso wie der Tod. Es kommt zu denen, die es nicht brauchen, aber nicht zu denen, die danach fragen.

Seufzend betrat ich den Raum und setzte mich auf meinen Platz hin, ehe ich meine Schulmaterialien auspackte und wartete, bis der Unterricht endlich losgehen würde. Die anderen ignorierten mich wie gewohnt, so, als ob ich nicht da wäre. Einmal wurde sogar auf meinem Pult eine weiße Blume in einer gläsernen Vase hingestellt. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, fand es sogar schön und hab mich insgeheim darüber gefreut, bis mich einer von meinen Mitschülern aufklärte, dass es in Japan nur weiße Blumen für Beerdigungen gibt. Sprich: In der Schule legte man zum Andenken eines verstorbenen Schülers eine weiße Blume auf dessen Pult hin. An sich ist es ja keine schlechte Sache, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich noch am leben bin, wiederum doch. Ich weiß noch genau, wie ich mich dann gefühlt habe. Wie tot, obwohl ich es nicht war. Und doch fühlte es sich so an.

Ich verzog bei der Erinnerung das Gesicht, versuchte dann an etwas anderes zu denken, ehe ich bemerkte, dass der Unterricht schon längst begonnen hatte. Ausnahmsweise hatte es diesmal das Schicksal mit mir gut gemeint. Oder war es erst die Ruhe vor dem Sturm? Und tatsächlich war es das. Spätestens ab da wusste ich, warum ich Taehyung zum Lächeln bringen sollte. Anders als bei mir gingen nicht nur einige, sondern mehrere mit ihm gewalttätig um, um seine Hausaufgaben zu ergattern und zu kopieren. Außerdem machten sie sich herzhaft über ihn lustig, dass er noch diese komischen Comics sammelt und Cartoons ansieht - insbesondere Hentai's, was auch immer das sein soll. Da war es ihnen auch egal, wenn hier und da seine Sachen bei ihren Hänseleien beschädigt wurden oder ganz kaputtgingen. Und trotzdem. Bei alldem blieb Taehyung emotionslos. Es schien so, dass ihn nichts und niemand zur Weißglut bringen konnte. Man könnte sogar meinen, dass es ihn einfach nicht gejuckt hatte, aber das glaube ich wohl kaum. So wie er mich letztens auf dem Klo gleich korrigiert hatte, dass das nicht ein Comic sei, was er da gelesen hatte, sondern ein... Was war das nochmal gleich? Ist ja auch egal. Jedenfalls zeugt diese Reaktion nicht von jemanden, dem das egal sein könnte, auch wenn es momentan so scheint. Da gibt's doch auch ein passendes Zitat dazu: Der Schein trügt. Aber selbst wenn dem so wäre, was bringt ihm das so zu tun, als ob ihm das egal wäre? Gönnt er den anderen keine Genugtuung? Wär möglich. Klingt für mich auch logisch. 

Überzeugt von meiner Hypothese wandte ich mich vom Observieren zum Gehen ab und machte mich auf dem Weg nach Hause. Irgendwie hatte ich heute doch den Schultag trotz des Schlafmangels überstanden. Das liegt vielleicht daran, dass mich heute Jimin nicht mit seinen Kumpanen fertiggemacht hat. Verbal schon, aber handgreiflich wurden sie diesmal nicht. Gott sei Dank, dass es auch manchmal solche Tage gibt. Sie sind zwar selten, aber präsent.

Da ich mir jedoch trotzdem unsicher war, ob sich nicht jetzt vielleicht meine Lage wieder um 180° verschlechtern würde durch das Trio oder anderen Schülern, fragte ich einen Lehrer, der in einem leeren Klassenraum saß und gerade seine Tasche packte, ob ich in dem Raum meine angebliche Freistunde verbringen durfte. Natürlich würde ich nur 5-15 Minuten da hocken und dann nach Hause gehen. Hauptsache es sind keine Schüler mehr an Ort und Stelle, die mir etwas antun können.

Der Lehrer hatte nichts dagegen, verdonnerte mich aber gleich darauf, die vollgekritzelte Tafel abzuwischen, ehe er ging. Ich tat wie mir geheißen und war nach paar Minuten fertig, ehe ich das Whiteboard wieder mit Zeichnungen vollkritzelte und sie anschließend wieder wegwischte. Als mir das zu langweilig wurde, warf ich einen kurzen Blick auf die Uhr, dann nach draußen, wo ich noch einige Gruppen von Schülern auf dem Hof und vor dem Tor der Schule entdecken konnte. Verdammt. Das hab ich ja ganz vergessen, das heute Freitag ist, der Vorreiter ins Wochenende. Und das heißt für die anderen, Verabredungen zu vereinbaren, um sich von der anstrengende Woche ein wenig zu erholen, ehe sich die ganze Prozedur wiederholt.

Aber für mich ist zocken Erholung genug. Ich hab zwischenmenschliche Beziehungen nicht nötig. Eher würde mich das zusätzlich stressen statt erholen, aber gut. Es ist nunmal nicht jedermanns Sache.

Ich setzte mich nun auf den Lehrerstuhl, nahm einen Whiteboard-Marker in die Hand und versuchte ihn auf meinen Fingern zu drehen, was mir jedoch missglückte und der Stift runterfiel. Seufzend ging ich runter, suchte nach den Stift, der unter den Lehrerpult gekullert ist und hob ihn wieder auf. Gerade als ich mich wieder aufrichten wollte, öffnete jemand die Tür, sodass ich in meiner Bewegung innehielt und abwartete. Vielleicht hatte ja ein Lehrer etwas hinten bei den Schränken vergessen.

Die Dielen knarrzten durch die Schritte, verstummten auf einmal plötzlich, was mich kurz verwirrte. Dann kam mir jedoch der Gedanke, dass der Lehrer beziehungsweise die Lehrerin nun den Schrank öffnen würde und es deshalb so still wurde. Aber müsste ich dann nicht klirrende Schlüssel hören? 

Gerade als ich es in Frage stellte, ob die Person, die hereingekommen ist, überhaupt die Person ist, für die ich sie gehalten habe, hörte ich etwas, was meine Vermutung bestätigte. Allerdings wünschte ich mir daraufhin, gleich nach Hause gegangen zu sein, statt mich für eine Fake-Freistunde hier verschanzt zu haben.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 28, 2017 ⏰

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Geek // Vkook (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt