XLI.

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Kapitel 41

Wenn ich eins im Leben schon immer hatte, dann war es Glück. Nun ja, mein Glück ist ziemlich unzuverlässig (was meiner Theorie zufolge daran liegt, dass ich es auch bin), dennoch hat es mich schon aus manch einer schlimmen Situation geholt.

Zum Beispiel in der Schule, dort ist es ziemlich oft auf meiner Seite, denn irgendwie schaffe ich es immer, bei Tests, auf die ich mich überhaupt nicht vorbereitet habe, gute Noten zu schreiben. Zumindest in allen Fächern, die nichts mit Naturwissenschaften zu tun haben. Natürlich darf man in diesem Fall nicht vergessen, dass ich ein gewisses Talent im Abschreiben und Spicken habe, aber dazu braucht man schließlich auch Glück, um nicht erwischt zu werden.

Zu meinem Glück, steht das Glück heute auf meiner Seite. Tatsächlich schaffe ich es, die gesamte Mission über einen relativ klaren Kopf zu bewahren. In Anbetracht der Tatsache, dass mein Kopf immer ein Gedankenwirrwarr ist, ist das also eine wirklich große Leistung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Edward in Anzüge verdammt gut aussieht.

Eigentlich sieht er immer gut aus, doch da ich ihn selten in einem Anzug sehe, bin ich froh, dass ich nicht irgendwann begonnen habe, zu sabbern. Was mich wohl davon abgehalten hat, waren die Falten, die ich ihm heute Morgen ins Gesicht gemalt habe. Vor allem, da sie seine perfekte Jawline etwas verdecken, was wirklich zu schade ist. Mal so nebenbei trägt er auch eine Perücke mit grauen Haaren.

Um aber das Risiko meines schnellen Mundwerkes, das hin und wieder etwas Unangebrachtes von sich gibt, geringer zu machen, halte ich meist meinen Mund und beschäftige mich damit, Edward zu stalken. Hoffentlich bemerkt er das nicht, denn das wäre wirklich ein bisschen peinlich.

Alles in allem bin ich jedoch sehr froh, als wir uns mit Roxy gegen Mittag endlich wieder ins Auto setzten. Auf dem Weg von der Eingangstür zum Auto musste ich leider feststellen, dass die Mittagssonne sich inzwischen wirklich stark zeigt. Hätte man mir am Anfang dieses Sommers gesagt, dass es im August heiß werden würde, hätte ich dieser Person einen Vogel gezeigt. Als dann der Sommer Mitte Juli auch mal beschlossen hat, sich zu zeigen, war ich dann wirklich glücklich darüber.

Jetzt fände ich etwas niedrigere Temperaturen wirklich angenehm, denn 30 Grad im Schatten sind mir dann doch zu viel. Aber immerhin gibt es keinen Regen mehr.

Da mein besagtes Glück aber wie gesagt sehr unzuverlässig ist, muss ich deprimiert feststellen, dass es mich nun verlassen hat. Und damit meine ich nicht, dass ich beim Einsteigen ins Auto meinen Kopf mit voller Wucht gegen das Autodach stoße.
Damit meine ich, dass Roxy so dumm war, in der Sonne zu parken, weswegen die Hitze im Auto noch viel unerträglicher ist, als die draußen.

,,Ach du scheiße, ist das heiß hier!", bemerkt Edward, der kurz nach mir einsteigt und jetzt wohl das gleiche Problem wie ich zu erkennen scheint. Er zieht sich sofort die Perücke vom Kopf, die er dann mir gibt, damit ich sie in meine Tasche stecke.

,,Oh, tut mir Leid, dass muss wohl an meiner Anwesenheit liegen", meine ich dann mit einer trägen Stimme und lehne meinen Kopf müde gegen die Sitzlehne vor mir. Edward lacht ebenso etwas müde auf, doch ich schaue nicht nach links, sondern verweile mit meinen Blick auf dem spannenden Stück Stoff vor mir.

So bleibe ich ein paar Minuten sitzen, bis ich mich irgendwann dazu entschließe, meinen Kopf ans Fenster zu lehnen. Um etwas zu sagen, ist es aber jedem zu warm, weswegen es erstmals still bleibt. Erst, als die Klimaanlage endlich ihre Wirkung zeigt (was meiner Meinung nach viel zu lange gedauert hat) kann mein Kopf wieder etwas klarer denken.

So bekomme ich Roxy dazu überredet, das Radio einzuschalten und singe glücklich zu den Songs mit, während mich Edward belustigt dabei beobachtet. Für Außenstehende, die nicht wissen, dass ich nicht 50 sondern 17 bin, würde das wohl sehr seltsam aussehen, denn ich denke nicht, dass eine Fünfzigjährige, adrette Frau so gut wie ich im Luftgitarrenspielen wäre.

E.A.T.E.R. - Die FassadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt