[1] Trichotillomanie

241 8 2
                                    

Nur zu eurer Info: DIESES BUCH IST MEHR ODER WENIGER EIN ÖFFENTLICHES TAGEBUCH - ich werde es nutzen um Menschen aufzuklären, die sich für meine Geschichten interessieren und versuchen ihnen hiermit meine Gefühlslage zu verdeutlichen. Ich möchte kein Mitleid oder Ähnliches von irgendwem bekommen. Alles was ich mir wünsche, ist Verständnis.

Ihr müsst zunächst wissen, dass mich dieses Kapitel sehr viel Kraft und Mut gekostet hat.

Ich hatte gerade eine schwierige Phase überwunden und hatte nun versucht ein "glücklicherer" Mensch zu werden. Doch meine Krankheit kam mir in die Quere...
Falls ihr jetzt denkt „Hat sie Krebs oder Ähnliches?", nein, habe ich nicht!

Mir wurde bewusst, dass ich angefangen hatte mir meine Haare auszureißen. (Ja, richtig gelesen!) Ich fühlte mich zunächst einfach nur, wie ein Psycho und wusste selbst nicht was mit mir los war. Ich konnte nicht mehr aufhören und fand schließlich heraus, dass ich eine psychische Krankheit namens ‚Trichotillomanie' habe und sprach zunächst mit niemandem darüber, da ich mich so sehr dafür schämte. Ich versteckte zunächst die kahlen Stellen am Kopf, sodass es zunächst niemandem auffiel, aber nach einer Weile war es dann doch immer offensichtlicher und es wurde immer schwieriger die kahlen Stellen auf meinem Kopf zu verstecken.

An einem Wochenende fuhren meine Eltern und ich zu einem Fest, welches bei den Nachbarn meiner Großeltern stattfand und an diesem Tag trug ich eine Kapuze, um meine Haare zu verstecken ( aus Angst, dass es irgendwem auffallen würde ), doch nach ein paar Stunden zwang mich meine Mutter dann dazu, die Kapuze abzunehmen... Als ich es dann schließlich tat, fing sie an mich anzuschreien, weil sie wissen wollte warum da auf meinem Kopf so viele Haare fehlten. Sie war wütend und hörte nicht mehr auf mich anzuschreien.. Ich fing an zu weinen und meinte, dass ich darüber nicht reden wolle. Daraufhin wurde sie nur noch wütender und alle anderen Anwesenden mischten sich nun  mit ins "Gespräch" ein: „Warum machst du sowas?" „Bist du völlig bescheuert?" „Du siehst schlimm aus!" „Ich will mich so nicht mit dir blicken lassen!" „Hast du ne Ahnung in was für eine Situation du uns damit bringst?!" "Schenken wir dir irgendwie zu wenig Aufmerksamkeit?". Ich wollte mich meiner Oma anvertrauen, weil sie die Person in der Familie war, der ich in solchen Sachen am meisten vertraute. Also erzählte ich ihr alles. Sie fing an zu weinen und meinte, dass ich das nicht machen darf und mich anders ‚beschäftigen' solle. Wirklich Verständnis hatte sie jedoch nicht dafür. Nun wollte auch meine Mutter wissen was los war, redete jedoch noch immer nicht in einem ruhigen Ton mit mir, sondern schrie mich weiter an, was mir die ganze Sache nicht vereinfachte. Schließlich vertraute ich mich auch ihr an und erklärte ihr meine Krankheit. Sie hatte immer noch überhaupt kein Verständnis dafür. Ihre Aussagen waren „Es ist einfach nur dumm!" „Du erfindest eine Krankheit, weil du nach Aufmerksamkeit oder so suchst." und das hat mich wirklich verletzt. Ich fühlte mich mit der Krankheit eh schon alleingelassen und bekam nicht mal von meiner eigenen Familie Unterstützung. Ich durfte mir jeden Tag anhören, wie dumm ich sei und schließlich wurde ich auch in der Schule darauf angesprochen. Erst haben sich nur Wenige getraut mich darauf anzusprechen, aber nach und nach wurden es immer mehr. Schließlich fing ich an mir meine Kopfhaare wie Augenbrauen nachzumalen. Jedoch brachte das fast gar nichts. Ich stand jeden Morgen weinend vor dem Spiegel und versuchte meine Krankheit zu "vertuschen". Irgendwann wurde ich darauf sogar von den Lehrern angesprochen und das allerschlimmste Von den Sozialpädagogen! Ich war dabei mir Hilfe zu suchen und zu versuchen nicht den ganzen Tag daran zu denken / mich abzulenken / ein normales Leben zu führen, als eine Sozialpädagogin anfing mich jede WAT-Stunde aus dem Unterricht zu holen, um mit mir über die Krankheit zu reden. Sie dachte, dass sie mir damit helfen würde, es bewirkte jedoch nur das Gegenteil...

Ihr müsst euch vorstellen: Ich sitze zusammen mit meinen Freunden im Unterricht und wir reden gerade über irgendwelches belangloses Zeug, dann kommt die Sozialpädagogin in den Raum und meint zu mir „Ich würde gerne draußen mit dir reden!" und draußen fängt sie an mich mit meinen EIGENEN Problemen zu belästigen...
Dementsprechend dachte ich wieder stundenlang daran und das nahm mir mein Selbstwertgefühl KOMPLETT!

Hier noch ein paar Stories:
- Ich sitz im Chemieunterricht und ein Junge meint „Du siehst so scheiße aus! Wieso machst du das? Findest du das etwa schön?" (lacht) -
- Ich laufe über den Schulhof und hinter mir läuft eine Jungsgruppe „Du da! Wieso reißt du dir die Haare aus?" (lachen) -
- Ich sitz im Unterricht, mein Sitznachbar tippt mich an „Sag mal... Hast du Krebs?" (lacht) -
(Ich denke, die Kommentare dazu kann ich mir sparen!)

Für jeden der jetzt denkt, dass es leicht sei damit aufzuhören, der irrt sich! Ich versuche jetzt seit über zwei Jahren die Krankheit zu besiegen, aber schaffe es nicht. Was übrigens auch der Grund ist warum ich mir die Haare abrasiert habe.

Wer auch immer du bist und wieso auch immer du das liest... Nimm dir nur eine Minute Zeit und versetz dich in meine Lage!

Was würdest du fühlen wenn du in den Spiegel schauen würdest? Wer würde es schaffen dich wieder aufzubauen? Wie würdest du mit den negativen Kommentaren deiner Mitmenschen umgehen? Würdest du dir selbst Vorwürfe machen, obwohl du wüsstest, dass das alles nicht deine Schuld ist?

Es könnte jeden treffen, auch dich!

It's a small part of a true storyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt