Von mürrischen Katzen & Autounfällen

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Ein Schnurren drang an sein Ohr, weckte ihn aus seinen süßen Träumen und ließ ihn schlaftrunken und blinzelnd die Augen öffnen. Der große Vorsitzende Miau Tse-Tung hatte es sich mit gespitzten Plüschohren vor seinem Kopf auf seinem Bett gemütlich gemacht und musterte ihn scheinbar erwartungsvoll. Beinahe hätte man ihn für einen sanften, liebevollen Kater halten können, der einfach nur die Nähe zu seinem Besitzer suchte, doch Magnus erkannte den drohenden Unterton seines Schnurrens, ebenso wie das angesäuerte Schwanzpendeln und die halb ausgefahrenen Krallen. Wenn Miau Tse-Tung in diesem Zustand war, konnte er innerhalb von Sekunden zu einem Katzendämon mutieren, der alles und jeden auseinander nahm. Und die schlechte Stimmung seines Katers war eigentlich immer ein Zeichen von Hunger. Grummelnd wälzte sich Magnus herum, um sich zu mindestens noch ein paar wenige Minuten Schlaf ergaunern zu können, aber Miau Tse-Tung war unnachgiebig. Er war bereits auf Magnus gesprungen und ließ ein lautes Fauchen aus seiner Kehle erklingen, das einem Löwen ebenbürtig gewesen wäre. Mit einem leisen Seufzen schlug Magnus die Decke zurück, so dass Miau Tse-Tung von ihm herunter purzelte und marschierte in die Küche, wohlwissend, dass er es sich nicht leisten konnte, seinen Kater noch weiter warten zu lassen.

Das letzte Mal als er vergessen hatte Miau Tse-Tung zu füttern, hatte dieser seine Wohnung regelrecht zerlegt. Die Polster seines Sofas hatte er alle weggeworfen, weil jedes einzelne durch Krallen zerfetzt worden war und zu allem Überfluss hatte sich der große Vorsitzende auch an einer von seinen Kollektionen zu schaffen gemacht. Einen Tag vor der großen Show. Magnus konnte sich noch gut daran erinnern, wie er schlussendlich am Tag des Wettbewerbs für junge Designer seine Models notgedrungen in den zerrissenen Kleidern auf den Laufsteg hatte schicken müssen. Während er am liebsten im Boden versunken wäre, zeigte sich die Jury über sein "neues Design" hellauf begeistert. Sie hatten ihn zum Sieger erklärt und es hatte nicht lange gedauert, bis Magnus Bane in der Modewelt in aller Munde war. Models rissen sich um Jobs für sein Label, seine ersten Kollektionen waren innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft und er konnte sich vor Interviewanfragen gar nicht mehr retten. An jenem Abend des Wettbewerb Entscheids hatte er Miau Tse-Tung, sobald er seine damals noch kleine Wohnung am Stadtrand betreten hatte, vor lauter Freude durch die Luft gewirbelt und ihm anschließend sogar vom besten Restaurant der Stadt ein Fischmenü kommen lassen. Mittlerweile bewohnte die beiden eines der heißbegehrten Lofts mitten in der Innenstadt und konnten von ihrem Balkon aus auf ganz New York blicken. Auch wenn Miau Tse-Tung das herzlich egal war. Der Kater hatte sich derweil divenhaft erhoben und stolzierte zu seinem nun vollen Napf, während er Magnus mit Blicken tötete.

"Verfressenes Ding", murmelte Magnus und verdrehte dabei die Augen. Sein Weg führte ihn zurück ins Schlafzimmer, direkt zu seinem Nachttisch auf dem sein Handy wie wild aufleuchtete. Über 20 verpasste Anrufe. Eine Sorgenfalte bildete sich auf seiner Stirn. Verpasste Anrufe waren an sich nichts Ungewöhnliches für ihn, allerdings beunruhigte es ihn, dass es sich bei dem Anrufer um seine Assistentin handelte. Ohne Umschweife öffnete er die Mailbox und erstarrte, als Catarinas Stimme energisch durch die Lautsprecher drang:

"Magnus, wo bleibst du? Im Ernst, beweg deinen Hintern hierher!"

"Um Himmels Willen! Wo steckst du? Die Show beginnt in drei Stunden! Nicht irgendeine! Die New York Fashion Show startet und du bist nicht hier!"

"Magnus, wenn du nicht gleich an dein Handy gehst, dann drehe ich dir persönlich den Hals um."

"Noch 2 Stunden. Magnus! Verdammt, du kannst mich hier nicht allein lassen!"

Und eine letzte Nachricht, bevor die Mailbox verstummte:

"Weißt du was? Ich habe es satt! Ich kündige!"

Wie in Trance realisierte er, dass neben seiner Mailbox auch das Zeichen seines Weckers auf dem Display aufgeblinkt hatte. Er hatte ihn überschlafen, wohl aufgrund des Stresses der letzten Tage. Und das ausgerechnet heute. Als hätte man ihn plötzlich unter Strom gesetzt, kam Bewegung in den jungen Designer, der sich rasch eine Hose und ein Oberteil aus seinem Kleiderschrank fischte, bevor er sich hastig durchs Haar fuhr und dabei mehr Chaos als Ordnung verursachte und schlussendlich vor dem Schuhregal im Flur stoppte und sich fluchend in das erste Paar zwängte, dass ihm in die Finger kam.

"Bin dir was schuldig", rief er seinem Kater zu, der sich wohl ein weiteres Fischmenü verdient hatte, als Magnus auch schon nach seinem Autoschlüssel griff und danach durch das Treppenhaus nach unten hechtete, natürlich nicht ohne still zu bereuen, dass er sich ausgerechnet das höchste Stockwerk ausgesucht hatte. Kaum hatte er das Hochhaus verlassen, stürmte er zu dem Parkplatz seines Autos, riss die Fahrertür auf und warf sich mit einem Sprung auf den Ledersessel, der ihm die Luft aus den Lungen presste. Nach Atem schnappend startete er auch schon den Motor, legte den Rückwärtsgang ein, um möglichst schnell aus der Lücke zu gelangen und drückte das Gaspedal durch. Nur vergaß er dabei nach hinten zu sehen.

Mit einem Mal ertönte ein schrecklich krachendes Geräusch. Blitzschnell zuckte sein Fuß zur Bremse und der Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Das Herz pochte Magnus bis zum Hals, als er mit der bitteren Gewissheit, dass er etwas oder jemanden angefahren hatte, ausstieg und mit zitternden Knien zu der Stelle hinter seinem Auto lief, wo er bereits das Schlimmste erwartete. Blut. Womöglich hatte er jemanden umgebracht. Tatsächlich lag hinter seinem Auto ein junger Mann. Unter normalen Umständen wäre Magnus wohl sofort die ausschließlich dunkle Kleidung ins Auge gefallen, ein Stylingdisaster, dass jedem seiner Angestellten sofort den Job gekostet hätte. Doch in jenen Schrecksekunden war er einfach nur erleichtert, dass sich entgegen seiner Erwartungen kein Blut auf dem Asphalt ausgebreitet hatte und der junge Mann einigermaßen unverletzt erschien. Er kniete auf der Straße und hatte sich anscheinend gerade noch abfangen können.

"Es tut mir wirklich schrecklich leid", die Worte waren kaum mehr als ein Krächzen, weil das Adrenalin seinen Mund so unheimlich trocken werden ließ. Unbeholfen kniete er sich neben den Fremden, hielt ihm seine Hand hin, um ihm aufzuhelfen und erstarrte, als sich der Angefahrene umdrehte. Dunkelblau traf auf grün.


Obsessed with you (Malec) #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt